Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Einstellung der Vollstreckung nach § 775 Nr. 5 ZPO
Leitsatz (NV)
1. § 775 Nr. 5 ZPO ist im finanzgerichtlichen Verfahren hinsichtlich der von der Finanzbehörde betriebenen Vollstreckung nicht anwendbar.
2. Eine Aussetzung des Verfahrens ist nicht möglich, wenn es in diesem nicht zu einer Sachprüfung des Begehrens kommen kann (hier: aus dem Grunde zu 1.).
Normenkette
FGO §§ 155, 74; ZPO § 775 Nr. 5; AO 1977 § 257 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Nachdem der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) eine Zahlungsaufforderung an den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gerichtet hatte, begehrte dieser beim Finanzgericht (FG) ,,Vollstreckungsschutz nach §§ 155 FGO, 775 Nr. 5 ZPO". Das FG entschied, der Antrag sei nicht statthaft; über Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung hätten die Finanzbehörden zu befinden.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Anliegen weiter. Er meint, sein beim FG gestellter Antrag sei die einzige und richtige Möglichkeit, innerhalb des Vollstreckungsverfahrens den Zahlungseinwand geltend zu machen. Bei dem Verfahren nach § 775 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sei der Zugang zu den Gerichten gesetzlich nicht eingeschränkt.
Nachdem das FA einen Abrechnungsbescheid erteilt hat, gegen den der Antragsteller, wie er vorträgt, Klage erhoben hat, beantragt der Antragsteller, das Verfahren auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Über die Beschwerde ist ungeachtet des vom Antragsteller gestellten Aussetzungsantrags zu entscheiden. Die Voraussetzungen von § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht gegeben, da es in dem vorliegenden Verfahren nicht zu einer Sachprüfung des Begehrens - hier: ,,Vollstreckungsschutz" - kommen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, 207, BStBl II 1990, 177).
Die Beschwerde ist zwar - entgegen der Ansicht des FA - zulässig, aber nicht begründet. Das FG hat den Antrag zutreffend als nicht statthaft abgelehnt.
§ 775 Nr. 5 ZPO ist im finanzgerichtlichen Verfahren nicht - auch nicht sinngemäß - anwendbar. Seiner Anwendung stehen grundsätzliche Unterschiede zwischen den Verfahren - FGO/ZPO - entgegen (vgl. § 155 FGO). Der vom Antragsteller gegen die Durchführung der Vollstreckung vorgebrachte Grund (Erlöschen des Leistungsanspruchs) kann nach der Systematik des steuerlichen Vollstreckungsverfahrens nur nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977), gegenüber der Finanzbehörde als Vollstreckungsbehörde (§ 249 Abs. 1 Satz 3 AO 1977), geltend gemacht werden. Dementsprechend hat der Senat entschieden, daß eine Vollstreckungsgegenklage, mit der die Erklärung der Unzulässigkeit der Vollstreckung unmittelbar durch das Gericht angestrebt wird, im steuerlichen Vollstreckungsverfahren nicht zulässig ist und daß zur Geltendmachung eines Anspruchs nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977, wenn er von der Finanzbehörde nicht anerkannt wird, nur eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage in Betracht kommen kann (Beschlüsse vom 14. Juni 1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75 - Nr. 2 a. E. -, und vom 11. September 1989 VII B 129/89, BFH/NV 1990, 212 f.). Dieselben Gesichtspunkte müssen hinsichtlich des hier beim FG gestellten Antrags gelten. Die ,,einzige Möglichkeit", sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen zu wenden, wenn der Anspruch auf Leistung erloschen ist, ist nicht die unmittelbare Anrufung des Gerichts, sondern auch insoweit die Geltendmachung gegenüber der Vollstreckungsbehörde (ebenso die vom Antragsteller angeführte Kommentarstelle - Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 257 AO 1977 Anm. 2 f. -, in der auf das Verfahren nach § 775 ZPO nur vergleichend verwiesen wird) und, gegebenenfalls, die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Der gerichtliche Rechtsschutz wird damit nicht eingeschränkt; er ist vielmehr der Systematik des Verfahrens angepaßt. Soweit das Bestehen des Leistungsanspruchs Gegenstand eines Abrechnungsbescheides ist, kann dieser zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden.
Fundstellen