Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung einer ärztlichen Teilpraxis: Anforderungen an die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung, übergangener Beweisantrag als Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache reicht es nicht aus, dass der Kläger einen Verstoß gegen das Verfassungsrecht geltend macht. Ist eine Rechtsfrage durch die Rechtsprechung schon hinreichend geklärt, so muss der Kläger im Einzelnen ausführen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite diese Rechtsprechung umstritten ist.
- Macht der Kläger einen Verfahrensmangel geltend, wonach das FG einen Beweisantrag übergangen habe, so muss er auch darlegen, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde, oder weshalb diese Rüge nicht möglich war.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Gründe
Die Beschwerde, deren Zulässigkeit sich nach den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richtet, ist unzulässig.
1. Eine Rechtssache hat nach bisherigem Verständnis grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Unabhängig davon, ob der bisher in § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. enthaltene Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung weiterhin in § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. enthalten ist oder ob er nunmehr unter Nr. 2 der neuen Vorschrift (Erforderlichkeit der Rechtsfortbildung) zu fassen ist, macht es die in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderte Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen notwendig, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. Sind zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Entscheidungen ergangen, sind danach Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (Senatsbeschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) tragen vor, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach bei Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit gefordert werde, dass die betreffende Tätigkeit in dem örtlich begrenzten Wirkungskreis für eine gewisse Zeit beendet werden müsse, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Ferner sei Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, da im Gegensatz zu einer Einzelpraxis die Veräußerung eines anteiligen Mitunternehmeranteils an einer Gemeinschaftspraxis tarifbegünstigt sein könne. Diese Begründung lässt nicht erkennen, worin die Kläger eine noch ungeklärte Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung sehen.
Die rechtlichen Gesichtspunkte, die für die tarifbegünstigte Veräußerung einer ärztlichen Teilpraxis eine Rolle spielen, sind in der Senatsentscheidung vom 6. März 1997 IV R 28/96 (BFH/NV 1997, 746) unter Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung ausführlich dargestellt. In Anbetracht der vorhandenen Rechtsprechung hätten die Kläger ausführen müssen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite diese Rechtsprechung umstritten ist. Die Behauptung, die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Vorschrift oder die hierzu ergangene Rechtsprechung verletze Verfassungsrecht, reicht insoweit zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein konkretes Eingehen auf die Rechtsfragen und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit; ferner wäre es erforderlich gewesen, dass die Kläger sich eingehend mit dem Senatsurteil in BFH/NV 1997, 746 auseinandersetzten. Dies ist nicht geschehen.
2. Auch die Rüge, dass das Finanzgericht (FG) seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Der Senat braucht dabei nicht zu prüfen, ob sich aus dem Vorbringen der Kläger schlüssig die erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema, also die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen, ergeben, denn den Klägern kommt für ihre Verfahrensrüge insoweit eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung zugute. Soweit nämlich das FG ―wie im Streitfall― selbst begründet hat, weshalb von der Erhebung einzelner Beweise abgesehen worden ist, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zusätzlich auch in der Beschwerdeschrift eine unnötige Förmelei darstellen würde (ständige Rechtsprechung, aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147, m.w.N.).
Allerdings gehört zur "Darlegung" (früher "Bezeichnung") des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 (früher § 115 Abs. 3 Satz 3) FGO auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war. Die eingangs erwähnten Begründungserleichterungen führen im Übrigen nicht etwa dazu, dass in der Beschwerdebegründung auch auf Ausführungen zum eventuellen Nichteintritt eines Rügeverlustes verzichtet werden könnte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 147, m.w.N.). Die Kläger haben ―obwohl in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bereits durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten― nicht dargelegt, weshalb sie dort nicht auf der beantragten Beweiserhebung bestanden haben oder weshalb ihnen dies nicht möglich war.
Hinzu kommt, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, vom materiellen Standpunkt des FG auszugehen ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 68, m.w.N.). Das FG war jedoch der Auffassung, die Frage, ob zwei Praxisteile oder zwei Teilpraxen vorlägen, stelle eine Rechtsfrage dar, zu deren Beantwortung es keiner medizinischen Sachkenntnis bedürfe.
3. Von einer weiteren Begründung, insbesondere der Wiedergabe des Tatbestandes, sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen