Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; Verletzung der Amtsermittlungspflichten; Verzichtbare Verfahrensmängel; Verletzung der Hinweispflicht; Überraschungsentscheidung; Betriebsstätte
Leitsatz (NV)
1. Investitionszulagenrechtlich erfordert die Annahme einer Betriebsstätte eine ausreichend rechtlich gesicherte, nicht lediglich tatsächliche Mitbenutzung durch den Anspruchsberechtigten.
2. Wird die Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das FG gerügt, so muß insbesondere dargelegt werden, welche konkreten weiteren, von der Klägerin noch nicht benannten Beweismittel das FG nicht erhoben haben soll und weshalb sich diese Beweiserhebung auch ohne besonderen Antrag als notwendig hätte aufdrängen müssen.
3. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln -- wie dem Übergehen von Beweisangeboten -- gehört zu einer ordnungsgemäßen Rüge auch der Vortrag, daß dieser Verstoß in der Vorinstanz von der fachkundig vertretenen Klägerin gerügt worden oder weshalb dieser eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist.
4. Eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der dem FG obliegenden Hinweispflicht erfordert u. a. auch die Darlegung, aus welchem Grunde für das FG Anlaß für Hinweise an die fachkundig vertretene Klägerin bestanden haben soll und vor allem welche konkreten Hinweise das FG hätte geben müssen.
5. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur vor, wenn die Verfahrensbeteiligten von einer Entscheidung überrascht worden sind, weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt worden ist, zu denen sie sich nicht geäußert haben und zu denen zu äußern sie nach dem vorherigen Verlauf des Verfahrens auch keine Veranlassung gehabt haben.
Normenkette
InvZulG § 2; FGO § 96 Abs. 2; ZPO § 295; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3, § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb durch Beschluß zurückzuweisen (§132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Divergenzrüge entsprechend den gesetzlichen Anforderungen erhoben worden ist (vgl. §115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO; Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, unter Abschnitt I. der Gründe).
Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Zum einen ist dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) nicht der von der Beschwerde formulierte abstrakte Rechtssatz zu entnehmen, daß ein Geschäftseinrichtungen für eigenbetriebliche Zwecke nutzender Eigenbesitzer selbst dann nicht die für die Annahme einer Betriebsstätte erforderliche, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht besitze, wenn er Eigentümer dieser Einrichtung sei. Vielmehr ist das FG sowohl hinsichtlich des Bürocontainers als auch bzgl. der Immobilie unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung von einer zur Annahme einer Betriebsstätte nicht ausreichend rechtlich gesicherten, lediglich tatsächlichen Mitbenutzung durch die Klägerin ausgegangen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 77/88, BFHE 158, 499, BStBl II 1990, 166). Für die Immobilie hat das FG zusätzlich auf den allein von der Firma X-GmbH abgeschlossenen Mietvertrag vom 23. Januar 1992 und den Ergänzungsvertrag vom 25. November 1992 hingewiesen und ferner auf die danach zwar bestehende rechtliche Befugnis zur Untervermietung, von welcher jedoch kein Gebrauch gemacht worden sei in Gestalt eines rechtlich verbindlichen Untermietvertrages mit der Klägerin.
Im Gegensatz zu diesem vom FG festgestellten Sachverhalt hat der BFH in dem vermeintlichen Divergenzurteil vom 3. Februar 1993 I R 80--81/91 (BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462 unter Abschn. II. C. 3. e der Gründe) aufgrund der in jenem Streitfall festgestellten Gesamtumstände eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht der dortigen Klägerin angenommen. In jenem Fall hatte die Klägerin vor allem aufgrund eines Vertrages einen allgemeinen Anspruch auf die Zurverfügungstellung zumindest eines Raumes, in dem geschuldete Leitungsaufgaben erfüllt werden konnten. Diese rechtliche Würdigung hat der BFH überdies unabhängig von der eigentumsmäßigen Zuordnung des Gebäudes vorgenommen.
2. a) Die Rüge der Verletzung der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht (§76 Abs. 1 Satz 1 FGO) sowie der Nichterhebung angebotener Beweise greift gleichfalls nicht durch.
Das FG hat den Vortrag der Klägerin und ihre weitere Replik vollinhaltlich im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben. Es hat indessen rechtlich andere und nicht die von der Klägerin gewünschten Schlußfolgerungen daraus gezogen.
Soweit die Klägerin rügt, das FG hätte von sich aus den Sachverhalt hinsichtlich der Voraussetzungen einer Betriebsstätte der Klägerin im Fördergebiet weiter aufklären müssen (Verletzung der Amtsermittlungspflicht), ist die Rüge bereits deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben worden, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, welche konkreten weiteren, von ihr noch nicht benannten Beweismittel das FG nicht erhoben haben soll und weshalb sich dem FG diese Beweiserhebung aber auch ohne besonderen Antrag als notwendig hätte aufdrängen müssen (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 26. März 1993 III S 42/92, BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723 unter Ziff. II. 2. b der Gründe, m. w. N.).
Soweit die Beschwerde rügt, ihre in vorbereitenden Schriftsätzen unterbreiteten Beweisangebote seien übergangen worden, gehört bei derartigen verzichtbaren Verfahrensmängeln zu einer ordnungsgemäßen Rüge auch der Vortrag, daß dieser Verstoß in der Vorinstanz von der fachkundig vertretenen Klägerin gerügt worden oder weshalb der Klägerin eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757, 758; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Anm. 38, m. w. N.). Insoweit trägt die Beschwerde jedoch nichts vor. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 15. Juni 1998 ist den Beteiligten überdies Gelegenheit gegeben worden, zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen und ihre Anträge zu stellen. Indessen hat die fachkundig vertretene Klägerin nicht auf Erhebung weiterer Beweise bzw. der Erhebung der von ihr angebotenen Beweise bestanden. Die Beschwerde trägt auch nicht vor, daß die Klägerin etwa eine Berichtigung des Protokolls beantragt hätte (§94 FGO i. V. m. §164 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --, BFH-Beschluß vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562).
b) Der behauptete Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch mangelnde Äußerungsmöglichkeiten ist gleichfalls nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden.
Ausweislich des Sitzungsprotokolls über die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 1998 hat sich die fachkundig vertretene Klägerin zur Sach- und Rechtslage umfassend äußern können. Allerdings macht die Klägerin zusätzlich geltend, das FG hätte sie auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte ausdrücklich hinweisen müssen, dies jedoch verfahrensfehlerhaft unterlassen. Wird die Verletzung der Hinweispflicht nach §76 Abs. 2 FGO gerügt, so muß für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge u. a. angegeben werden, aus welchem Grunde Anlaß zu einem Hinweis des Gerichts bestanden haben soll. Im Streitfall waren die Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsstätte der Klägerin bereits durch die Betriebsprüfung unter Wiedergabe des klägerischen Vortrags verneint worden. Die Frage der Verfügungsmacht bzgl. des Bürocontainers und der von der GmbH angemieteten Büroräume war gleichfalls sowohl im Einspruchsverfahren als auch im Klageverfahren ein wesentlicher Streitpunkt. Unter diesen Umständen hätte die Beschwerde zumindest näher darlegen müssen, weshalb das FG der fachkundig vertretenen Klägerin gleichwohl weitere und vor allem welche konkreten Hinweise hätte geben müssen (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1991 XI R 13/90, BFH/NV 1992, 609).
Ebensowenig reicht unter den vorgenannten Umständen der bloße Hinweis darauf, die Klägerin sei von der angefochtenen Entscheidung des FG überrascht worden, weil der entscheidungserhebliche rechtliche Gesichtspunkt bis zum Ende der mündlichen Verhandlung nicht angesprochen worden sei, aus.
Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör i. S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, §96 Abs. 2 FGO, liegt nur vor, wenn die Verfahrensbeteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt wird, zu denen sie sich nicht geäußert haben und zu denen sich zu äußern sie nach dem vorherigen Verlauf des Verfahrens auch keine Veranlassung gehabt haben (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1998 III R 31/97, BFH/NV 1998, 732, m. w. N.). Eine solche Verfahrenslage ist allerdings weder nach dem Ablauf des gesamten Verfahrens noch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin gegeben gewesen. Die Klägerin trägt mit der Beschwerde nämlich selbst vor, das FG habe ihren Vortrag zu dieser Rechtsfrage nicht ausreichend erforscht und berücksichtigt.
c) Soweit die Beschwerde schließlich rügt, das FG sei bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, die Würdigung des FG entspreche weder den tatsächlichen Gegebenheiten noch dem verfahrensfehlerfrei gewonnenen Ergebnis des Prozesses, macht die Klägerin keinen Verfahrensmangel i. S. von §96 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern eine fehlerhafte rechtliche Würdigung geltend. Damit wird indes kein Zulassungsgrund i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorgetragen.
Wie ausgeführt hat das FG das tatsächliche Vorbringen der Klägerin im Tatbestand des angefochtenen Urteils inhaltlich wiedergegeben, indessen lediglich nicht die von der Klägerin daraus abgeleitete rechtliche Schlußfolgerung gezogen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 171169 |
BFH/NV 1999, 971 |