Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge und Gegenvorstellung
Leitsatz (NV)
1. Mit der Anhörungsrüge kann nur die Verletzung eines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden; sie dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache zu überprüfen.
2. Mi der Gegenvorstellung ‐ soweit sie neben der Anhörungsrüge nach § 133a FGO überhaupt noch statthaft sein sollte ‐ muss das Vorliegen schwerwiegender Grundrechtsverstöße oder einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit dargelegt werden.
3. Der BFH kann zur Kurzbegründung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO auf das Beschwerdevorbringen eines Beteiligten Bezug nehmen.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2, § 113 Abs. 2 S. 3, § 116 Abs. 5 S. 2, § 133a; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 2. August 2006 IX B 58/06 hat der Senat die Beschwerde der Kläger und Antragsteller (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit ihrer Anhörungsrüge nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) und ihrer Gegenvorstellung.
Mit der Anhörungsrüge machen sie im Wesentlichen geltend, der Senat sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) den Beweisantrag gestellt, den von ihnen benannten Zeugen zur Frage der Schätzung des Gebäude-Restbuchwertes zur Stellungnahme aufzufordern. Ein solcher --keinen Sinn ergebender-- Beweisantrag sei weder in der Klageschrift noch in der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Ihren dahingehenden Antrag auf Protokollberichtigung habe das FG zu Unrecht abgelehnt.
Die Gegenvorstellung halten die Kläger für geboten, weil der Senat zu Unrecht einen Teil der geltend gemachten Zulassungsgründe unter Hinweis auf die --unzutreffenden-- Ausführungen des Beklagten und Antragsgegners (Finanzamts --FA--) als nicht gegeben angesehen habe.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO). Der Senat hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
a) Der (außerordentliche) Rechtsbehelf der Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen. Vielmehr kann nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 FGO mit der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, dass das Gericht --im Streitfall der beschließende Senat, nicht das FG-- im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verstoßen habe (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2006 V S 1/06, BFH/NV 2006, 1314, m.w.N.).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO beinhaltet für das Gericht die Verpflichtung, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1314, m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614, m.w.N.).
b) Mit ihrem den Beweisantrag betreffenden Vorbringen machen die Kläger keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Sie wenden sich vielmehr dagegen, dass der Senat seiner Beurteilung die --nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angefochtenen und damit ihn gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden-- Feststellungen des FG (zum fraglichen Beweisantrag) zugrunde gelegt hat und machen im Übrigen geltend, die Sache sei fehlerhaft entschieden. Mit diesen Rügen können die Kläger --wie oben ausgeführt-- im Rahmen des § 133a FGO nicht gehört werden.
c) Eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat hinsichtlich eines Teils seiner Erwägungen auf die Beschwerdeerwiderung des FA verwiesen hat. Diese Möglichkeit der (Kurz-)Begründung eröffnet § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2001 I B 157/00, BFH/NV 2002, 34) i.V.m. § 113 Abs. 2 Satz 3 (s. dazu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 262). Gegen § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO bestehen auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. September 2005 I S 11/05, BFH/NV 2006, 97, m.w.N.). Nach dem tatsächlichen Gehalt ihres Vorbringens machen die Kläger auch hier --im Rahmen der Anhörungsrüge unzulässigerweise-- lediglich geltend, die Ansicht des FA und (da er sie übernimmt) des Senats sei rechtsfehlerhaft.
2. Der Senat kann offen lassen, ob eine Gegenvorstellung neben der Anhörungsrüge nach § 133a FGO überhaupt noch statthaft ist (z.B. BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2006 VII S 39/06, BFH/NV 2007, 740, m.w.N.); die von den Klägern erhobene ist zumindest unbegründet. Entgegen ihrer Auffassung ist die in der Bezugnahme auf die Beschwerdeerwiderung liegende Beschlussbegründung des Senats weder greifbar gesetzeswidrig noch willkürlich. Dies ergibt sich --wie unter II. 1. c dargelegt-- aus der Vorschrift des § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO i.V.m. § 113 Abs. 2 Satz 3 FGO.
Fundstellen