Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde - Zulässigkeitsvoraussetzungen
Leitsatz (NV)
Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde
a) wegen ihrer Einlegung ,,für den Fall" (Bedingung), daß die Revision nicht statthaft sei,
b) wegen nicht ausreichender Darlegung der Zulassungsgründe.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits Komplementärin einer GmbH & Co. KG (KG) war. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nahm ihn wegen rückständiger Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer der KG gemäß §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch. Auf die Klage gegen den Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beraumte das Finanzgericht (FG) Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17. September 1987 an. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt L, beantragte daraufhin die Verlegung des Termins mit der Begründung, daß er an diesem Tage in eigener Sache einen Beweisaufnahmetermin vor dem Oberlandesgericht (OLG) wahrzunehmen habe, zu dem das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet worden sei. Die Wahrnehmung des FG-Termins des Klägers durch einen anderen Vertreter der Bevollmächtigtensozietät sei weder zumutbar noch sachdienlich.
Der Vorsitzende des FG-Senats lehnte den Antrag auf Verlegung dieses Termins ab. Er begründete dies damit, daß die Verhinderung des Sachbearbeiters kein ausreichender Grund sei, den anberaumten Termin aufzuheben, solange für andere Rechtsanwälte der Sozietät ausreichend Gelegenheit zur Einarbeitung in den Prozeßstoff verbleibe.
Der Kläger wurde sodann in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 1987 durch den der Bevollmächtigtensozietät angehörenden Rechtsanwalt G vertreten. Das FG setzte den Haftungsbetrag von 21 871,98 DM auf 18 233,10 DM herab und wies die Klage im übrigen ab.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 1987 legte der Kläger - vertreten durch seinen Prozeßbevollmächtigten - Revision gegen das Urteil des FG ein. In demselben Schreiben heißt es weiter: ,,Für den Fall, daß die Revision nicht - wegen der gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 116 FGO - per se zulässig sein sollte, lege ich hiermit namens des Klägers Nichtzulassungsbeschwerde ein . . .".
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie bedingt eingelegt und nicht ausreichend begründet ist.
1. Wegen der im Prozeßrecht erforderlichen Klarheit über das Schweben oder das Nichtschweben eines Rechtsstreits wird die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels allgemein als unzulässig angesehen (Beschluß des Senats vom 22. Juni 1982 VII B 115/81, BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., vor § 115 Rdnr. 10 und § 115 Rdnr. 54). Ob ein Rechtsmittel bedingt eingelegt worden ist, ist eine Frage der Auslegung, der auch Prozeßhandlungen zugänglich sind (BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603). Die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde ist als bedingt eingelegt anzusehen.
Der Kläger hat seine Nichtzulassungsbeschwerde, wie er ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, nur für den Fall erhoben, daß sein in erster Linie eingelegtes Rechtsmittel - die Revision - ohne Zulassung vom Revisionsgericht nicht für statthaft angesehen werden sollte (vgl. ebenso für einen gleichliegenden Sachverhalt: Beschluß des Senats vom 19. November 1985 VII B 70/85, BFH/NV 1986, 344). Das ergibt sich auch daraus, daß in der Begründung des Rechtsmittelschreibens zunächst - unter A - zur Darlegung der Zulässigkeit der Revision wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügt werden und sodann - unter B - die Nichtzulassungsbeschwerde mit grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängeln begründet wird. Nach der Vorstellung des Klägers sollte damit das Revisionsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde und die dafür vorgebrachte Begründung nur dann prüfen, wenn es der Revisionsbegründung, daß die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO gegeben seien, nicht folgen sollte. Daraus ergibt sich, daß im Streitfall ein Bedingungsverhältnis für die Nichtzulassungsbeschwerde gewollt ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als vorsorglich eingelegtes Rechtsmittel zwar wirksam und begründet grundsätzlich die Kostenpflicht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juni 1958 III 207/57 U, BFHE 67, 219, BStBl III 1958, 356). Wie der Senat in BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603, 604 ausgeführt hat, ist aber die Wirksamkeit eines Rechtsmittels von dessen Zulässigkeit zu unterscheiden.
Gegen die im Streitfall gefundene Auslegung spricht nicht, daß Revision und Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich ihrer Zulässigkeit notwendig in einem gegenseitigen innerprozessualen Bedingungsverhältnis stehen und Hinweise in der Rechtsmittelschrift auf dieses Bedingungsverhältnis es allein noch nicht rechtfertigen, das Rechtsmittel als unter einer Bedingung eingelegt anzusehen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29. Oktober 1975 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271). Der Kläger hat mit den dargelegten Formulierungen in seiner Rechtsmittelschrift nicht lediglich auf das innerprozessuale Bedingungsverhältnis hinweisen und zur Vermeidung prozessualer Nachteile vorsorglich und unbedingt beide Rechtsmittel einlegen wollen. Der Rechtsmittelschrift ist vielmehr deutlich zu entnehmen, daß er vom Senat zunächst eine Prüfung der Zulässigkeit der Revision und im Falle einer positiven Entscheidung kein weiteres Eingehen auf die Nichtzulassungsbeschwerde erwartete. Die Beschwerde war demnach - weil nur bedingt eingelegt - unzulässig (ebenso BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603, 604).
2. Die Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich schließlich auch daraus, daß der Kläger seine Beschwerde nicht in der durch § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form begründet hat. Nach dieser Vorschrift muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Der Kläger hat lediglich behauptet, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Er hat weder die abstrakte Rechtsfrage dargelegt, der er diese Bedeutung beimißt, noch ist er auf deren Bedeutung für die Allgemeinheit eingegangen (vgl. Ruban in Gräber, a. a. O., § 115 Rdnr. 61). Vielmehr hat er nur ohne weitere Substantiierung ausgeführt, es gehe um die Frage, ob das FA die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftungsbescheids beachtet habe, was nach seiner Ansicht nicht der Fall sei. Mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids im konkreten Einzelfall kann aber die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht begründet werden. Hinsichtlich der behaupteten Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) fehlt jeglicher Hinweis auf eine bestimmte Entscheidung des BFH, von der die Vorentscheidung abweichen soll.
Als Verfahrensmängel, die die Nichtzulassungsbeschwerde begründen sollen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), macht der Kläger dieselben Mängel geltend wie mit seiner Revision VII R 124/87, die der Senat durch Beschluß vom heutigen Tage, auf den er Bezug nimmt, als unzulässig verworfen hat. Soweit als wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird, der Kläger sei in der mündlichen Verhandlung nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen, handelt es sich nicht um eine Rüge, die die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen könnte. Denn für den Fall, daß die Verfahrensrüge begründet wäre, wäre die Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ohne Zulassung statthaft, die Nichtzulassungsbeschwerde also unzulässig.
Der Kläger sieht ferner eine Verletzung rechtlichen Gehörs darin, daß das FG nicht antragsgemäß den Termin zur mündlichen Verhandlung verlegt hat, um dem seine Rechtssache bearbeitenden Rechtsanwalt L und ihm selbst Gelegenheit zu geben, an der Verhandlung teilzunehmen. Zu einer schlüssigen Begründung dieser Verfahrensrüge gehört, daß der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 167). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Es fehlt an der Darlegung, was vom Kläger selbst und was von Rechtsanwalt L als dem für die Rechtssache zuständigen Sachbearbeiter über den Vortrag des Rechtsanwalts G hinaus, der den Verhandlungstermin wahrgenommen hat, vorgetragen worden wäre. Da es sich bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs um einen verzichtbaren Verfahrensmangel handelt, muß auch vorgetragen werden, daß der Verfahrensmangel vor dem FG gerügt wurde, sofern sich nicht aus der Begründung des Verfahrensmangels ergibt, daß eine Rüge des Mangels vor dem FG nicht möglich war (vgl. Klein/Ruban, a. a. O., Rdnr. 167). Der Kläger hat aber in der Beschwerdeschrift nicht vorgetragen, daß Rechtsanwalt G als sein Prozeßbevollmächtigter bereits in der mündlichen Verhandlung die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs in der dargestellten Form erhoben habe oder daß ihm dies nicht möglich gewesen sei. Der behauptete Verfahrensmangel ist somit nicht ausreichend begründet.
Fundstellen