Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz: Gesamtergebnis des Verfahrens, Büroraum-Vermietung an Arbeitgeber
Leitsatz (NV)
1. Eine in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht geäußerte Rechtsauffassung begründet noch keine Divergenz.
2. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet zwar, den gesamten Prozessstoff vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen, aber nicht, sämtliche vorgebrachten jedoch nicht für maßgeblich gehaltenen Argumente abzuhandeln.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.2005; Aktenzeichen 12 K 271/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 2002 II B 24/01, BFH/NV 2002, 1311, 1312; vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494).
Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, ob Arbeitslohn auch insoweit vorliegen könne, als die Klägerin den in ihrem Eigentum stehenden hälftigen Anteil des Büroraums vermiete, ist für den Streitfall nicht entscheidungserheblich und daher nicht klärungsfähig. Denn das Finanzgericht (FG) ist auf Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen des Sachverhalts in seiner Gesamtwürdigung davon ausgegangen, dass keine entgeltliche Raumüberlassung vorliegt, sondern die fraglichen Zahlungen des Arbeitgebers als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erfolgten und daher als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren sind. Die Frage der Zurechnung von Mieteinnahmen stellte sich in einem Revisionsverfahren deshalb nicht.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Danach scheidet die Zulassung schon deshalb aus, weil die Kläger eine Divergenz zur Entscheidung des BFH oder eines anderen FG nicht ausreichend begründet haben. Denn soweit die Kläger einwenden, dass das angefochtene Urteil den Tatbestand des "vorrangigen Interesses" anders definiere als der BFH in seinem Urteil vom 16. September 2004 VI R 25/02 (BFHE 207, 457, BStBl II 2006, 10), ergibt sich dafür aus der angegriffenen Entscheidung nichts. Soweit der Kläger anführt, auf Nachfrage habe der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass er dieses vorrangige Interesse nahe an einem 100 %igen Interesse interpretiere, ist diese Auffassung ersichtlich nicht in die angefochtene Entscheidung eingegangen. In der mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassungen zu Rechtsfragen begründen indessen noch keine Divergenz. Insoweit liegt noch keine Entscheidung vor, die zu anderen divergieren könnte.
3. Die Revision ist schließlich auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Wenn die Kläger insoweit rügen, dass wichtige Indizien, wie die darlehensweise Förderung der Anschaffung des Mobiliars durch die GmbH, die Renditesteigerung und die Neugewinnung von Mandanten über die Homepage durch das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO nicht berücksichtigt worden seien, legen sie nicht in der gebotenen Weise schlüssig und substantiiert dar, dass das FG seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen habe. Denn § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verpflichtet zwar das FG, den gesamten Prozessstoff vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. § 96 FGO gebietet aber nicht, sämtliche vorgebrachten, aber nicht für maßgeblich gehaltenen Argumente abzuhandeln. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. September 1999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673, m.w.N.; vom 10. Januar 2006 X B 47/05, BFH/NV 2006, 794).
Fundstellen