Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmängel; Nichtdurchführung eines Erörterungstermins; Verletzung rechtlichen Gehörs wegen zu kurzer mündlicher Verhandlung; Verletzung der Amtsermittlungspflicht; fehlerhafte Beweiswürdigung als materiell-rechtlicher Mangel; keine neuen Zulassungsgründe mehr nach Ablauf der Begründungsfrist
Leitsatz (NV)
1. Die Durchführung eines Erörterungstermins liegt im Ermessen des Gerichts. Die Beteiligten haben darauf keinen Anspruch. Ein Antrag der Beteiligten stellt nur eine Anregung an das Gericht dar.
2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nicht geltend machen, wer es versäumt hat, sich vor Gericht rechtliches Gehör zu verschaffen. Dies ist der Fall, wenn ein fachkundig vertretener Kläger weder einen Antrag gestellt hat, ihm weitere Ausführungen zum Streitstoff zu gestatten, noch die Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragt hat, sofern eine Möglichkeit zur zeitlichen Verlängerung der mündlichen Verhandlung an dem Sitzungstag nicht mehr bestanden hat oder ihm zumindest nachzulassen, noch einen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung einzureichen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 227 Abs. 1, § 283
Verfahrensgang
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) verfolgt die ursprünglich geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Rechtsfortbildung sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 15. Juli 2004 III R 6/03 (BFHE 206, 513, BStBl II 2004, 1081) zur Zulagenbegünstigung von angeschafften, vom Veräußerer unter Verwendung auch von Altteilen hergestellten Wirtschaftsgütern nicht mehr weiter, weil mit dieser Senatsentscheidung die aufgeworfene Rechtsfrage, welche Rechtsgrundsätze für die Bestimmung eines Wirtschaftsguts als neu i.S. des § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 gelten, geklärt ist.
2. Die Verfahrensmängel hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden. Die Durchführung eines sog. Erörterungstermins liegt im Ermessen des Gerichts. Die Beteiligten haben darauf keinen Anspruch. Ein Antrag der Beteiligten stellt lediglich eine Anregung dar (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Oktober 1997 X B 12/97, BFH/NV 1998, 599).
Nachdem das Finanzgericht (FG) unter Beteiligung des Vollsenats eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Klägerin wegen Nichtdurchführung eines Erörterungstermins indes von vornherein ausgeschlossen.
b) Soweit die Klägerin beanstandet, das FG habe die Aussage des Sachverständigen X nicht ausreichend gewürdigt, wird damit kein Verfahrensverstoß gerügt, sondern lediglich ein allenfalls im Rahmen einer zugelassenen Revision zu beachtender materiell-rechtlicher Mangel des angefochtenen Urteils behauptet (BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331, m.w.N.; vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202).
Eine Rüge, das FG hätte nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO berücksichtigt, hat die Klägerin insoweit nicht erhoben (BFH-Beschluss vom 28. November 2001 I B 169/00, BFH/NV 2002, 774).
Allein der Umstand, dass das zu den Prozessakten genommene Gutachten während der mündlichen Verhandlung erst aus einem Nebenraum geholt worden ist, stellt keinen Verfahrensmangel dar, weil es damit jedenfalls offensichtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
c) Mit der Behauptung, es habe zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, in der insgesamt 45 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung "zu allen vorbereiteten Sachverhalten", insbesondere zur Problematik der Verwirklichung einer "neuen Idee" ausreichend Stellung zu nehmen, wird gleichfalls kein Verfahrensmangel bezeichnet.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 17. März 2004 hat die fachkundig vertretene Klägerin weder einen Antrag gestellt, ihr weitere Ausführungen zum Streitstoff zu gestatten, noch die Vertagung der mündlichen Verhandlung gemäß § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 5. Mai 1999 VII S 27/98, BFH/NV 1999, 1484) beantragt, falls an diesem Sitzungstag keine Möglichkeit mehr zu einer zeitlichen Verlängerung der mündlichen Verhandlung bestanden haben sollte oder ihr gegebenenfalls nachzulassen, noch gemäß § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO (dazu BFH-Beschluss vom 28. Januar 2003 VIII B 62/02, BFH/NV 2003, 1328) einen entsprechenden Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung nachzureichen.
Einen Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO kann jedoch nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht Gehör zu verschaffen (BFH-Beschluss vom 5. Mai 2000 VIII B 122/99, BFH/NV 2000, 1233).
Die Klägerin hat im Übrigen auch nicht konkret dargelegt, welche Ausführungen sie noch gemacht hätte und weshalb auf der Verhinderung dieses konkreten Vortrags das angefochtene Urteil beruhen könne.
Die Darlegung einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert u.a. Ausführungen dazu, weshalb sich dem FG eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG hätte aufdrängen müssen, welche konkreten Beweismittel das FG von sich aus hätte heranziehen sollen, zu welchen voraussichtlichen Beweisergebnissen es im Falle der Beweiserhebung gekommen wäre und insbesondere auch den Einfluss dieser Erkenntnisse auf den Ausgang des Verfahrens (BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 202).
Das Fehlen hinreichender tatsächlicher Feststellungen stellt im Übrigen einen materiell-rechtlichen Fehler des angefochtenen Urteils dar, der nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führt.
3. Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist können keine weiteren Rügen mehr erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 22. November 2002 X B 92/02, BFH/NV 2003, 320), sondern allenfalls noch ordnungsgemäß dargelegte Zulassungsgründe ergänzt werden.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) scheidet bereits deshalb aus, weil die Klägerin offensichtlich nicht gehindert gewesen ist, Verfahrensrügen auf der Grundlage der ihr bekannten Verfahrensabläufe und des angefochtenen Urteils fristgerecht zu erheben. Allein der Umstand, dass in einem späteren Urteil des BFH weitere Tatsachenfeststellungen für geboten erachtet worden sind, können kein fehlendes Verschulden i.S. von § 56 Abs. 1 FGO der Klägerin bzw. ihrer Prozessvertreterin belegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1385346 |
BFH/NV 2005, 1589 |