Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründungsanforderungen und Prüfungsumfang bei einer Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Anhörungsrüge nach § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO.
2. Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in vollem Umfang nochmals zu überprüfen.
3. Im Rahmen der Anhörungsrüge kann der Rügeführer mit der Behauptung einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie eines Verstoßes gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats nicht gehört werden.
4. Zum Anspruch auf Akteneinsicht bei unzulässigem Rechtsbehelf.
Normenkette
FGO §§ 133a, 78
Gründe
Die Anhörungsrüge führt nicht zum Erfolg.
1. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO in seiner ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung entspricht.
Nach dieser Bestimmung muss in der Anhörungsrüge --und zwar innerhalb der Frist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO-- "dargelegt" werden, dass die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO vorliegen. Darlegen, das schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von "erläutern" und "erklären" zu verstehen ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Januar 1968 V B 45/67, BFHE 90, 369, BStBl II 1968, 98; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 1995 9 B 362/95, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 1554, m.w.N.), heißt in diesem Zusammenhang: Schlüssig, substantiiert und nachvollziehbar darstellen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen der Rügeführer sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren VI B 56/07) nicht habe äußern können, welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe und woraus der Rügeführer dies meint folgern zu können (z.B. BFH-Beschluss vom 26. November 2008 VII S 28/08, BFH/NV 2009, 409; vgl. auch z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.). Denn so wie das Darlegungserfordernis nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dazu führt, dass hinsichtlich aller Revisionszulassungsgründe auch Anforderungen an die Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Beschwerdevorbringens zu stellen sind (vgl. im Einzelnen BFH-Beschluss vom 23. Juli 2008 VI B 78/07, BFHE 222, 54, BStBl II 2008, 878), verlangt auch die in § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO geforderte Darlegung, dass derartige Mindestanforderungen an die Ausführungen zur Begründung einer Anhörungsrüge zu stellen sind. Deshalb ist es nicht Aufgabe des Gerichts, gegen dessen Entscheidung sich die Rüge nach § 133a FGO richtet, aus einem rund 60 Seiten umfassenden, ohne klaren und auflösbaren Bezug auf die erhobene Anhörungsrüge mit zahlreichen Zitaten, abstrakten Rechtssätzen und einkopierten Texten angereicherten Schriftsatz das herauszusuchen, was möglicherweise --bei wohlwollender Auslegung-- zur Begründung der Anhörungsrüge der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) geeignet sein könnte. Dabei zeigt im Streitfall auch der Umstand, dass die Klägerin einen im Wesentlichen gleich lautenden Schriftsatz auch in dem Verfahren VI S 3/09 zur Begründung einer sofortigen Beschwerde und einer Gegenvorstellung gegen den mit der Anhörungsrüge angegriffenen Senatsbeschluss vorgelegt hat, die unzureichende Beachtung der Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO.
2. Im Übrigen wäre die Anhörungsrüge aber auch unbegründet, denn die Klägerin wendet sich mit ihren Ausführungen im Kern gegen die Rechtsauffassung des Senats und macht geltend, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin im Rahmen des § 133a FGO aber nicht gehört werden. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in vollem Umfang nochmals zu überprüfen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. September 2005 V S 12, 13/05, BFHE 211, 6, BStBl II 2006, 75; vom 14. Oktober 2005 V S 20/05, BFH/NV 2006, 563, und vom 4. September 2008 XI S 11/08, juris).
3. Mit der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Klägerin im Rahmen der Anhörungsrüge nicht gehört werden, weil nicht das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs betroffen ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 3). Entsprechendes gilt für die gerügten Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG sowie gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats (vgl. auch BFH-Beschluss vom 10. September 2008 I S 14/08, juris).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
5. Die in der Rügeschrift beantragte Akteneinsicht war nicht zu gewähren. Da der Rechtsbehelf unzulässig ist, besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht. Denn die Akten sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet, der Rechtsschutzgewährung der Klägerin zu dienen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 2007 VIII B 201/06, BFH/NV 2007, 1804, m.w.N., und vom 4. November 2008 V S 2/08, BFH/NV 2009, 400).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an.
Fundstellen