Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung
Leitsatz (NV)
Die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids ohne Sicherheitsleistung kann in einem zweiten gerichtlichen Aussetzungsverfahren nicht mehr begehrt werden, wenn im vorangegangenen Aussetzungsverfahren keine Gründe für die Nichtbeibringbarkeit einer Sicherheit geltend gemacht worden waren.
Normenkette
VGFGEntlG Art. 3 § 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Der mit Bescheid vom 8. November 1984 als Haftungsschuldner mit 235 661 DM in Anspruch genommene Beschwerdeführer hatte nach Einspruchseinlegung und Ablehnung eines Aussetzungsbegehrens durch die Verwaltung (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG -) beim FG die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Das FG hat auf diesen Antrag mit Beschluß vom 19. August 1985 wie folgt entschieden:
,,Die Vollziehung des Umsatzsteuerhaftungsbescheids vom 8. November 1984 wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Haftungsbeträge bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt."
In dem Beschluß ist ausgeführt, die Aussetzung der Vollziehung erfolge gegen Sicherheitsleistung gemäß §§ 241 ff. AO, weil die Gläubigerinteressen des Beklagten und Beschwerdegegners (FA) dies für den Fall, daß sich der Haftungsanspruch bei genauer Prüfung doch als gerechtfertigt erweise, geböten. Der Beschwerdeführer habe zwar vorgetragen, seine Vermögenslage würde eine Sicherheitsleistung nicht zulassen. Der Beschwerdeführer habe jedoch seine diesbezüglichen Vermögensumstände weder substantiiert dargelegt noch in irgendeiner konkreten Form gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht.
Am 25. September 1985 beantragte der Beschwerdeführer beim FG, den vorgenannten Beschluß dahingehend abzuändern, daß die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung gewährt werde.
Zur Begründung machte der Beschwerdeführer eine Reihe von Angaben, aus denen sich nach seiner Auffassung eine so weitgehende Vermögenslosigkeit ergibt, daß eine Sicherheitsleistung nicht erbracht und daher auch nicht verlangt werden könne.
Das FG wies den Antrag ab. Es führte aus, der Beschwerdeführer habe weder geltend gemacht, daß sich seine Vermögensverhältnisse verändert hätten, noch habe er Umstände dargetan, die er nicht schon in dem ursprünglichen - ersten - Aussetzungsverfahren ohne Verschulden habe geltend machen können (Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG). Das FG ließ die Be
schwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Der Beschwerdeführer begehrt weiterhin Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Zur Begründung führt er aus, er habe bereits im ersten Aussetzungsverfahren auf seine, eine Sicherheitsleistung nicht zulassende schlechte Vermögenslage hingewiesen. Da diese amtsbekannt und unstreitig gewesen sei, wären damals weitere Angaben hierzu nicht erforderlich gewesen. Die tatsächlichen Grundlagen für die Anordnung einer Sicherheitsleistung seien vom FA beizubringen. Enthalte das Vorbringen des FA hierzu keine konkreten Angaben, dürfe darauf vertraut werden, daß das FG nicht von sich aus die Sicherheitsleistung anordne. Die Sicherheitsleistung dürfe vom FG nur auferlegt werden, wenn sich konkrete Anhaltspunkte - aus dem Vorbringen des FA oder der Sachaufklärung des FG - ergäben, zu denen sich ein die Aussetzung der Vollziehung begehrender Antragsteller auch habe äußern können. Davon könne hier keine Rede sein. Aus diesem Grund sei die im Rahmen des nunmehrigen Verfahrens - Aussetzung des Haftungsbescheids ohne Sicherheitsleistung - vorgenommene substantiierte Darstellung der unzureichenden Vermögensverhältnisse im ursprünglichen Verfahren unverschuldet unterblieben. Die Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG für die Nichtabänderbarkeit des finanzgerichtlichen Beschlusses vom 19. August 1985 seien daher nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der Beschluß des FG vom 19. August 1985, mit dem das FG die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides vom 8. November 1984 gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Haftsumme angeordnet hat. Der Beschwerdeführer begeht die Änderung dieses Beschlusses dahingehend, daß die ihm auferlegte Sicherheitsleistung entfalle. Eine solche Änderung ist nach Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände möglich. Solche Umstände sind hier nicht gegeben.
Die Aussetzung der Vollziehung ist in der Regel von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen die Steuerforderung als gefährdet erscheinen läßt (Beschlüsse des BFH vom 22. Juni 1967 I B 7/67, BFHE 89, 24, BStBl III 1967, 512; vom 8. März 1967 VI B 50/66, BFHE 88, 78, BStBl III 1967, 294). Ist es aber dem Steuerpflichtigen trotz zumutbarer Anstrengungen nicht möglich, die Sicherheitsleistung in der an sich erforderlichen Höhe zu erbringen, so darf Sicherheitsleistung nicht verlangt werden, soweit die Unmöglichkeit reicht (vgl. BFH-Beschluß vom 9. April 1968 I B 73/67, BFHE 92, 89, BStBl II 1968, 456). Daß diese Unmöglichkeit gegeben sei, muß derjenige glaubhaft machen, der die Aussetzung der Vollziehung begehrt. Denn die tatsächlichen Umstände, die im Einzelfall für die Beibringbarkeit einer Sicherheitsleistung von Bedeutung sind, liegen im Kenntnisbereich des Antragstellers.
Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer im ursprünglichen Aussetzungsverfahren lediglich allgemein darauf hingewiesen, daß seine Vermögenslage eine Sicherheitsleistung nicht zulasse. Der Beschwerdeführer hat diese - in seinem Kenntnisbereich liegende - Angabe aber weder substantiiert noch sie - wie es im Aussetzungsverfahren nach § 69 FGO erforderlich ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Tz. 9 b zu § 69 FGO mit Hinweisen) - durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht. Für die - pauschale - Behauptung in bezug auf die für eine Sicherheitsleistung nicht ausreichende ,,Vermögenslage" hat der Beschwerdeführer erstmals mit dem zweiten Aussetzungsantrag nähere Gründe angegeben. Da solche Gründe - ihr Vorhandensein unterstellt - bereits im Verlauf des ursprünglichen Aussetzungsverfahrens vorgelegen haben, hätten sie in diesem vorgetragen und glaubhaft gemacht werden müssen. Es war - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nicht die Aufgabe des FG, die Gesichtspunkte, die der Sicherheitsleistung entgegenstanden, von sich aus im einzelnen zu erforschen. Auch konnte das FG aus den für das Aussetzungsverfahren maßgeblichen Unterlagen nicht ohne weiteres zweifelsfrei entnehmen, daß und aus welchen Gründen die Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers eine Sicherheitsleistung nicht zuließen. Daß eine solche Erkenntnis möglicherweise aus den umfänglichen Beiakten hätte gewonnen werden können, ist im Hinblick auf den summarischen Charakter des Aussetzungsverfahrens nach § 69 FGO ohne Belang.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine günstigen Erfolgsaussichten in materieller Hinsicht führt zu keiner anderen Beurteilung. Es trifft zwar zu, daß das öffentliche Bedürfnis nach Sicherheitsleistung entfallen kann, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozeßausgang erwartet werden kann (vgl. Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., Anm. 56 zu § 69 FGO). Eine solche Annahme ist aber im Streitfall angesichts des umfangreichen, einer summarischen Prüfung nicht zugänglichen Prozeßstoffes nicht gerechtfertigt.
Die für die schlechte Vermögenslage des Beschwerdeführers nunmehr vorgetragenen Gesichtspunkte beinhalten somit weder veränderte Umstände noch solche, die im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind. Das FG hat den Antrag, die Aussetzung des Haftungsbescheides ohne Sicherheitsleistung anzuordnen, daher in Anwendung von Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG zu Recht abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 414659 |
BFH/NV 1987, 258 |