Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Fettabsaugung keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
1. Aufwendungen für eine operative Fettabsaugung und die operative Behandlung herabgesunkener Augenlider sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn der Steuerpflichtige vor Beginn der Maßnahmen kein amts- oder vertrauensärztliches Attest eingeholt hat, aus dem sich zweifelsfrei die medizinische Indikation der Operationen ergibt.
2. Bei Operationen, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, ist es dem Steuerpflichtigen zuzumuten, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 33; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.03.2006; Aktenzeichen 13 K 135/04) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger beziehen jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 machten sie Aufwendungen in Höhe von insgesamt 15 023 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um Arzt- und Arzneimittelkosten, die infolge einer operativen Fettabsaugung an Oberschenkeln, Bauch, Hüfte, Taille und Rücken der Klägerin zur Behandlung von schmerzhaften Lipödemen und durch die ärztliche Behandlung herabgesunkener Augenlider entstanden waren. Laut einer undatierten Bestätigung der allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) handelte es sich bei den Kosten in Höhe von 10 910,57 € um Leistungen zur Behandlung einer Krankheit im Rahmen nicht zugelassener Behandlungsmethoden, so dass keine Kostenübernahme in Betracht kam.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2002 die geltend gemachten Kosten lediglich in Höhe von 1 586 € unter Hinweis darauf, dass die übrigen Aufwendungen für Schönheitsoperationen angefallen seien bzw. mit solchen in Zusammenhang stünden. Diese seien jedoch nicht als Krankheitskosten i.S. von § 33 EStG anzuerkennen.
Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin mehrere fachärztliche Atteste von Hautärzten und des die Augenlidoberplastik durchführenden Arztes vor, nach denen die Maßnahmen zur Therapie empfohlen worden waren. Aus dem medizinischen Attest einer Hautklinik vom 24. August 2000 geht hervor, dass die Klägerin bei einer Körpergröße von 180 cm und einem Körpergewicht von 65 kg nicht übergewichtig sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, die geltend gemachten Aufwendungen seien nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, weil die Klägerin vor Beginn der Maßnahmen kein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten eingeholt habe, aus dem sich zweifelsfrei entnehmen lasse, dass sie krank und die beabsichtigte Behandlung medizinisch indiziert gewesen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reiche bei Maßnahmen, die --wie im Streitfall-- ihrer Art nach nicht stets und eindeutig allein der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten, ein privatärztliches Gutachten als Nachweis für die medizinische Notwendigkeit nicht aus.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Es sei zu klären, ob die Finanzverwaltung verpflichtet sei, den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, dass die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung von der vorherigen Begutachtung durch einen Amtsarzt abhänge. Das FG habe eine solche Verpflichtung im Streitfall zwar unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 67/96 (BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732) verneint und die Inanspruchnahme fachlicher Beratung für zumutbar gehalten. Gegen die Zumutbarkeit spreche aber die von der Finanzverwaltung herausgegebene Anleitung zur Einkommensteuererklärung 2002, in der als Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme nur die Verordnung eines Arztes gefordert werde. Ein Hinweis auf den strengeren Nachweis in Form einer amtsärztlichen Bescheinigung fehle. In der Einleitung zur Einkommensteuererklärung 2005 sei nunmehr die besondere Nachweispflicht explizit aufgeführt.
Ferner liege ein Verfahrensmangel vor, weil das FG sich nicht ausreichend mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auseinander gesetzt habe. Das FG habe den Streitfall in fehlerhafter Weise mit der Rechtsprechung des BFH zu Kinderkuraufenthalten, zu Sportstudiobesuchen aus medizinischen Zwecken und mit Ayurvedabehandlungen verglichen, ohne zu erkennen, dass es sich hier um wesentlich andere Sachverhalte handele. Insbesondere habe das FG verkannt, dass aufgrund der massiven Schmerzen der Klägerin die Behandlung --anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen-- notwendig und besonders dringlich gewesen sei. Das FG hätte sich daher mit der Frage auseinander setzen müssen, ob nicht die vielfachen und von verschiedenen Ärzten vorgelegten Atteste einer amtsärztlichen Bescheinigung gleichzusetzen seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Der Rechtsstreit ist nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt.
Da die medizinische Erforderlichkeit von Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH seit der Entscheidung vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295) grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung zweifelsfrei ergibt (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, m.w.N.).
Hinsichtlich des Erfordernisses einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung ist dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme fachlicher Beratung grundsätzlich zuzumuten (BFH-Urteile in BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732, und vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337). Dass die Anleitung der Finanzverwaltung zur Einkommensteuererklärung keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung enthält, rechtfertigt es nicht, von diesem Erfordernis abzusehen. Ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Gutachten hat der BFH nur ausnahmsweise dann als Nachweis ausreichen lassen, wenn das Erfordernis einer vorherigen amtlichen Begutachtung für bestimmte Aufwendungen erstmals höchstrichterlich aufgestellt worden war und vom Steuerpflichtigen deshalb nicht erwartet werden konnte, dass er dieses Erfordernis kennt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, und BFH-Beschluss vom 20. November 2003 III B 44/03, BFH/NV 2004, 335, jeweils m.w.N.).
Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen, bei denen nicht eindeutig feststeht, ob sie zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich sind, hat der BFH seit jeher nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten vor der Behandlung die medizinische Indikation nachgewiesen war. Bei Operationen --wie im Streitfall--, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, ist es daher dem Steuerpflichtigen zuzumuten, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt werden. Im Streitfall war der besondere Charakter der Behandlungen für die Kläger auch erkennbar, weil ihre Krankenkasse die Aufwendungen hierfür nicht übernommen hatte.
2. Mit ihrem Vortrag, das FG habe sich nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG auseinander gesetzt, machen die Kläger keinen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, sondern wenden sich gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Ihr Vortrag betrifft auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO führt (BFH-Beschluss vom 17. März 2006 III B 135/05, BFH/NV 2006, 1285).
Fundstellen
Haufe-Index 1679493 |
BFH/NV 2007, 438 |