Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch; Darlegungen zur Erheblichkeit eines Verfahrensmangels; Wechselwirkung zwischen Beteiligtenmitwirkung und gerichtlicher Sachaufklärung; unterlassener Antrag auf Tatbestandsberichtigung
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, welche formellen und materiellen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, ist höchstrichterlich im Wesentlichen geklärt.
2. Die Revision darf wegen eines Verfahrensmangels nur dann zugelassen werden, wenn das Urteil des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Die Rechtserheblichkeit des Verfahrensmangels ist mit der Beschwerde schlüssig darzulegen.
3. Zwischen der Mitwirkung der Beteiligten und der Intensität der finanzgerichtlichen Sachaufklärung besteht eine Wechselwirkung.
4. Unrichtigkeiten im Tatbestand des FG-Urteils sind nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH, sondern grundsätzlich mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim FG geltend zu machen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 8 Abs. 2 Sätze 2-4; FGO § 116 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 105 Abs. 3, §§ 108, 96 Abs. 1, § 76 Abs. 1, § 94; ZPO § 164
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen 10 K 3747/01) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist jedenfalls unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
1. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt nicht in Betracht. Verfahrensmängel hat die Klägerin entweder nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt oder sie liegen nicht vor.
a) Die Klägerin rügt, das Finanzgericht (FG) habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt; sinngemäß bringt die Klägerin wohl auch vor, das FG habe seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens hergeleitet (§ 96 Abs. 1 FGO). Die Rügen der Klägerin sind jedenfalls nicht begründet.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde im Wesentlichen darauf, die Feststellungen des FG hinsichtlich der Fahrtaufzeichnungen anlässlich einer Reise des Geschäftsführers in der Zeit vom 23. bis 25. Mai 1997 seien fehlerhaft gewesen. Wären die Feststellungen hinsichtlich der Rückfahrt zum Geschäftssitz in D richtig gewesen, so hätte das FG die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs annehmen müssen.
Der Senat lässt offen, ob die Klägerin insoweit nicht einen materiellen Fehler in der Vorentscheidung geltend macht (hierzu Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 105 ff., 108; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 245; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 2006 VI B 22/06, VI S 4/06 (PKH), BFH/NV 2007, 478). Er lässt ferner dahingestellt, ob die Darlegungen der Klägerin den gesetzlichen Anforderungen genügen, die an die vorbezeichneten Rügen zu stellen sind (vgl. hierzu Beermann in Beermann/Gosch, FGO, § 115 Rz 149). Denn die Klägerin hat bereits nicht hinreichend die Erheblichkeit des bezeichneten Punktes schlüssig dargetan.
Es ist weder von der Klägerin hinreichend dargelegt noch ersichtlich, dass ein etwaiger Verfahrensfehler des FG zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs hätte führen können. Detaillierte Ausführungen der Klägerin waren im Streitfall schon deshalb nötig, weil das FG maßgeblich auf die Fahrtaufzeichnungen verschiedener konkreter Reisen des Geschäftsführers abgestellt und diese Aufzeichnungen sämtlich als nicht ordnungsgemäß bzw. als nicht schlüssig angesehen hat. Dabei betraf die Heimfahrt des Geschäftsführers von P wiederum nur einen Teilaspekt der Fahrtaufzeichnungen bezüglich dieser Reise. Im Übrigen hat das FG im angefochtenen Urteil sowohl auf weitere Fahrtaufzeichnungen des Geschäftsführers als auch auf die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) in der Einspruchsentscheidung aufgeführten Mängel des Fahrtenbuchs Bezug genommen. Diese waren folglich Gegenstand der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO; vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 105 FGO Rz 13).
b) Soweit die Klägerin vorträgt, ein Ausschluss der privaten Kraftfahrzeugnutzung hätte sich bereits aus einem Schreiben vom 26. Januar 1996 ergeben, ist die auf eine Verletzung des § 76 Abs. 1 FGO (und wohl auch des § 96 Abs. 1 FGO) gestützte Rüge wenn schon nicht unzulässig, so doch unbegründet. Das FA weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die Klägerin lediglich in einem Schreiben vom 19. April 2006 an das FG auf eine Anlage (K 26) Bezug genommen hatte. In dieser Anlage, einem Schreiben des Geschäftsführers der Klägerin an sein Wohnsitz-FA, wird eine vertragliche Regelung zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer vom 26. Januar 1996 erwähnt. Die entsprechende Regelung wurde der Vorinstanz indessen nicht vorgelegt.
Bei dieser Sachlage scheitert die Rüge schon daran, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, warum sie nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren von sich aus die einschlägige vertragliche Regelung vorgelegt bzw. durch entsprechende Einlassungen vorgebracht hat, dass sich der Ausschluss privater Fahrten nicht nur mit Hilfe des geführten Fahrtenbuchs, sondern auch aufgrund anderer Umstände ergeben sollte (zur Wechselwirkung von Sachaufklärungspflicht und Beteiligtenmitwirkung vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 76 FGO Rz 77, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 30. April 2002 VI B 298/01, BFH/NV 2002, 1166). Einen Protokollierungsantrag gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat die --sachkundig vertretene-- Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift insoweit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gestellt (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 94 Rz 9, m.w.N.). In dem angefochtenen Urteil ist der betreffende Vortrag der Klägerin ebenfalls nicht enthalten; vielmehr heißt es im Tatbestand des Urteils ausdrücklich, dass eine Nutzung zu privaten Zwecken nicht ausgeschlossen gewesen sei bzw. mit Hilfe des Fahrtenbuchs nachgewiesen werden sollte, dass der PKW ausschließlich betrieblich genutzt wurde. Die Klägerin hat überdies beim FG weder einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls (§ 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO) noch des Tatbestands des Urteils (§ 108 FGO) gestellt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 16. November 2006 XI B 178/05, BFH/NV 2007, 477). Sie hat im Rahmen der vorliegenden Beschwerde auch nicht dargetan, warum sie hiervon abgesehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 23. September 1998 I B 53/98, BFH/NV 1999, 458).
2. Der Rechtssache kommt im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Auch eine Entscheidung des BFH ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Durch die Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410; vgl. auch Beschlüsse vom 28. November 2006 VI B 32/06, BFH/NV 2007, 439; vom 11. Dezember 2006 VIII B 82/06, BFH/NV 2007, 453). Dies betrifft nicht nur die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall von einer Entkräftung des für eine private Kraftfahrzeugnutzung sprechenden Anscheinsbeweises ausgegangen werden kann (siehe hierzu BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFH/NV 2007, 136; Bergkemper, Anm. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 118; Fischer in jurisPR-SteuerR 5/2007), sondern auch die Frage, ob und inwieweit auf ergänzende Unterlagen zurückgegriffen werden kann (hierzu BFH-Urteil vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Nach der Rechtsprechung des BFH obliegt es in erster Linie den erstinstanzlichen Gerichten, unter Wahrung eines den Normzweck beachtenden Maßstabs und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Frage der Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs zu beurteilen. Entgegen der Ansicht der Klägerin wirft der Streitfall keine neuen klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf.
Fundstellen
Haufe-Index 1748877 |
BFH/NV 2007, 1318 |