Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtbegründung des Beschlusses über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht verfassungswidrig
Leitsatz (NV)
In der Nichtbegründung eines Beschlusses gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, durch den der BFH eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verwirft, liegt weder ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör noch gegen andere verfassungsrechtlich geschützte Rechte.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 5 S. 2, § 155; AO 1977 § 365 Abs. 3; ZPO § 321a
Tatbestand
I. In der Sache streiten die Beteiligten darüber, ob es eines zweiten Einspruchsverfahrens gegen einen geänderten und einem ersten Einspruch (vom 29. Dezember 2000) teilweise abhelfenden Haftungsbescheid bedurfte oder ob der zweite Einspruch infolge der Überleitungsregelung in § 365 Abs. 3 der Abgabenordung (AO 1977) mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war. Letzteres wurde vom Beklagten, Beschwerdegegner und Antragsgegner (Finanzamt --FA--) angenommen und vom Finanzgericht (FG) im anschließenden Klagegefahren bestätigt. Das FG hatte die Revision nicht zugelassen. Der Senat hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) durch Beschluss als unzulässig verworfen. Der Beschluss blieb gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unbegründet.
Gegen den Senatsbeschluss wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf "Wiederaufnahme und Neuverhandlung", den sie im Weiteren als "Gegenvorstellung" bezeichnet und dessen Rechtsgrundlage Art. 17 des Grundgesetzes (GG) sei. Der Senatsbeschluss sei "greifbar gesetzwidrig". Sie habe im Rahmen ihrer Schriftsätze "nur einschlägige Urteile, Kommentare und Wertschätzungen zum Steuerfall herangezogen, in logischer Folge und Zuordnung bemüht und ohne Umdeutung oder weitere Auslegung verarbeitet. Die begründungslose Versagung der Beschwerde (begegne) sämtlichen Urteilen und Wertschätzungen im Rahmen der Beschwerdeschrift als negativ". In Anbetracht dieser Tatsache sei der Beschluss mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar und offenbar ohne ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt willkürlich ergangen. Er genüge nicht den Mindestanforderungen für eine grundgesetzkonforme Rechtsprechung. Denn für die Entscheidung ließen sich keine sachlich zureichenden, plausiblen Gründe finden. Sie widerspreche damit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO sei ohnehin in höchstem Maße unpräzise und unbestimmt. Von einer begründungslosen Bescheidung dürfe nur ausnahmsweise und zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend in Anbetracht der Sachverhaltskonstellation und der Beschwerdebegründungen nicht gegeben. Die Klägerin wiederholt in diesem Zusammenhang ihr seinerzeitiges Beschwerdevorbringen, insbesondere den Vorwurf, das FG habe ihr rechtliches Gehör verletzt und ein Überraschungsurteil erlassen.
Das FA ist dem entgegengetreten. Es hält ein Wiederaufnahmegesuch nicht für statthaft und auch in der Sache nicht für begründet.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin mit ihrem --auch auf Beschlüsse grundsätzlich möglichen (vgl. Kruse in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 134 FGO Tz. 1, m.w.N.)-- Gesuch um "Wiederaufnahme und Neuverhandlung" eine Gegenvorstellung erheben will, die gemäß § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO statthaft ist. Denn Wiederaufnahmegründe nach § 134 FGO i.V.m. §§ 579, 580 ZPO liegen erkennbar nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Die so verstandene Gegenvorstellung ist jedoch unbegründet.
1. Die Klägerin greift mit ihrer Gegenvorstellung den Senatsbeschluss an, durch den der Senat die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das FG-Urteil als unzulässig verworfen hat. Dieser Beschluss erging gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung. Die Klägerin wurde dadurch jedoch weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör noch in anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. März 1977 1 BvR 815/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977, 255; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. April 1990 IV S 4/89, IV B 88/89, BFH/NV 1990, 724, jeweils zu Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG-- als der Vorläufervorschrift zu § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, die die uneingeschränkte Begründungslosigkeit zuließ).
Zwar soll der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde nach der Neuregelung in § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO kurz begründet werden. Von einer Begründung kann jedoch abgesehen werden, wenn sie --erstens-- nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder --zweitens-- wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Im Streitfall hielt der Senat die erste dieser beiden Alternativen für gegeben. Die Klägerin hat ihre Beschwerde in einer Weise begründet, die den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 FGO nicht genügte, ohne dass die Verwerfungsgründe geeignet gewesen wären, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Revisionszulassung weiter zu präzisieren. Der Senat verweist dazu auf die einschlägige, vielfach dokumentierte Rechtsprechung insbesondere zu den Darlegungsanforderungen.
2. Die Klägerin ist darauf hinzuweisen, dass sich ihrem seinerzeitigen Beschwerdevorbringen keine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage nach dem Verhältnis eines Haftungsbescheides und eines diesen ändernden zweiten Haftungsbescheides entnehmen ließ. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass es im Streitfall lediglich darum ging, ob der geänderte zweite Haftungsbescheid des FA gemäß § 365 Abs. 3 AO 1977 Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens gegen den ersten Haftungsbescheid wurde und ob für ein zweites Einspruchsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Der BFH hat sich dazu im Hinblick auf die vergleichbare Verfahrensrechtslage bei § 68 FGO a.F. wiederholt geäußert (vgl. z.B. Urteile vom 28. Januar 1982 V R 100/80, BFHE 135, 27, BStBl II 1982, 292; vom 6. August 1996 VII R 77/95, BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79, m.w.N.), so dass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht als grundsätzlich bedeutsam anzusehen ist. Das gilt selbst dann, wenn im Streitfall der ursprünglich angefochtene Haftungsbescheid durch den zweiten Bescheid tatsächlich nicht i.S. von § 365 Abs. 3 AO 1977 geändert oder ersetzt worden sein und das FG insofern --wofür aber nichts ersichtlich ist-- rechtsfehlerhaft entschieden haben sollte. Infolgedessen kam es im Ergebnis auch nicht darauf an, dass das FG in dem angefochtenen Urteil seine Rechtsauffassung mit dem Zitat eines BFH-Urteils belegt hat, das noch zur Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung ergangen ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin lag darin nicht.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da weder die FGO noch die ZPO eine solche für die Gegenvorstellung vorsehen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. April 2004 I B 63/03, juris STRE200450812; vom 6. Mai 2004 I S 13/03, Neue Juristische Wochenschrift 2004, 2853, m.w.N.).
Fundstellen