Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Billigkeitserlass der Umsatzsteuer beim Leistenden mangels Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger
Leitsatz (NV)
Der Unternehmer hat die von ihm geschuldete Umsatzsteuer auch dann zu entrichten, wenn sie vom Leistungsempfänger nicht als Vorsteuer abgezogen wird, bei ordnungsgemäßer Inrechnungstellung von ihm aber als Vorsteuer abgezogen werden könnte. Es ist nicht sachlich unbillig, dass der leistende Unternehmer unabhängig vom Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zur Umsatzsteuer veranlagt wird. Ein weiterer Klärungsbedarf ist insoweit nicht gegeben.
Normenkette
FGO § 115; AO 1977 § 227; UStG 1991 §§ 1-2, 10, 16
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat in den Streitjahren 1992 bis 1995 steuerpflichtige Vermittlungsleistungen erbracht und ist deshalb zur Umsatzsteuer veranlagt worden.
Der Kläger behauptete, er habe für die Vermittlungsleistungen keine Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilt, so dass die Leistungsempfänger auch keinen Vorsteuerabzug hätten geltend machen können. Er sah deshalb durch seine Besteuerung das die Mehrwertsteuer beherrschende Neutralitätsprinzip verletzt und beantragte den Erlass der Umsatzsteuer.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) lehnte den Erlass ab; die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, mit der er grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend macht und die Zulassung der Revision beantragt.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). Die Beschwerde ist zu begründen; in der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).
1. Soweit der Kläger "Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs" rügt, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 FGO.
Das vom Kläger in diesem Zusammenhang allein näher bezeichnete "BFH-Urteil vom 21. August 1997, V-R-97/96" gibt es nicht. Möglicherweise meinte der Kläger das BFH-Urteil vom 21. August 1997 V R 47/96 (BFH/NV 1998, 141). Der BFH hat in diesem Urteil zwar entschieden, dass eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Gründen in Betracht kommt, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist und dadurch ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers besteht. Von diesem Rechtssatz ist aber auch das FG ausgegangen (Seite 6 unten der Vorentscheidung). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich somit nicht, dass die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH abweicht und deshalb die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2002 V B 25/02, BFH/NV 2002, 1407).
Diese Voraussetzungen einer Zulassung der Revision sind im Streitfall nicht erfüllt.
Da der Kläger nicht geltend macht, er habe über die seine Steuerpflicht begründenden Merkmale geirrt, braucht im vorliegenden Rechtsstreit nicht geklärt zu werden, ob ein solcher Irrtum einen Billigkeitserlass rechtfertigen würde.
Im Übrigen kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Unternehmer die von ihm geschuldete Umsatzsteuer auch dann zu entrichten hat, wenn sie bei ordnungsgemäßer Inrechnungstellung vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden könnte. Da das Gesetz (§§ 1, 2, 10, 16 ff. des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993) die Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers nicht vom Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers abhängig macht, entspricht es den Wertungen des Gesetzes, dass der leistende Unternehmer unabhängig vom Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zur Umsatzsteuer veranlagt wird; die Inanspruchnahme des leistenden Unternehmers ist nicht sachlich unbillig. Ein weiterer Klärungsbedarf ist insoweit nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 940521 |
BFH/NV 2003, 1098 |