Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Kfz-Nutzung eines Gesellschafter-Geschäftsführers: Anscheinsbeweis
Leitsatz (NV)
Steht dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ein Dienstwagen zur Verfügung, ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass er das Fahrzeug auch privat nutzt.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 14.10.2005; Aktenzeichen 14 K 6231/03) |
Gründe
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung die gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) erfüllt. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, das Finanzgericht (FG) habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) dadurch verletzt, dass es hinsichtlich einer privaten Nutzung des Dienstwagens einen Anscheinsbeweis herangezogen und sich dabei nicht auf Erfahrungssätze, sondern auf Vorurteile und Spekulationen gestützt habe. Ein Verfahrensverstoß ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu erkennen. Das FG hat bezüglich der Frage, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin einen ihm zur Verfügung stehenden PKW des Betriebsvermögens auch privat genutzt hat, zulässigerweise (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Juli 2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801) auf den Beweis des ersten Anscheins zurückgegriffen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Klägerin gehen fehl. Denn nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 13. April 2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300), auf die das vorinstanzliche Urteil Bezug nimmt, ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer wegen seiner herausragenden Position und der Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf betriebliche PKW nach den Regeln des Anscheinsbeweises auch von einer privaten Nutzung auszugehen. Ein Anscheinsbeweis kann zwar dadurch entkräftet werden, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Die Ausführungen, in denen das FG den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin erörtert und eine Entkräftung des Anscheinsbeweises abgelehnt hat, sind jedoch nicht zu beanstanden.
2. Das weitere Vorbringen der Klägerin, das FG habe unter Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt, weil es die von der Lohnsteuer-Außenprüfung als nicht ordnungsgemäß angesehenen Fahrtenbücher nicht selbst inhaltlich überprüft habe, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Bei der Beantwortung der Frage, ob das FG einen Verfahrensfehler begangen hat, ist von dessen materiell-rechtlicher Auffassung auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 79). Hiernach konnte es aber für die Entscheidung des FG auf die Nachprüfung einzelner Positionen der Fahrtenbücher nicht ankommen. Denn da die Klägerin den vom FG ausdrücklich angeforderten Belegnachweis der durch den Dienstwagen entstandenen Aufwendungen nicht erbracht hatte, war die Anwendung der sog. Fahrtenbuchmethode nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen. Auf den Einwand der Klägerin, dass das Heraussuchen der Belege erheblichen Aufwand verursache, brauchte das FG nicht einzugehen, da der Belegnachweis zum gesetzlichen Tatbestand der Fahrtenbuchmethode gehört. Dies musste der fachkundig vertretenen Klägerin auch bewusst sein.
Hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, warum das FG von mathematischen Methoden der Belegprüfung wie dem Benford-Test und dem Chi-Quadrat-Test keinen Gebrauch gemacht habe, ist nicht ersichtlich, inwiefern das Urteil des FG --auf Grund dessen materiell-rechtlicher Auffassung-- auf der unterbliebenen Anwendung derartiger Prüfverfahren beruhen kann.
3. Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe seine Amtsermittlungspflicht dadurch verletzt, dass es den angebotenen Zeugenbeweis über den nächtlichen Verbleib des Dienstwagens nicht erhoben habe, ist die Verfahrensrüge unzulässig. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Die Rüge, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, erfordert daher u.a. den Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb dies nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2004 VIII B 152/04, BFH/NV 2005, 1102). Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2005 ergibt sich jedoch nicht, dass die Klägerin durch ihren Prozessvertreter das Übergehen des Beweisantrags gerügt hätte. Es ist auch nicht vorgetragen, dass in der mündlichen Verhandlung eine Protokollierung der Rüge verlangt oder --im Falle der Weigerung des Gerichts-- eine Protokollberichtigung beantragt worden wäre.
4. Mit dem Vortrag, mangels geeigneter Feststellungen, Beweiserhebungen und Hinweise des Gerichts fehle zugleich die Grundlage für ein faires Verfahren mit der Folge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Es ist nicht dargelegt, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen die Klägerin sich vor dem FG nicht äußern konnte oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte.
Fundstellen