Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Vorabentscheidung vom 13.02.1989 - VII R 167/85, VII R 168/85
Leitsatz (amtlich)
Zur Zollwertbemessung von Datenträgern mit Software und zur Frage des zollwertrechtlichen Abzuges von Montagekosten vom Rechnungspreis (Vorlage an den EuGH).
Orientierungssatz
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) War im Jahre 1982 Art. 3 VO (EWG) Nr. 1224/80 dahin auszulegen, daß als Transaktionswert von eingeführten Datenträgern mit eingespeicherter Software, die der Lieferer dem Zollbeteiligten in einem Gesamtpreis in Rechnung gestellt hatte, ungekürzt dieser Rechnungspreis anzusehen war, oder war Transaktionswert nur der Teil des Rechnungspreises, der auf die Datenträger entfiel? Machte es dabei einen Unterschied, ob der Zollbeteiligte die Preise für Datenträger und Software im maßgebenden Zeitpunkt oder später getrennt auswies?
b) Sind Zahlungen für die Montage nur dann als im Sinne des Art. 3 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1224/80 getrennt ausgewiesen anzusehen, wenn der Ausweis bereits im maßgebenden Zeitpunkt der Zollbehörde vorliegt?
Normenkette
EWGV 1224/80 Art. 3 Abs. 1, 4 Buchst. a; EWGVtr Art. 177
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.07.1985; Aktenzeichen XI K 65/84 Z) |
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb durch Vertrag von 1980 von einem Hersteller in den USA eine computergestützte Konstruktionsanlage. Der Vertrag sieht u.a. den Kauf von Computer-Hardware (einschließlich Betriebssoftware) sowie die Überlassung zur Nutzung von (datenträgergebundener) Anwendersoftware vor. Bei dieser Software handelte es sich um vorgefertigte Programme, die die Klägerin in ihrem Betrieb entweder unverändert oder unter Anpassung an besondere betriebliche Aufgabenstellungen verändert einsetzen kann. Das Recht zur Software-Nutzung ist durch Zahlung der "Kauf"-Preise abgegolten. Einzelpreise für die zu liefernden Waren und die Software sind nicht vereinbart worden. Der Lieferumfang war mit 6 Mio US-$ vereinbart.
Im Februar 1982 (Fall 1) wurden in drei Sendungen Hardware und bandgespeicherte Software, im Juni 1982 (Fall 2) eine Sendung bandgespeicherte Software geliefert. In den "Einfuhranzeigen" an die Zollbehörde wurden die eingeführten Waren in den ersten drei Fällen im wesentlichen mit "Computerteile", im letzten Fall mit "Software" bezeichnet. Dazu gehörten vier Rechnungen; in zweien (Fall 1) waren mehrere Positionen Hardware und Software aufgeführt, in einer (Fall 1) nur Hardware und in einer (Fall 2) nur Software. In keiner der Rechnungen ist von den Datenträgern die Rede. Die Rechnungen lauteten jeweils ohne Aufschlüsselung auf die einzelnen Posten auf Gesamtpreise. Die Klägerin schrieb das eingeführte Zollgut im Rahmen des ihr bewilligten Anschreibeverfahren (§ 40a des deutschen Zollgesetzes in der damals geltenden Fassung) zum freien Verkehr an. In ihren Zollanmeldungen errechnete sie im Falle 1 den Zollwert aus dem Gesamtpreis durch Abzug von Montagekosten in Höhe von 1 000 US-$, inländischen Beförderungskosten in Höhe von rund 3 300 US-$ und Software in Höhe von 100 000 US-$. Im Fall 2 ging die Klägerin zunächst von einem geschätzten Zollwert von 3 200 DM, später von einem Zollwert von 0 DM aus.
Durch Bescheide vom 2.Juni 1982 (Fall 1) und vom 23.Dezember 1983 (Fall 2) erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) im Fall 1 den Zoll um 14 477,74 DM; im Fall 2 setzte das HZA den Zoll auf 6 501,10 DM fest. Bei der Zollwertbemessung ging das HZA von den Preisen der genannten Rechnungen unter Abzug nur der innergemeinschaftlichen Beförderungskosten aus mit der Begründung, getrennt ausgewiesene abzugsfähige Beträge seien aus den vorgelegten Rechnungen nicht ersichtlich. Die Klägerin legte jeweils Einspruch ein. Im Fall 1 legte sie im Einspruchsverfahren Neufassungen der drei Rechnungen vor; darin sind die früheren Gesamtpreise jeweils aufgeteilt in Preise für Hardware und Software (jeweils ohne Untergliederung). Außerdem legte die Klägerin zwei Fernschreiben des Herstellers vom 22. und 23.Juni 1982 zur Höhe der Software- und Montagekosten vor. Das HZA wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch zwei im wesentlichen gleichlautende Urteile mit folgender Begründung ab: Als geistige Leistung könne Software als solche nicht Gegenstand einer Zollbehandlung sein. Anwenderspezifisch änderbare Standardprogramme seien als Software nicht schallplattengleich in ihrem Träger verkörpert. Sie seien daher nicht zusammen mit ihrem Träger als Ware zu verzollen. Der Einführer könne nachweisen, daß und in welchem Umfang der Kaufpreis auf die Software entfalle. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß die in den Rechnungen genannten Preise teilweise nicht auf die eingeführten Waren entfielen. Die im Fall 1 nachgereichten Rechnungen bewiesen nicht, daß die darin genannten Software-Preise bereits im maßgebenden Zeitpunkt (Anschreibung) vereinbart gewesen seien. Montagekosten könnten vom Kaufpreis der eingeführten Waren nur abgezogen werden, wenn sie von ihm getrennt ausgewiesen seien. Das sei hier nicht gegeben, da die Montagekosten nicht gesondert vereinbart gewesen seien. Das Fernschreiben enthalte allenfalls eine nachträgliche Vereinbarung der Montagekosten.
Die Klägerin hat gegen beide Urteile Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe
II. Im vorliegenden Verfahren stellen sich Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28.Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 134/1--; im folgenden: VO Nr.1224/80). Der Senat ist daher nach Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verpflichtet.
Gegenstand der Überführung in den freien Verkehr (Anschreibung) und der angefochtenen Zollbescheide waren Magnetbänder (mit eingespeicherter Software), nicht aber Software als solche. Software ist keine Ware. Die Höhe des für die Magnetbänder zu erhebenden Zolls hängt von deren Zollwert ab. Nach Art.2 Abs.1 VO Nr.1224/80 ist der "Zollwert eingeführter Waren", wann immer möglich, nach Art.3 zu ermitteln. Diese Vorschrift setzt voraus, daß ein auf die zu bewertende Ware sich beziehender gezahlter oder zu zahlender Preis existiert. Ob das der Fall ist, ist auch eine Frage des Sachverhalts.
Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrer Lieferantin enthalten keine Einzelpreise für Datenträger und Software. Die vier Rechnungen, die der Anschreibung der zu bewertenden Waren zugrundeliegen, nennen die Datenträger nicht, sondern in zwei Fällen (Rechnungen über 116 998 und 288 160 US-$) bestimmte Hardware neben bestimmter Software, in einem Fall (Rechnung über 107 642 US-$) nur bestimmte Hardware, in einem Fall (Rechnung über 40 000 US-$) nur bestimmte Software. In allen vier Rechnungen ist jeweils nur der Gesamtpreis genannt. Das FG hat jedoch festgestellt, alle vier Rechnungen enthielten (stillschweigend auch) Preise, die sich auf die Magnetbänder mit eingespeicherter Software bezogen, und zwar ohne besonderen Ausweis der einerseits auf die Datenträger, andererseits auf die Software entfallenden Beträge (im folgenden Mischpreise genannt). Ob der Senat nach Revisionsrecht an diese Feststellung des FG gebunden ist, ist nicht zweifelsfrei, da die Feststellung insbesondere in Anbetracht des Wortlauts der Rechnungen und dem im Verhältnis zu Lieferumfang und Wert der Software geringen Wert der Datenträger (die Klägerin beziffert diesen Wert mit 20 DM pro Magnetband) wohl eingehender hätte begründet werden müssen. Zu einer Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG ist der Senat jedoch nur befugt, wenn diese Frage entscheidungserheblich ist. Das ist nicht der Fall, wenn das HZA auch bei Zugrundelegung der Feststellung des FG, also bei Vorliegen von Mischpreisen, verpflichtet gewesen wäre, den Preis für die Software aus diesen Preisen herauszurechnen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der zur Bestimmung des in Art.3 Abs.1 VO Nr.1224/80 genannten Transaktionswerts führt, ein Faktor, der ggf. Berichtigungen unterliegt, wenn diese erforderlich sind, um die Ermittlung eines willkürlichen oder fiktiven Zollwerts zu verhindern (Urteil vom 12.Juni 1986 Rs.183/85, EuGHE 1986, 1873, Abs.16 der Gründe; vgl. auch Urteile vom 9.Februar 1984 Rs.7/83, EuGHE 1984, 609, 618; vom 10.Dezember 1985 Rs.290/84, EuGHE 1985, 3909, 3927, und vom 4.Februar 1986 Rs.65/85, EuGHE 1986, 447, 455). Diese Urteile sprechen dafür, daß nach Auffassung des EuGH Berichtigungen von in Rechnung gestellten Preisen nicht nur in den durch Gemeinschaftsrecht ausdrücklich bezeichneten Fällen vorzunehmen sind, sondern auch dann, wenn ein Rechnungspreis offensichtlich auch Beträge enthält, die sich nicht auf die zu bewertenden Waren beziehen. Die gleiche Auffassung liegt wohl auch Anlage I, zu Art.3 Abs.1, der Verordnung (EWG) Nr.1494/80 der Kommission vom 11.Juni 1980 (ABlEG L 154/3) zugrunde. Hier hat die Kommission in einer Erläuterung zum Transaktionswert deutlich gemacht, daß Dividenden oder andere Zahlungen an den Verkäufer, "die sich nicht auf die eingeführte Ware beziehen", nicht zum Transaktionswert rechnen. Gleiches hat der Brüsseler Zollrat in einer Erläuterung zum Begriff "getrennt ausgewiesen" (vgl. z.B. Art.3 Abs.4 VO Nr.1224/80), zum Ausdruck gebracht; darin heißt es, daß im Rechnungspreis enthaltene Beträge für Zölle und Abgaben des Einfuhrlandes abzuziehen seien, da diese "ihrer Natur nach" vom Rechnungspreis zu unterscheiden seien (abgedruckt in der Zoll-Rat-Ausgabe in Teil A als "Avis consultatif" 3.1.). Danach ist also wohl zum Transaktionswert jener Teil des gezahlten oder zu zahlenden Preises nicht zu rechnen, der sich offensichtlich nicht auf die zu bewertende Ware bezieht. Sich auf andere Gegenstände beziehende Teile des gezahlten oder zu zahlenden Preises sind daher zur Ermittlung des Transaktionswerts herauszurechnen.
Legt man diese Grundsätze zugrunde, so spricht viel dafür, im vorliegenden Fall den Preis der Software ohne weitere materiell- rechtliche Voraussetzungen als nicht zum Transaktionswert gehörig aus den von der Klägerin gezahlten Mischpreisen herauszurechnen; denn soweit die Mischpreise die Preise für die Software mitumfassen, beziehen sie sich nicht auf die eingeführte Ware. Da der Gemeinsame Zolltarif (GZT) nur die Einfuhr von Waren betrifft, nicht aber die Einfuhr von immateriellen Gütern wie die zur Verfügung gestellte Software als solche, kommt es nur auf den Wert der Ware Datenträger an. Es muß also der Wert der Dienstleistung, die die Software darstellt, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Anderes gilt nur dann, wenn Datenträger und Software derart eng miteinander verbunden sind ("schallplattengleich"), daß beide in der Ware verkörpert werden, was hier nicht vorliegt. Da auch die eigentliche wirtschaftliche Bedeutung des Datenträgers mit Software in der Software liegt, die, da überspielbar, vom Datenträger weitgehend unabhängig ist, führt die Einbeziehung des Wertes der Software in den Zollwert der Datenträger dazu, daß dieser Zollwert sich um ein Vielfaches erhöht. Das wirft die Frage auf, ob der Zollwert dann nicht ein willkürlicher Preis im Sinne der genannten Rechtsprechung des EuGH ist.
Diese Argumente mögen der Grund für die Regelung des Art.8a VO Nr.1224/80 i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr.1055/85 des Rates vom 23.April 1985 (ABlEG L 112/50) sein, die freilich im hier maßgebenden Zeitpunkt noch nicht galt. Zwischen den Beteiligten bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob diese Vorschrift, wonach bei der Ermittlung des Zollwerts der Datenträger der Wert der Software unberücksichtigt zu bleiben hat, nur etwas deklaratorisch festschreibt, was schon zuvor galt, oder im Gegenteil eine konstitutive Neuregelung darstellt. Der Senat neigt eher zur erstgenannten Auffassung.
Falls der EuGH entscheidet, daß zur Ermittlung des Transaktionswertes der Datenträger aus den Mischpreisen, die sich nicht auf die eingeführten Datenträger beziehenden Preisanteile für die Software herauszurechnen sind, stellen sich für den vorlegenden Senat weitere rechtliche Fragen nicht. Das Tatsachengericht wird dann unter Mitwirkung der Beteiligten festzustellen haben, wie hoch der auf die Software entfallende Preisanteil ist. Falls der EuGH jedoch zur Auffassung gelangt, daß eine dem Art.8a VO Nr.1224/80 (Pflicht zum getrennten Ausweis) entsprechende Regelung trotz des Schweigens der VO Nr.1224/80 im hier maßgebenden Zeitraum anzuwenden ist, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieser getrennte Ausweis vorliegen muß. Auf die Frage 2 und die Ausführungen dazu wird verwiesen, da sie das gleiche Problem betreffen.
Nach Art.3 Abs.4 Buchst.a VO Nr.1224/80 können Zahlungen für die Montage vom gezahlten oder zu zahlenden Preis abgezogen werden, wenn sie getrennt ausgewiesen werden. Das HZA ist der Auffassung, daß dieser Ausweis im maßgebenden Zeitpunkt (Art.1 Abs.1 Buchst.g VO Nr.1224/80) vorliegen muß, während die Klägerin meint, daß dieser Ausweis auch noch nachgereicht werden kann. Der Senat neigt zur Auffassung, daß ein Nachreichen bis zu dem Zeitpunkt möglich ist, ab dem der betreffende Zollbescheid mit Rechtsbehelfen nicht mehr angegriffen werden kann. Art.3 Abs.4 VO Nr.1224/80 ist eine zeitliche Einschränkung der Möglichkeit zum getrennten Ausweis nicht zu entnehmen. Gegen eine einschränkende Auslegung spricht Art.10 Abs.1 VO Nr.1224/80, in dem von der Möglichkeit die Rede ist, Unterlagen nachzureichen (vgl. auch Nr.6 des Kommentars des Ausschusses für den Zollwert zur Bedeutung des Begriffs "getrennt ausgewiesen").
Fundstellen
Haufe-Index 62537 |
BFHE 156, 295 |
BB 1989, 692-692 (L1) |
DB 1989, 1172 (KT) |
HFR 1989, 313 (LT) |