Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Versagung der Akteneinsicht
Leitsatz (NV)
1. Bei der Beschwerde gegen die Versagung der Akteneinsicht in der Kanzlei des bevollmächtigten Rechtsanwalts handelt es sich regelmäßig um eine Beschwerde des Prozeßbevollmächtigten kraft eigenen Rechts.
2. Ein Ausnahmefall, bei dem dem bevollmächtigten Rechtsanwalt Akteneinsicht in seiner Kanzlei zu gewähren wäre, wird auch durch die Überlastung des zuständigen Sachbearbeiters nicht begründet.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 1; BRAGO §§ 13, 25 Abs. 1, § 31 Nr. 1
Tatbestand
Frau A ist Beigeladene in einem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Rechtsstreit. Das FG hat den Antrag des Prozeßbevollmächtigten der Beigeladenen, des Rechtsanwalts B, ihm die Gerichtsakten zur Einsichtnahme in sein Büro zu übersenden, abgelehnt. Hiergegen hat der Prozeßbevollmächtigte Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt, die er damit begründet, daß der zuständige Sachbearbeiter derzeit völlig überlastet sei. Dementsprechend sei es ihm nicht möglich, während der normalen Dienstzeiten beim FG Akteneinsicht zu nehmen, da er während dieser Zeit ständig Gerichts- und Besprechungstermine wahrzunehmen habe. Zur sorgfältigen und ordnungsgemäßen Bearbeitung der Angelegenheit sei der Sachbearbeiter infolgedessen darauf angewiesen, die Akte außerhalb der normalen Bürozeit zu studieren. Es liege daher ein Ausnahmefall vor, der eine Überlassung der Gerichtsakten rechtfertige.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig.
Dabei geht der Senat davon aus, daß es sich um eine Beschwerde des bevollmächtigten Rechtsanwalts kraft eigenen Rechts handelt (vgl. BFH-Beschluß vom 29. September 1967 III B 31/67, BFHE 90, 312, BStBl II 1968, 82). Auch wenn der Prozeßbevollmächtigte die Beschwerde namens und in Vollmacht der Beigeladenen erhoben hat, so kommt dem keine Bedeutung zu, weil nicht erkennbar ist, daß mit der Beschwerde Interessen der Mandantin verfolgt werden. Zwar liegt es im Interesse eines jeden Mandanten, daß sich der Prozeßbevollmächtigte über den Sach- und Streitstand informiert. Dies ist jedoch Ausfluß der Informationspflicht des Rechtsanwalts im Rahmen seines Auftrages. Er nimmt danach regelmäßig eigene Interessen wahr, wenn er Akteneinsicht in seiner Kanzlei beantragt, denn dies betrifft lediglich die Art und Weise, in der er seine Tätigkeit gestaltet und den Auftrag seines Mandanten erfüllt. Durch eine erfolgreiche Beschwerde würden der Mandantin im Streitfall auch keine Kosten erspart, denn die Information des Rechtsanwalts ist durch die Prozeßgebühr abgegolten (§ 31 Nr. 1, § 13 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO -). Da sich die Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten am Sitz des FG befindet, stehen ihm auch keine Reisekosten zu; die etwaigen Aufwendungen sind durch die jeweilige Verfahrensgebühr abgegolten (§ 25 Abs. 1 BRAGO).
Die Beschwerde des Prozeßbevollmächtigten ist unbegründet.
Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Eine Überlassung der Akten in die Wohnung eines Beteiligten oder in die Wohnung oder die Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten ist nicht vorgesehen. Die Rechtsprechung hat es lediglich in besonderen Ausnahmefällen zugelassen, bevollmächtigten Rechtsanwälten Akteneinsicht in ihrer Kanzlei zu gewähren (vgl. BFH-Beschluß vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475). Ein derartiger Ausnahmefall wird durch eine Überlastung des zuständigen Sachbearbeiters nicht begründet. Auch wenn der Sachbearbeiter - wie allerdings vorgetragen wird - während der Dienstzeiten des FG ständig Gerichts- und Besprechungstermine wahrzunehmen hätte, so könnte durch geeignete organisatorische Maßnahmen, etwa durch Verlegung von Besprechungsterminen (ggf. auf eine Zeit nach Dienstschluß beim FG) ausreichend Zeit für einen Besuch des FG durch den Sachbearbeiter gewonnen werden, zumal sich das FG in der Nähe der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten befindet.
Die Kosten der Beschwerde hat der Prozeßbevollmächtigte zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO).
Fundstellen