Entscheidungsstichwort (Thema)
Bargeldlose Entgeltsentrichtung als Voraussetzung der USt-Freiheit gemäß Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk; Beschwerde gegen die Ablehnung eines AdV-Antrages
Leitsatz (NV)
1. Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung besteht die Aufgabe des BFH nicht in der Kontrolle der von der Vorinstanz erlassenen Entscheidung auf Richtigkeit. Vielmehr ist das Begehren des Bf. im Rahmen seiner Anträge erneut in jeder Hinsicht zu prüfen und zu bescheiden.
2. Ist das entsprechende Hauptsacheverfahren bereits in der Revisionsinstanz anhängig, so dürfen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nur anerkannt werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung der Bescheide gerechnet werden kann.
3. Der Senat hält daran fest, daß die Anwendung des Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk die unbare Zahlung des Entgelts von einem Konto der Dienststelle zur Voraussetzung hat.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; NATO-ZAbk Art. 67 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GbR vertreibt . . . (Ware) an Angehörige der US-Streitkräfte. Zu diesem Zweck schließt sie mit ,,Army and Air Force Exchange Service, Europe" (AAFES) befristete sog. Kurzzeitkonzessionsverträge ab und bietet in der auf dem Truppengelände befindlichen Beschaffungsstelle anhand von Mustern . . . an. Die Klägerin, deren Gesellschafter bei ihrer Tätigkeit Namensschilder mit dem Zusatz: ,,Welcome to AAFES" tragen, nimmt von den an einem Kauf interessierten Soldaten durch Unterschrift bestätigte Bestellungen an, bestellt sodann . . . beim Hersteller, bezahlt die . . .-Lieferungen und sendet den gelieferten . . . den Bestellern über die Militärpostämter zu.
Die Kaufpreiszahlungen der Kunden werden in ein sog. ,,Customer Daily Sales Register" eingetragen und von den Kunden durch Unterschrift bestätigt. Die Klägerin rechnet aufgrund dieser Aufstellung täglich mit AAFES ab. Der AAFES-Bedienstete vereinnahmt dabei die Tageskasse und zahlt anschließend nach Abzug der im Konzessionsvertrag vereinbarten Provision den der Klägerin zustehenden Anteil der Einnahmen bar an die Klägerin aus. Der einbezahlte Gesamtbetrag und die einbehaltene Provision werden der Klägerin quittiert.
Bei einer bezüglich der Jahre 1981 bis 1984 durchgeführten USt-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, daß die Klägerin in nicht unerheblichem Umfang mit ihren Kunden Ratenverträge abgeschlossen hatte, die teilweise nicht ordnungsgemäß im Customer Daily Sales Register eingetragen worden waren. Teilweise waren nur die Anzahlungen, nicht aber die späteren Ratenzahlungen vermerkt. Zum Teil war überhaupt keine Eintragung vorgenommen worden. Die Prüferin ermittelte deshalb den Umsatz anhand der Gutschriften (hauptsächlich Scheckeinlieferungen) auf den Bankkonten der Gesellschafter der Klägerin.
Aufgrund der Prüfungsfeststellungen verneinte der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Anwendbarkeit der USt-Befreiung nach Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nord-Atlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Truppen (NATO-ZAbk) mit der Begründung, die Klägerin trete in unmittelbare Rechtsbeziehungen zum jeweiligen Abnehmer. Da die Klägerin die Entgelte bar von den einzelnen Kunden erhalte und nur die Provision an AAFES abführe, stammten die Lieferungsentgelte nicht aus Mitteln des Entsendestaates. Mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten USt-Bescheiden 1981 bis 1984 vom 27. November 1987 sowie mit erstmaligem USt-Bescheid 1985 vom 27. November 1987 unterwarf das FA die . . .-Lieferungen der USt. Ferner setzte das FA durch USt-Vorauszahlungsbescheide für Januar bis Oktober 1986 vom 2. Januar 1987 USt-Vorauszahlungen aufgrund geschätzter steuerpflichtiger Umsätze fest.
Die von der Klägerin beantragte Aussetzung der Vollziehung der USt-Bescheide 1981 bis 1985 und die Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide wurden vom FA mit Verfügung vom 12. Februar 1988 abgelehnt. Der daraufhin von der Klägerin beim Finanzgericht (FG) gestellte Aussetzungsantrag wurde vom FG mit der Begründung zurückgewiesen, keiner der beiden Aussetzungsgründe (§ 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) liege vor. Das FA habe die USt-Freiheit aufgrund des Art. 67 Abs. 3 Buchst. a NATO-ZAbk für die . . .-Lieferungen zu Recht versagt. Auftraggeber und damit umsatzsteuerlicher Leistungsempfänger müsse die Truppe und dürfe nicht das einzelne Mitglied der Truppe sein. Hierdurch solle einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Steuerbefreiung vorgebeugt werden. Die Klägerin habe jedoch die . . .-Bestellung unmittelbar von den Mitgliedern der Truppe entgegengenommen und die Aufträge in eigener Regie abgewickelt. Die täglichen Abrechnungen der Klägerin mit AAFES hätten die Entgeltzahlung der Kunden nicht zur Zahlung von AAFES an die Klägerin werden lassen.
In dem danach ergangenen, die entsprechenden Klagen abweisenden Urteil - dieses Urteil ist Gegenstand des beim erkennenden Senat anhängigen Revisionsverfahrens V R 104/88 - hat das FG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die . . .-Lieferungen sich als von AAFES in Auftrag gegeben ansehen ließen. Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung scheitere jedenfalls daran, daß die Klägerin ihr Entgelt nicht aus Mitteln des Entsendestaates erhalten habe. Grundsätzlich müsse der Entsendestaat seine Aufwendungen aus eigenen Haushaltsmitteln bestreiten. Dies sei nur bei unbarer Zahlung von einem Bankkonto der zahlenden Dienststelle gewährleistet. Entsprechend sei der Abwicklungsschein gestaltet. Die Klägerin habe dagegen bei der täglichen Abrechnung mit AAFES den ihr zustehenden Anteil der Einnahmen bar erhalten. Bei dieser Abrechnungsweise seien die Entgeltzahlungen der Kunden der Klägerin nicht in Entgeltzahlungen aus Mitteln des Entsendestaates transformiert worden.
Gegen den die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschluß hat die Klägerin - die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassene - Beschwerde eingelegt. Später hat sie die Beschwerde hinsichtlich der USt-Vorauszahlungsbescheide für Januar bis Oktober 1986 zurückgenommen.
Die Klägerin hält im übrigen an ihrem Aussetzungsbegehren fest und macht geltend, der Konzessionsvertrag und dessen Durchführung entsprächen genau dem Schreiben des BMF in BSTBl I 1976, 154, das den Inhalt des BMF-Erlasses vom 15. Dezember 1969 IV A/3 - S 7492 - 31/69 (BStBl I 1970, 150) übernommen habe. Bei der gebotenen pauschalen Überprüfung hätte sich das FG schon aus Gründen der steuerlichen Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit an die Regelung im Erlaß halten müssen, zumal weder das FA noch das FG einen steuerlichen Mißbrauch angenommen hätten. Sie, die Klägerin, habe darauf vertrauen können, daß bei genauer Beachtung des Konzessionsvertrages USt-Freiheit bestehe. Darüber hinaus hat die Klägerin auf die Revisionsbegründung Bezug genommen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
A. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde zurückgenommen hat (betreffend UStVorauszahlungsbescheide für Januar bis Oktober 1986), wird das Beschwerdeverfahren eingestellt.
B. Im übrigen (betreffend USt-Bescheide für 1981 bis 1985) ist die Beschwerde unbegründet und wird zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist nicht ernstlich zweifelhaft.
1. Die Beschwerdeentscheidung hat sich nicht auf eine Überprüfung des angefochtenen Beschlusses zu beschränken (vgl. Beschluß des BFH vom 18. August 1987 VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374). Im Unterschied zum Revisionsverfahren besteht im Beschwerdeverfahren die Aufgabe des BFH nicht in der Kontrolle der von der Vorinstanz erlassenen Entscheidungen auf Richtigkeit. Vielmehr ist das Begehren eines Beschwerdeführers im Rahmen seiner Anträge erneut in jeder Hinsicht zu prüfen und zu bescheiden. Andererseits ist im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, daß die angefochtenen Bescheide, deren Aussetezung der Vollziehung von der Klägerin begehrt wird, Gegenstand eines bereits in der Revisionsinstanz anhängigen Hauptsacheverfahrens sind. Unter diesen Umständen können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nur anerkannt werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzung des Revisionsverfahrens ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung der Verwaltungsakte gerechnet werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Dezember 1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271 mit weiteren Nachweisen). Dies bedeutet, daß bei vermutlichem Durcherkennen des BFH die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens zu prüfen sind.
2. Die gebotene summarische Prüfung führt zu dem Ergebnis, daß die Klägerin letzten Endes mit ihrer Klage wahrscheinlich erfolglos bleiben wird.
a) Es braucht nicht näher darauf eingegangen zu werden, ob die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, das FG habe unzulässigerweise einen Beweisantrag übergangen, Erfolg verspricht. Selbst wenn dieser Revisionsangriff für zulässig und begründet gehalten würde, ist damit zu rechnen, daß die Revision gleichwohl zurückgewiesen werden wird, weil das FG zu Recht angenommen hat, der Klägerin stehe im Hinblick auf die bare Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit AAFES die in Anspruch genommene Steuerfreiheit nicht zu (vgl. § 126 Abs. 4 FGO).
b) Nach Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk sind Lieferungen oder sonstige Leistungen an eine Truppe oder an ein ziviles Gefolge, die von einer amtlichen Beschaffungsstelle der Truppe oder des zivilen Gefolges in Auftrag gegeben werden und für den Gebrauch oder den Verbrauch durch die Truppe, das zivile Gefolge, ihre Mitglieder oder deren Angehörige bestimmt sind, von der USt befreit, vorausgesetzt, daß das Entgelt mit Zahlungsmitteln in der Währung des Entsendestaates entrichtet wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Jedenfalls unterliegt es keinen ernstlichen Bedenken, daß das FG bei der Klageabweisung angenommen hat, die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin scheitere am fehlenden bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Die wiedergegebene Regelung in Art. 67 NATO-ZAbk enthält zwar keine ausdrücklich festgelegte Voraussetzung des Inhalts, daß das Entgelt bargeldlos entrichtet werden müsse. Der erkennende Senat ist jedoch in seinem Urteil vom 21. März 1974 V R 144/69 (BFHE 112, 88, BStBl II 1974, 437) zu dem Ergebnis gelangt, daß eine unbare Zahlung von einem Bankkonto der zahlenden Dienststelle erforderlich sei, weil nur eine solche Zahlung die hinreichende Vermutung dafür ergebe, daß die dem Gesamtkonzept aus Art. 67 Abs. 3 Buchst. a lit.i NATO-ZAbk zu entnehmende Voraussetzung erfüllt ist, die Zahlung müsse aus Haushaltsmitteln des Entsendestaates geleistet werden. Im Hinblick darauf, daß die zitierte Entscheidung vor den Streitjahren ergangen ist, kann nicht ernstlich in Betracht gezogen werden, daß die Berufung der Klägerin auf Vertrauensschutz erfolgreich sein könnte.
Fundstellen