Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der betrieblichen Veranlassung bei behaupteten Betriebsausgaben
Leitsatz (NV)
Zum Nachweis der betrieblichen Veranlassung einer Aufwendung, die Entgelt für eine dem Betrieb erbrachte Leistung sein soll, wenn davon auszugehen ist, daß der Empfänger der Zahlung diese Leistung nicht erbracht hat.
Normenkette
AO 1977 § 364; EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (eine KG) betreibt ein gewerbliches Unternehmen. Zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten beauftragt die KG verschiedene Subunternehmer.
Im Streitjahr 1986 hat der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) der KG den Vorsteuerabzug aus den Subunternehmerrechnungen der Fa. Z-GmbH versagt. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Finanzgericht (FG) zurückgewiesen.
Für das Streitjahr 1986 erhöhte das FA den Gewinn der KG um insgesamt ... DM.
Nachdem das FA zunächst die Aussetzung der Vollziehung gewährt hatte, widerrief es diese Verfügung am 21. April 1992. Die KG hat daraufhin Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FG gestellt. Zur Begründung hat die KG vorgetragen:
Es könne nicht bestritten werden, daß es sich - unabhängig davon, wer Zahlungsempfänger sei und wer die Leistung tatsächlich erbracht habe - bei den streitigen Zahlungen jedenfalls um betriebliche Ausgaben handle. Mit diesen Zahlungen seien jedenfalls die Leistungen erbracht worden, die die KG ihrem Auftraggeber weiterberechnet und die dieser als vertragsgemäß abgenommen habe.
Das FA stütze sich auf die Akte der Staatsanwaltschaft .... Trotz Antrags der KG gemäß § 364 der Abgabenordnung (AO 1977) sei ihr der Inhalt dieser Akte bisher nicht bekanntgegeben worden. Bereits das rechtfertige die Aussetzung der Vollziehung (Hinweis auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443).
Die Voraussetzungen des § 160 AO 1977 seien nicht gegeben.
Die Aussetzung der Vollziehung sei ferner aus Billigkeitsgründen geboten.
Das FA hat die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung wie folgt begründet:
Ihm sei letztlich auch nicht bekannt, in welchem Umfang die KG die Arbeiten selbst vorgenommen oder durch Subunternehmer habe ausführen lassen. Nicht auszuschließen sei, daß die KG in gewissem Umfang eigene Schwarzarbeiter eingesetzt habe. Wahrscheinlicher sei jedoch, daß bisher nicht benannte oder unbekannte Subunternehmer durch Einsatz von Schwarzarbeitern den größten Teil der fraglichen Arbeiten vorgenommen hätten.
Das FG setzte die Vollziehung des streitigen Bescheids in Höhe von ... DM aus.
Seine vom FG zugelassene Beschwerde begründete das FA wie folgt:
Das FG habe keine Beweiswürdigung vorgenommen, sondern nach Beweislastgrundsätzen entschieden. Es habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und ggf. wofür und in welcher Höhe die KG Beträge an die Z-GmbH gezahlt habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Beschlusses und zur Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung. Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1986 bejaht; es bestehen keine ernstlichen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Senat geht für dieses Verfahren zugunsten der KG davon aus, daß die streitigen Rechnungsbeträge an die Z-GmbH gezahlt worden sind. Diese Tatsache genügt allein jedoch nicht, die Veranlassung der Zahlungen durch den Betrieb der KG zu begründen (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -; BFH-Beschluß vom 9. Juli 1986 I B 36/86, BFHE 149, 375, BStBl II 1987, 487). Aufwendungen sind durch den Betrieb veranlaßt, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, 301, BStBl II 1990, 817, m.w.N.). Der objektive Zusammenhang einer Aufwendung mit dem Betrieb wird in der Regel dadurch begründet, daß die Leistung, die die Zahlung entgilt, dem Betrieb (der Gewinnerzielung) förderlich ist. Die genannten Voraussetzungen müssen bei der konkreten Ausgabe, die es zu beurteilen gilt, erfüllt sein. Entgegen der Ansicht des FG und der KG ist eine Aufwendung nicht schon dann durch den Betrieb veranlaßt, wenn die Leistung nicht vom Empfänger des Entgelts, sondern von einem Dritten erbracht worden ist. Zwischen der Leistung - die vom Dritten nicht in Rechnung gestellt wurde - und dem streitigen Aufwand - dem keine erkennbare Leistung an den Betrieb gegenübersteht - besteht dann kein objektiver Zusammenhang. Es mangelt an einer im Betrieb der KG begründeten Leistungsbeziehung zwischen der KG und dem Empfänger der Leistung (Z-GmbH).
Das FA ist allerdings zunächst davon ausgegangen, daß die Z-GmbH die in Rechnung gestellten Beträge zum Teil für Lohnzahlungen verwendet hat. Das ergibt sich aus der Berechnung des streitigen Betrags von ... DM. Das FA ist aber nach seiner Darstellung aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft später zu der Überzeugung gelangt, daß die Z-GmbH die ausgewiesenen Leistungen nicht erbracht hat.
Eine betriebliche Veranlassung der streitigen Zahlungen könnte allerdings zu bejahen sein, wenn die Z-GmbH die Beträge zur Bezahlung eines weiteren Subunternehmers verwandt hätte, der seinerseits die Leistungen erbracht hat. Diese Möglichkeit wird jedoch von der KG verneint (Bl.10 des Schreibens vom 29. Januar 1993; vgl. auch Bl.2 des Schreibens vom 1. Oktober 1993).
Das FA trägt vor, die Z-GmbH habe der KG keine Leistung erbracht, sondern allenfalls eine Provision dafür bezogen, daß sie der KG Beträge für angebliche Leistungen in Rechnung stellte. Die Rechnungen hätten nur den Zweck gehabt, der KG den Vorsteuerabzug zu ermöglichen und den steuerlichen Gewinn zu mindern (Abdeckrechnungen). Zur Begründung trägt das FA vor, die Z-GmbH habe keinen Bürobetrieb unterhalten, der Anhaltspunkte für eine Tätigkeit erlaubte. Zu den üblichen Geschäftszeiten sei unter den angegebenen Adressen niemand zu erreichen gewesen. Schließlich gebe es keine schriftlichen Werkverträge. Das FA verweist auf andere Fälle, in denen die KG Rechnungen von Unternehmen vorgelegt habe, die entweder nicht existierten, unter falscher Anschrift firmierten oder ebenfalls nur Rechnungen ausgestellt hätten, ohne entsprechende Leistungen zu erbringen. Das FA hat zum Nachweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten verwiesen, die in einem Parallelverfahren vorgelegt worden seien.
Das FA hat damit zwar nicht den Nachweis für seine Behauptungen erbracht. Es hat aber in substantiierter und schlüssiger Weise die Möglichkeit dargetan, daß die streitigen Aufwendungen nicht durch den Betrieb veranlaßt sind. Es ist Sache der KG, in diesem Fall den Nachweis der betrieblichen Veranlassung zu erbringen (BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; vgl. auch BFH-Beschluß in BFHE 149, 375, BStBl II 1987, 487). Eine tatsächliche Vermutung, daß eine Aufwendung betrieblich veranlaßt ist, besteht auch dann nicht, wenn sie z.B. an eine fremde Kapitalgesellschaft geleistet wird. Zwar gilt auch im Aussetzungsverfahren der Grundsatz, daß der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist (§ 76 Abs. 1 FGO). Der Grundsatz gilt jedoch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um ein summarisches Verfahren handelt und die Beweisaufnahme sich auf präsente Beweismittel beschränkt (BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 162-163/76, BFHE 123, 3, BStBl II 1977, 765). Darüber hinaus ist das Gericht zu eigenen Sachverhaltsermittlungen nicht verpflichtet (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Rdnr. 105). Die Mitwirkungspflicht des Antragstellers und seine Verpflichtung, die Umstände für die betriebliche Veranlassung darzutun und glaubhaft zu machen, bleibt unberührt. So kann sich die KG letztlich nicht darauf berufen, daß das FA die staatsanwaltschaftlichen Akten nicht vorgelegt hat. Es ist nicht seine Aufgabe nachzuweisen, daß die Aufwendungen nicht betrieblich veranlaßt waren. Zu Unrecht beruft sich die KG auf den BFH-Beschluß in BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443; dort ging es um Unterlagen, die den Steueranspruch des FA begründen sollten. Hier geht es um Aufwendungen, die den Steueranspruch (Gewinn) mindern.
Die KG hat die Behauptungen des FA nur in allgemeiner Art bestritten. Sie hat insbesondere nicht in substantiierter Form behauptet, die Z-GmbH habe die Leistungen, die sie der KG in Rechnung gestellt hat, auch tatsächlich erbracht. Die KG bestreitet zwar, daß sie Abdeckrechnungen von der Z-GmbH erhalten habe; sie versteht darunter aber offenbar etwas anderes als das FA. Zu fingierten Rechnungen - von denen das FA ausgeht - denen keine Leistung - von wem auch immer - zugrunde liegt, trägt die KG lediglich vor, ein solcher Sachverhalt sei außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Im folgenden schließt sie sich aber offenbar der Rechtsauffassung des FG an, wonach die streitigen Aufwendungen schon deshalb Betriebsausgaben seien, weil die KG die ihr in Auftrag gegebenen Leistungen ihren Auftraggebern gegenüber letztlich erbracht habe. Dem kann sich der Senat, wie dargelegt, nicht anschließen.
Die KG hat auch sonst nichts vorgetragen und glaubhaft gemacht, woraus sich ergibt, daß die streitigen Beträge die in der Rechnung ausgewiesenen Leistungen der Z-GmbH entgelten. Das Vorbringen der KG in ihrem Schriftsatz vom 1. Oktober 1993 sowie der Bericht der Steuerfahndungsstelle geben dem Senat keine Veranlassung davon auszugehen. Die Z-GmbH mag danach Arbeitskräfte verliehen haben, ob auch im Streitjahr an die KG, kann dem Bericht nicht entnommen werden. Der Bericht läßt aber letztlich auch offen, ob die Z-GmbH nicht ein Scheinunternehmen war oder die in Rechnung gestellten Leistungen nicht ausgeführt hat (Bl.10 des Berichts).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gewinnfeststellungsbescheides 1986 sind danach nicht begründet. Der Senat vermag keine Umstände zu erkennen, aus denen sich die betriebliche Veranlassung der streitigen Zahlungen ergibt. Weitere Sachverhaltsermittlungen sind in diesem Verfahren nicht geboten. Ob die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 AO 1977 erfüllt sind, ist für die Entscheidung nicht von Bedeutung. Da es in diesem Verfahren um die betriebliche Veranlassung einer bestimmten Aufwendung geht und nicht um die griffweise Schätzung des Gesamtgewinns der KG im Streitjahr, war schließlich auch nicht zu untersuchen, ob der KG überhaupt Aufwendungen entstanden sind. Es muß daher bei der vorläufigen Nichtanerkennung der streitigen Aufwendungen bleiben (zur negativen Feststellungslast vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760; BFH-Beschluß vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44).
Auch eine Aussetzung wegen unbilliger Härte der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter der KG (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 9. Mai 1969 III B 4/67, BFHE 96, 117, BStBl II 1969, 547) kommt nicht in Frage (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Die KG hat vorgetragen, es komme auf ihre Gesellschafter eine Einkommensteuerschuld von etwa ... DM zu. Dabei ist sie aber nicht nur von den in diesem Verfahren streitigen Gewinnerhöhungen ausgegangen, sondern überwiegend von weiteren angedrohten Gewinnerhöhungen. In diesem Verfahren geht es aber um die Auswirkungen der Vollziehung der streitigen Steuerbescheide bzw. der Folgebescheide. In diesem Zusammenhang können zwar andere Steuerbelastungen berücksichtigt werden, die Bezeichnung angedroht ist jedoch zu unbestimmt, um damit eine Belastung des Steuerpflichtigen zu begründen, die im Rahmen der Aussetzung wegen Unbilligkeit berücksichtigt werden könnte. Es fehlt ferner an einer Darstellung der Vermögenssituation der Gesellschafter. Schließlich ist bisher zum Nachweis der betrieblichen Veranlassung der streitigen Zahlungen so wenig Substantiiertes vorgetragen worden, daß auch mangels Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids 1986 eine Aussetzung wegen unbilliger Härte nicht geboten erscheint (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 31. August 1987 V B 57/86, BFH/NV 1988, 174).
Die hilfsweise beantragte Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft kann der KG im Rahmen dieses Verfahrens ebenfalls nicht gewährt werden. Dabei geht der Senat davon aus, daß es sich in diesem Verfahren nicht um eine Beschwerde gegen die Ablehnung der beantragten Akteneinsicht handelt. Die vorliegende Beschwerde richtet sich lediglich gegen den Beschluß des FG betr. die Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1986. Allerdings hat der BFH (Urteil vom 4. April 1978 VII R 71/77, BFHE 125, 20, BStBl II 1978, 402; vgl. auch Beschluß in BFHE 140, 153, BStBl 1984, 443) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides in einem Fall bejaht, bei dem das FA die Besteuerungsgrundlagen nicht gemäß § 245 der Reichsabgabenordnung (jetzt § 364 AO 1977) mitgeteilt hatte. Der vorliegende Fall ist damit jedoch nicht vergleichbar. Einmal wird durch § 364 AO 1977 ein Anspruch auf Akteneinsicht nicht begründet (Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., Kommentar zu § 364 AO 1977; Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 364 Rn.5; Kühn/ Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 364 Anm. 1; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., Kommentar zu § 364). Ferner sind Aktenauszüge und Schreiben der Staatsanwaltschaft, die die Behauptungen des FA bestätigen, in diesem Verfahren vorgelegt worden und der KG bekannt. Neben anderem sind diese Unterlagen ausreichend, eine sachliche Entscheidung des Senats zu ermöglichen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 125, 20, BStBl II 1978, 402, 403). Darüber hinaus kann der KG Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Akten gemäß § 78 Abs. 1 FGO nicht gewährt werden, weil sie dem Senat nicht vorgelegt wurden.
Fundstellen
BFH/NV 1994, 310 |
BFH/NV 1994, 311 |