Keine echte Einigung beim Wachstumschancengesetz
Im Ringen um ein Wachstumspaket für Unternehmen hat die Ampel-Koalition den Druck auf die Union erhöht. Zwar kam es im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag am 21.2.20224 Mittwochabend nicht zu einer echten Einigung der Beteiligten. Der Ausschuss nahm mit den Stimmen der Ampel-Mehrheit aber ein Verhandlungsergebnis zum Wachstumschancengesetz an. Weil die Union nicht zustimmte, kommt es nun zum Showdown am 22.3.2024 im Bundesrat. Dann wird in der Länderkammer erneut über das umstrittene Gesetz abgestimmt.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) warf der Union nach der Sitzung vor, sich den Rufen der deutschen Wirtschaft nach einer Entlastung und Wachstumsimpulsen zu verweigern. Der Fraktionsvize der Grünen, Andreas Audretsch, sagte, die Union habe die Wirtschaft "wegen taktischer Spielchen zur eigenen Profilierung im Regen stehen lassen". "Ich glaube, auch die deutsche Wirtschaft wird dafür keinerlei Verständnis haben", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Der Druck auf CDU und CSU sei nun erheblich. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dagegen kritisierte, es sei ein schlechtes Ergebnis ohne die Zustimmung der Union. Die Möglichkeit, eine Brücke zu bauen, sei vertan worden.
Milliardenschweres Wachstumspaket
Ursprünglich sollte es ein milliardenschwerer Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anreizt. Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Im Kern: eine Prämie für Klimaschutz-Investitionen, dazu steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Verlustverrechnung und der Abbau bürokratischer Hürden.
Was die Länder dagegen hatten
Der Bundesrat blockierte das vom Bundestag beschlossene Paket mit dem Argument, Länder und Kommunen müssten einen Großteil der Kosten und Steuerausfälle schultern. Die Länderkammer rief deshalb den Vermittlungsausschuss an. In ersten Gesprächen strichen die Verhandlungspartner das Volumen der Entlastungen daraufhin bereits von einst geplanten 7 Mrd. EUR jährlich auf 3,2 Mrd. EUR zusammen. Übrig blieb im Grunde nur eine Light-Variante - vor allem steuerliche Entlastungen und Anreize, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Die Klimaschutz-Investitionsprämie, ursprünglich Kern des Gesetzes, wurde gekippt.
Vermittlungserbenis: Abgespecktes Wachstumsschancengesetz
Das "unechte" Vermittlungsergebnis ( Beschluss des Vermittlungsausschusses) enthält eine Vielzahl von Maßnahmen, wie die
- Einführung einer degressiven Abschreibung auf Abnutzung (AfA) für Wohngebäude in Höhe von 5 Prozent,
- Einführung einer degressiven AfA auf bewegliche Wirtschafsgüter für 9 Monate,
- auf vier Jahre befristete Anhebung des Verlustvortrags auf 70 % (ohne Gewerbesteuer),
- Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung.
Außerdem sind u.a. Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuersystems und zum Bürokratieabbau enthalten. Der Vermittlungsausschuss hat außerdem beschlossen, aus dem Wachstumschancengesetz u.a. die Einführung einer Klimaschutz-Investitionsprämie und die Mitteilungspflichten innerstaatlicher Steuergestaltungen zu streichen.
Was das Ganze mit dem Agrardiesel zu tun hat
SPD-geführte Länder zeigten sich mit der abgespeckten Lösung zufrieden, die Union jedoch machte für ihre Zustimmung eine zusätzliche Bedingung: SPD, Grüne und FDP müssten auf die vom Bundestag bereits beschlossene Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel für Landwirte verzichten. Daran hielten die Unionsvertreter auch im Vermittlungsausschuss fest.
Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erklärte, die Ampel-Regierung habe deutlich gemacht, dass sie mit den Landwirten im Gespräch sei, um gemeinsame Lösungen zu finden. Die Länder erwarteten bis zur Bundesratssitzung am 22. März Vorschläge. Dobrindt sagte allerdings, er habe kein Vertrauen, dass die Ampel bis dahin ein substanzielles Ergebnis mit den Bauern vorlegen werde.
Was das Ergebnis des Vermittlungsausschusses genau bedeutet
Der Ausschuss hat 32 Mitglieder - jeweils 16 vom Bundesrat, vor allem Ministerpräsidenten, und 16 vom Bundestag. Die Ländervertreter sind hier im Unterschied zu Abstimmungen im Bundesrat nicht weisungsgebunden. Das heißt: Wenn sich eine Koalitionsregierung in einem Land nicht auf eine Position einigen kann, muss sich das Land, anders als im Bundesrat, nicht enthalten.
Die Union wollte dem Vernehmen nach eine Vertagung des Vermittlungsausschusses - das aber lehnte die Ampel-Seite ab. SPD, Grüne und FDP wollten auch nicht auf die Forderung der Union eingehen und die Agrardiesel-Streichung zurücknehmen. Die Union habe keinerlei Interesse gezeigt, über das Wachstumschancengesetz selbst zu sprechen, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Es sei CDU und CSU einzig und allein um die politische Verknüpfung mit dem Agrardiesel gegangen.
So kam es zu einem sogenannten unechten Ergebnis: Mit der Mehrheit der Ampel und ohne Zustimmung der Union nahm der Vermittlungsausschuss das Verhandlungsergebnis zum abgespeckten Wachstumspaket an. Die Ampel spielte damit den Ball aufs Spielfeld der Union, die nun unter Druck geraten könnte. Denn viele Wirtschaftsverbände wollen das Wachstumspaket unbedingt.
Showdown im Bundesrat
Im Bundesrat kommt es am 22. März nun zu einer neuen Abstimmung - quasi zum Showdown. Hier wird erneut abgestimmt. Die Länder müssen dem Gesetz zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Die Ampel-Partner forderten die Union auf, sich ihr Votum noch einmal gut zu überlegen. Das Kalkül von SPD, Grünen und FDP lautet: Der Druck aus der Wirtschaft auf die Union wird immens sein, doch zuzustimmen. Direkt am Mittwochabend meldete sich der Verband der Chemischen Industrie: "Mit dem Wachstumschancengesetz hätten Bund und Länder nach 15 Jahren steuerpolitischer Rückschritte endlich einen ersten richtigen Schritt nach vorne gemacht, um den Reformstau in Deutschland zu lösen. Diese Chance wurde vertan."
Die Ampel geht aber mit ihrem Vorgehen im Vermittlungsverfahren auch ein Risiko ein: Bleibt die Union hart und halten alle unionsgeführten Länder zusammen und es scheren nicht einige von der Linie aus, könnten die Entlastungspläne scheitern - angesichts der Konjunkturflaute könnte dies ein fatales Signal an die Wirtschaft sein, dass man sich auf die Politik nicht mehr verlassen kann.
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