Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, daß die Versagung rechtlichen Gehörs nur ordnungsgemäß gerügt ist, wenn der Betroffene auch darlegt, was er bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, gilt auch, wenn das rechtliche Gehör durch Nichtverlegung eines zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termins verletzt worden sein soll.
Orientierungssatz
Ein Fall mangelnder Vertretung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung abgelehnt und durch Urteil entschieden wird (vgl. BFH-Beschluß vom 11.4.1978 VIII R 215/77).
Normenkette
FGO §§ 90, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 227; FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
I. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hatte am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) um Terminsverlegung gebeten. Das FG gab diesem Begehren nicht statt und wies die Klage ab.
Mit seiner Beschwerde rügt der Kläger, die Ablehnung seines Verlegungsantrags stelle einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs.2 Nr.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dar, und beantragt die Zulassung der Revision. Er legt ausführlich dar, weshalb das FG seiner Auffassung nach den anberaumten Termin gemäß § 227 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hätte aufheben oder verlegen müssen, und faßt abschließend zusammen: Nach § 90 FGO entscheide das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung. Nur durch die Teilnahme an ihr werde rechtliches Gehör gewährt. Dieser Gesichtspunkt sei höher zu bewerten als die Erschwernis für das Gericht, einen einmal festgesetzten Termin zu verlegen.
Was er selbst und sein Prozeßbevollmächtigter --im Falle, daß dem Antrag auf Terminsverlegung stattgegeben worden wäre-- in einer später stattfindenden mündlichen Verhandlung noch vorgebracht hätten, hat der Kläger nicht mitgeteilt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Der Zulässigkeit steht zwar nicht § 116 Abs.1 Nr.3 FGO entgegen. Ein Fall mangelnder Vertretung im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn ein Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung abgelehnt und durch Urteil entschieden wird (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11.April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401).
2. Die Rüge des Klägers ist vielmehr als solche der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu verstehen (s. hierzu den Beschluß in BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401 sowie das Urteil des BFH vom 5.Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208). Davon geht der Kläger am Schluß seiner Ausführungen auch selbst aus.
Seine Rüge ist jedoch nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Der Kläger hat nicht dargelegt, was er in einem neu angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung noch vorgetragen haben würde (§ 115 Abs.2 Nr.3 und Abs.3 Satz 3 FGO). Seine Ausführungen beschränken sich darauf, aufzuzeigen, weshalb das FG dem Antrag seines Prozeßbevollmächtigten auf Terminsverlegung hätte stattgeben müssen. Damit ist die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aber nicht insgesamt schlüssig erhoben. Zur schlüssigen Erhebung dieser Rüge gehört, daß u.a. substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (BFH-Urteile vom 3.Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355, und vom 23.Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417, Abschn.II A Nr.2 der Entscheidungsgründe). Dies gilt auch, wenn das rechtliche Gehör --wie im Streitfall-- durch Nichtverlegung eines zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termins versagt worden sein soll (noch offengelassen in dem nicht veröffentlichten Urteil des BFH vom 16.Oktober 1984 VIII R 14/80). Der erkennende Senat folgert die ausnahmslose Gültigkeit dieser vorgenannten Substantiierungspflicht daraus, daß eine Verletzung des Rechts auf Gehör immer voraussetzt, daß dem Betroffenen --gleich durch welche Maßnahme-- die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen genommen wurde. Wer nichts (mehr) hätte vortragen können, dem kann das Wort auch nicht dadurch verboten worden sein, daß die mündliche Verhandlung vor dem FG ohne ihn stattfand (vgl. hierzu allgemein das Urteil in BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355, mit weiteren Nachweisen).
3. An dem gefundenen Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn die Rüge des Klägers dahin zu verstehen wäre, daß er allgemein --losgelöst vom Recht auf Gehör-- auf eine Verletzung der Vorschriften über die mündliche Verhandlung hinweisen wollte. Denn in diesem Fall hätte er darlegen müssen, weshalb das Urteil auf dem gerügten Verfahrensfehler beruhen kann (s. hierzu Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm.33 und § 120 Anm.20, mit weiteren Hinweisen). Daran fehlt es im Streitfall ebenfalls.
Fundstellen
Haufe-Index 414344 |
BStBl II 1986, 409 |
BFHE 145, 497 |
BFHE 1986, 497 |
DB 1986, 1056-1057 (ST) |
DStR 1986, 304-305 (ST) |
HFR 1986, 372-372 (ST) |
NVwZ 1986, 1056-1056 (ST) |
DÖD 1986, 1770-1770 (S) |