Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Leistungen: Strohmann
Leitsatz (NV)
- Tritt eine Person bei Ausführung entgeltlicher Leistungen eindeutig nach außen hin im eigenen Namen auf, so sind ihr diese Umsätze als eigene zuzurechnen.
- Unter welchen Umständen ein "Strohmann" als leistender Unternehmer in Betracht kommt, ist bereits grundsätzlich geklärt.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1
Tatbestand
I. Streitig ist, ob dem Kläger oder seinem Sohn, dem Beigeladenen und Beschwerdeführer (Beigeladener) in den Jahren 1986 bis 1991 (Streitjahre) die Umsätze aus einem "Disco-Shop", einem Einzelhandelsgeschäft für Tonträger, zuzurechnen sind.
Der zuvor von einer GmbH geführte Disco-Shop wurde zum 14. August 1986 übernommen; die Verhandlungen hierzu führte der Kläger. Der Kaufvertrag vom August 1986 wurde von der Tochter des Klägers abgeschlossen; der Vertrag wurde vom Kläger mitunterzeichnet. Den Kaufpreis brachte der Kläger zum Teil aus seinem Privatvermögen auf; über den Restkaufpreis erteilte er dem Verkäufer eine Bürgschaft.
Der Betrieb wurde zunächst (vom 1. August 1986 bis zum 5. Dezember 1986) auf den Namen der Tochter des Klägers ―nach ihrer Darstellung als sog. "Strohfrau"― und sodann (bis zum 31. Dezember 1991) auf den Namen des Beigeladenen angemeldet. Der Beigeladene trat zum 1. August 1990 in ein Beschäftigungsverhältnis zu der X-GmbH; ab diesem Zeitpunkt wurde der Betrieb vom Kläger weitergeführt.
Im Rahmen einer gegen den Beigeladenen durchgeführten Fahndungsprüfung gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Umsätze aus dem Disco-Shop dem Beigeladenen zuzurechnen seien. Dem folgte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) und erließ gegenüber dem Beigeladenen entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Der Beigeladene legte gegen diese Bescheide Einspruch ein und trug zur Begründung vor, der Betrieb sei von seinem Vater, dem Kläger, geführt worden. Daraufhin zog das FA den Kläger gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Verfahren hinzu und setzte in der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 1999 die Umsätze aus dem Disco-Shop nunmehr gegen den Kläger fest.
Der dagegen vom Kläger erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es gelangte "unter dem Gesamteindruck der mündlichen Verhandlung" zu dem Ergebnis, dass die Umsätze aus dem Disco-Shop dem Beigeladenen zuzurechnen seien. Dieser sei im Außenverhältnis eindeutig im eigenen Namen aufgetreten. Er habe im Dezember 1986 die Gewerbeanmeldung für den "Disco-Shop" vorgenommen. Das betriebliche Bankkonto sei von ihm eröffnet worden; er habe dem Vater Kontovollmacht eingeräumt. Er habe für die Fa. Z einen Abbuchungsauftrag für Lastschriften erteilt. Bei Zahlungsschwierigkeiten sei er von den Gläubigern auf dem Rechtsweg in Anspruch genommen worden. Er habe auch den Wareneinkauf vorgenommen. Er sei persönlich stets während der gesamten Geschäftszeit anwesend gewesen. Organisatorische Anweisungen für den Geschäftsbetrieb seien von ihm erstellt worden. Er habe die Kasse abgerechnet. Er habe den Kunden die Verfügungsmacht über die Kaufartikel verschafft. Er habe den Firmenstempel stets mit seinem Namenszusatz versehen, auch z.B. bei der Einlegung des Einspruchs wegen Umsatzsteuer 1986.
Der Beigeladene sei auch nicht als Angestellter des Klägers tätig geworden. Ein Arbeitsverhältnis zwischen Kläger und Beigeladenem habe der Senat weder in der mündlichen Verhandlung noch anhand der Akten feststellen können.
Gegen dieses Urteil hat der Beigeladene Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er meint, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, weil das angefochtene Urteil auf verschiedenen Verfahrensmängeln beruhe. Überdies erfordere die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des Beigeladenen ist unbegründet.
1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.
a) Das FG hat entgegen der Ansicht des Beigeladenen nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 76 FGO verstoßen, indem es Zeugenaussagen der Eheleute X und des Mitarbeiters Y nicht berücksichtigt hat.
Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels setzt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO voraus, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Dabei ist bei einer Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht von der (materiell-rechtlichen) Rechtsauffassung des FG auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. November 2000 XI B 38/00, BFH/NV 2001, 478).
Nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG kam es aber auf die Zeugenaussagen der Eheleute X oder des Mitarbeiters Y nicht an (vgl. Urteil S. 10).
b) Soweit der Beigeladene rügt, das FG habe dadurch gegen § 76, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es vom Kläger geschriebene bzw. gegengezeichnete Monatslohnabrechnungen und Aufstellungen von Barabschlagszahlungen nicht berücksichtigt habe, fehlt die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO notwendige Darlegung, warum diese Unterlagen nach der Auffassung des FG entscheidungserheblich gewesen wären.
c) Soweit der Beigeladene ferner verschiedene Verfahrensmängel in Bezug auf die Feststellung und Würdigung des FG, er ―der Beigeladene― sei selbständig und nicht als Angestellter beim Vater tätig gewesen, kommt es darauf nicht an. Denn regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, unter II. 4. a, m.w.N.).
Allein maßgebend ist deshalb das Außenverhältnis. Tritt eine Person bei Ausführung entgeltlicher Leistungen eindeutig nach außen hin im eigenen Namen auf ―wie nach den Feststellungen des FG hier der Beigeladene―, so sind ihr diese Umsätze als eigene zuzurechnen.
d) Soweit der Beigeladene die Formulierung in dem angefochtenen Urteil rügt, der Senat sei "unter dem Gesamteindruck der mündlichen Verhandlung" zu dem Ergebnis gekommen, dass die Umsätze dem Beigeladenen zuzurechnen seien, ist nicht dargelegt, dass insoweit ein für die Entscheidung des FG entscheidungserheblicher Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegt.
e) Schließlich stellt das Urteil entgegen der Ansicht des Beigeladenen für ihn keine Überraschungsentscheidung dar. Er musste nach dem Gang des Verfahrens damit rechnen, dass das FG zu dem Ergebnis kommen konnte, ihm die Umsätze zuzurechnen. Diese Möglichkeit wurde nicht dadurch ausgeschlossen, dass das FG in der mündlichen Verhandlung ―vergeblich― den Beteiligten einen Vergleich dahin gehend vorschlug, dass der Kläger seine Unternehmerstellung einräumt und der Beigeladene entsprechend seiner Verantwortung in dem Unternehmen 1/3 der streitigen Steuern an das FA abführt.
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Entgegen der Auffassung des Beigeladenen ist keine Entscheidung des BFH zur Beurteilung der Frage erforderlich, unter welchen Umständen ein "Strohmann" als leistender Unternehmer in Betracht kommt.
Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss in BFHE 198, 208 unter II. 4. b ausgeführt:
"Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist; ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch andere ―Subunternehmer― ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt. Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen aber für Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet …; dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sog. Hintermann berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat …; soweit dem Urteil des XI. Senats des BFH vom 13. Juli 1994 XI R 97/92 (BFH/NV 1995, 168) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, hält der erkennende Senat hieran nicht fest. …"
In dieser Entscheidung hat der Senat ferner dargelegt, unter welchen Umständen das "vorgeschobene Strohmanngeschäft" unbeachtlich ist.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 1061384 |
BFH/NV 2004, 97 |