Rz. 254
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Abfindungen, die dem Arbeitnehmer anlässlich seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt werden (Entlassungsentschädigungen), sind regelmäßig den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA zuzuordnen. Unter Abfindungen in diesem Sinne sind Zahlungen zu verstehen, die der Arbeitnehmer als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere für den Verlust des Arbeitsplatzes, erhält. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht erforderlich, wenn ein sachlicher Zusammenhang gegeben ist.
Rz. 255
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Nach § 50d Abs. 12 EStG gelten Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines DBA als für eine frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Abfindungen sind daher nach § 50d Abs. 12 Satz 1 EStG insoweit im ehemaligen Tätigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu besteuern, als diesem für die frühere Tätigkeit nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA ein Besteuerungsrecht zusteht. Maßgeblich für die Anwendung des § 50d Abs. 12 EStG und Art. 15 OECD-MA ist der Zuflusszeitpunkt i. S. des § 11 EStG i. V. m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG. Für die Anwendung von § 50d Abs. 12 EStG kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Abfindungsvereinbarung getroffen wurde.
Rz. 256
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Trifft das anzuwendende DBA für Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, in einer gesonderten Vorschrift ausdrücklich eine von § 50d Abs. 12 Satz 1 EStG abweichende Regelung, sieht § 50d Abs. 12 Satz 2 EStG vor, dass die DBA-Regelung anzuwenden ist. § 50d Abs. 12 Satz 3 EStG regelt insbesondere den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland in entsprechender Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, soweit die Abfindungen im ehemaligen Tätigkeitsstaat aufgrund eines abweichenden DBA-Verständnisses nicht besteuert werden.
Rz. 257
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Die Aufteilung der Abfindungszahlungen soll grundsätzlich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber erfolgen, da die Höhe der Abfindungszahlung i. d. R. von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt. Hat der Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns (ggf. auch mehrfach) den Arbeitgeber gewechselt, sind die Dienstzeiten bei den unterschiedlichen Arbeitgebern zusammenzurechnen, wenn sich die Höhe der Abfindung nach der gesamten Beschäftigungsdauer bemisst. Bei Tätigkeiten in verschiedenen Staaten bilden die jeweiligen Tätigkeitszeiten des Arbeitsverhältnisses die Grundlage für eine anteilige Zuordnung der Abfindungszahlung als nachträgliches Arbeitsentgelt i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA. Dies gilt beispielsweise auch dann, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit unterschiedliche Positionen (mit jeweils unterschiedlichem Gehaltsniveau) innehatte. Soweit die Tätigkeitsausübung während der gesamten Beschäftigungsdauer im Einzelnen nicht mehr ermittelt werden kann, soll die Abfindungszahlung dennoch so aufgeteilt werden, dass der tatsächlichen Tätigkeitsausübung im Beschäftigungszeitraum möglichst Rechnung getragen wird. Auf die Tätigkeitsausübung in den letzten zwölf Monaten des Beschäftigungsverhältnisses kann grundsätzlich nicht abgestellt werden, es sei denn, dass Tatsachen oder Anhaltspunkte für einen längeren Zeitraum tatsächlich nicht feststellbar sind (Tz. 2.7 des OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA).
Rz. 258
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Beispiel:
Der ausschließlich in Deutschland ansässige Arbeitnehmer A ist seit 1. Januar 01 bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt (fünf Jahre). Er wird vom 1. Januar 06 bis zum 31. Dezember 10 zu einem verbundenen Unternehmen (wirtschaftlicher Arbeitgeber) nach Japan entsandt (fünf Jahre). Im Dezember 10 wird das Beschäftigungsverhältnis des A nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit beendet. Er erhält eine Entlassungsabfindung i. H. v. 100 000 EUR. In dem Zeitraum von 01 bis 05 arbeitete er jeweils 220 Tage im Inland. In dem Zeitraum von 06 bis 10 arbeitete er jeweils 190 Tage in Japan, 20 Tage in Drittstaaten und 10 Tage im Inland.
Lösung:
Der gesamte Erdienungszeitraum bezüglich der Aufteilung der Abfindung ist zu berücksichtigen. Folglich sind die Arbeitstage des gesamten Arbeitsverhältnisses heranzuziehen. Die tatsächlichen Arbeitstage des gesamten Arbeitsverhältnisses betragen 2 200 Arbeitstage (10 × 220 Tage). Davon war A an 950 Arbeitstagen (5 × 190 Tage) in Japan tätig.
Die Entlassungsabfindung ist in Deutschland i. H. v. 43 182 EUR (100 000 EUR × 950/2 200) unter Progressionsvorbehalt steuerfrei, soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist (Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a und b DBA-Japan). Das Besteuerungsrecht für die in Drittstaaten ausgeübte Tätigkeit verbleibt bei einer Art. 15 Abs. 2 OECD-MA vergleichbaren Regelung bei Deutschland als Ansässigkeitsstaat. In Deutschland steuerp...