Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines Bescheids im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (NV)
1. Der Antrag nach § 68 FGO ist auch in einem Beschwerdeverfahren über die Ablehnung oder Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Vollziehung zulässig. Dabei kann auf die Anfechtung des Änderungsbescheids verzichtet werden, wenn das Hauptsacheverfahren beim FG anhängig ist und der Änderungsbescheid daher jederzeit zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht werden kann.
2. § 68 FGO ist auch anwendbar, wenn ein Einkommensteuervorauszahlungsbescheid durch einen Einkommensteuerbescheid für denselben Veranlagungszeitraum ersetzt wird.
3. Die Anwendung des § 68 FGO erfordert dann keinen förmlichen Antrag, wenn sich das Begehren aus dem gesamten Vorbringen des Steuerpflichtigen ergibt.
Normenkette
FGO § 68
Verfahrensgang
Nachgehend
Gründe
Der Einkommensteuerbescheid 1985 ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Einer Anwendung des § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht weder entgegen, daß die Änderung in einem Antrags- und Beschwerdeverfahren erfolgt ist noch, daß der ursprüngliche Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid nicht durch einen nämlichen Bescheid geändert oder ersetzt wurde; unschädlich ist schließlich auch, daß die Kläger nicht ausdrücklich beantragt haben, den Einkommensteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
1. Nach § 68 FGO wird ein nach Klageerhebung geänderter oder ersetzter Verwaltungsakt auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens, d. h. des Klage- oder auch des Revisionsverfahrens (vgl. § 123 FGO). Diese der Verfahrensvereinfachung dienende Vorschrift hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung auch auf das nur unvollständig geregelte Verfahren der Aussetzung der Vollziehung entsprechend angewandt, dessen Eilbedürftigkeit die verfahrensbeschleunigende Regelung des § 68 FGO in besonderer Weise entgegenkommt (Beschluß vom 29. April 1971 V B 71/70, BFHE 102, 429, BStBl II 1971, 632; Urteil vom 5. November 1971 IV R 242/70, BFHE 103, 546, BStBl II 1972, 218, und Beschluß vom 29. September 1976 I B 15/76, BFHE 120, 139, BStBl II 1977, 37). Nach Auffassung des Senats kann für das einem gerichtlichen Aussetzungsverfahren folgende und in gleicher Weise eilbedürftige Beschwerdeverfahren nichts anderes gelten.
Allerdings setzt die entsprechende Anwendung des § 68 FGO im summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach dem Beschluß des BFH in BFHE 102, 429, BStBl II 1971, 632 u. a. auch die Anfechtung des Änderungsbescheids voraus, wenn das Hauptsacheverfahren noch nicht gerichtshängig geworden ist. Da das Hauptsacheverfahren im Streitfall jedoch beim FG anhängig ist, kann auf die Anfechtung des Änderungsbescheids verzichtet werden; dieser kann jederzeit ohne Beachtung einer Frist (vgl. Beschluß des BFH vom 8. November 1971 GrS 9/70, BFHE 103, 549, BStBl II 1972, 219) und unabhängig von seiner etwa eingetretenen Bestandskraft (BFH-Urteil vom 9. April 1981 I R 157/77, BFHE 134, 404) zum Gegenstand des Hauptsacheverfahrens gemacht werden.
2. Daß der Einkommensteuerbescheid 1975 an die Stelle des entsprechenden Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheides getreten ist, steht einer Anwendung des § 68 FGO ebenfalls nicht entgegen. Ergeht ein Jahressteuerbescheid, so verliert der Vorauszahlungsbescheid, soweit er nicht vollzogen ist, seine Wirkung; der Jahressteuerbescheid ist dann allein Zahlungs- und Beitreibungsgrundlage (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juni 1981 VIII B 31/80, BFHE 133, 267, 270, BStBl II 1981, 767). Diese Substitution erfüllt zugleich den in § 68 FGO enthaltenen Begriff des ,,Ersetzens", der ebenso wie das Merkmal ,,Änderung" weit auszulegen ist (Urteil des BFH vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, 475, BStBl II 1984, 791). Die Vorschrift des § 68 FGO erfordert nicht etwa die Nämlichkeit des Streitgegenstandes, sondern setzt lediglich voraus, daß der ursprüngliche Verwaltungsakt durch Erlaß des neuen Verwaltungsaktes seine Wirkung verliert und daß sowohl Beteiligter als auch Besteuerungsgegenstand hinsichtlich beider Verwaltungsakte identisch sind. Der VIII. Senat des BFH hat dies für das Verhältnis von Gewerbesteuermeßbescheiden für Vorauszahlungszwecke zu Gewerbesteuermeßbescheiden für das Kalenderjahr entschieden (BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 198/84, BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28); den überzeugenden Gründen schließt sich der Senat auch im Streitfall für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheiden und Einkommensteuerjahresbescheiden an.
3. Der Anwendung des § 68 FGO steht schließlich auch nicht entgegen, daß die Kläger keinen förmlichen Antrag gestellt haben, den Einkommensteuerbescheid zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen. In ihrem Schriftsatz haben die Kläger jedoch beantragt, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1985 auszusetzen und dies damit begründet, der Vorauszahlungsbescheid sei durch diesen Bescheid ,,überholt und damit erledigt". Der Senat sieht darin eine ausdrückliche Erklärung, die erkennen läßt, daß der Antrag gemäß § 68 FGO gestellt werden soll. Da der in § 68 FGO vorgesehene Antrag - im Klageverfahren - eine Klageänderung enthält, sind an diesen Antrag keine höheren Anforderungen zu stellen, als sie für den Klageantrag vorausgesetzt werden (Gräber, FGO, Kommentar, 1. Aufl., § 68 Anm. 5); insoweit aber genügt es, daß sich aus dem gesamten Vorbringen ergibt, was der Kläger begehrt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 65 FGO Anm. 4).
Fundstellen
BFH/NV 1988, 312 |
BFHE 1988, 428 |