Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung und ausgelaufenes Recht (VStG)
Leitsatz (NV)
1. Betrifft eine Rechtssache ausgelaufenes (Vermögensteuer-)Recht, ist zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlich, dass besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt.
2. Das BVerfG hat die Weitergeltung des VStG bis Ende 1996 angeordnet und damit die Berufung auf alle in der Entscheidung beanstandeten Verstöße des bis dahin geltenden Vermögensteuerrechts gegen die Grundrechte ausgeschlossen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; VStG
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 16.02.2006; Aktenzeichen 3 K 2013/03 VSt) |
Tatbestand
I. Dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) wurde auf Grund von Maßnahmen der Steuerfahndung bekannt, dass der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Wertpapiere und Kapitalvermögen besaß. Das FA setzte daraufhin mit Bescheiden vom 12. November 2002 gegen den Kläger Vermögensteuer auf den 1. Januar 1994 und 1995 fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Beschwerde begehrt der Kläger Zulassung der Revision, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Vollzug des Vermögensteuergesetzes (VStG) in den Streitjahren habe an einem strukturellen Vollzugsdefizit gelitten; außerdem habe das VStG gegen den sog. Halbteilungsgrundsatz verstoßen. Weiter macht der Kläger verschiedene Verfahrensmängel geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig; sie war daher zu verwerfen. Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der gesetzlich erforderlichen Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Vermögensteuer wird nicht mehr erhoben. Der Gesetzgeber hat von der Möglichkeit einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügenden Neuregelung des VStG innerhalb der im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) gesetzten Frist keinen Gebrauch gemacht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BFHE 182, 379, BStBl II 1997, 515). Die Rechtssache betrifft somit auslaufendes bzw. ausgelaufenes Recht. Der Kläger hat keine besonderen Gründe geltend gemacht, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (BFH-Beschlüsse vom 21. November 2003 III B 67/03, BFH/NV 2004, 336; vom 31. Januar 2005 III B 87/04, BFH/NV 2005, 906; vom 24. November 2005 II B 46/05, BFH/NV 2006, 587).
2. Die Beschwerde ist auch deswegen unzulässig, weil sich der Kläger nicht mit der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats auseinandergesetzt hat, wonach das BVerfG die Weitergeltung des VStG bis Ende 1996 angeordnet und damit die Berufung auf alle in der Entscheidung beanstandeten Verstöße des bis dahin geltenden Vermögensteuerrechts gegen die Grundrechte ausgeschlossen hat (so Entscheidungen des BFH vom 29. Oktober 1997 II B 67/97, BFH/NV 1998, 361; vom 19. Mai 1998 II B 14/98, BFH/NV 1998, 1275; vom 6. August 1998 II B 53/98, BFH/NV 1999, 228; vom 30. September 1998 II R 47/97, BFH/NV 1999, 452; vom 30. Juni 1999 II B 110/98, BFH/NV 1999, 1653; vom 23. Oktober 2000 II B 157/99, BFH/NV 2001, 498, sowie vom 12. Dezember 2003 II B 33/02, BFH/NV 2004, 677).
a) So ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass der vom BVerfG zur Vermögensteuer aufgestellte sog. Halbteilungsgrundsatz keine Auswirkungen auf die Erhebung der Vermögensteuer auf vor Ablauf des Jahres 1996 verwirklichte Sachverhalte hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1999 II B 95/98, BFH/NV 1999, 1254, und vom 28. Oktober 2003 II B 139/01, BFH/NV 2004, 384, m.w.N.). Der Kläger legt nicht dar, warum diese Rechtsfrage einer erneuten Klärung im Revisionsverfahren bedarf. Das Argument, das BVerfG habe den sog. Halbteilungsgrundsatz aufgegeben (Beschluss vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 507), belegt schlüssig einen solchen Klärungsbedarf nicht. Denn wenn der Halbteilungsgrundsatz nicht mehr rechtsverbindlich wäre, wie der Kläger formuliert, würde er erst recht keine Auswirkungen auf die Erhebung der Vermögensteuer auf vor Ablauf des Jahres 1996 verwirklichte Sachverhalte haben können.
b) Auch fehlt es, soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit des VStG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits geltend macht, an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das BVerfG leitet aus dem Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) für Steuern, deren Festsetzung auf Steuererklärungen beruht, die Notwendigkeit ab, die Steuerpflichtigen nicht nur materiell-rechtlich gleichmäßig zu belasten, sondern auch einen gleichmäßigen Verwaltungsvollzug durch gesetzgeberische Maßnahmen abzustützen (Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654). Das BVerfG hat dies eingangs seiner Entscheidung in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 zum Prüfungsmaßstab gemacht und gleichwohl insoweit eine Verfassungswidrigkeit des VStG nicht festgestellt. Auch der BFH hat ausgesprochen, dass bei der Vermögensteuer die Funktion der Steuererklärungen auf Hauptveranlagungszeitpunkte, auch den Verwaltungsvollzug durch Neuveranlagungen auf jeweils vorausgegangene Stichtage und erst recht durch Nachveranlagungen auf derartige Stichtage zu ermöglichen, dem Gebot der Belastungsgleichheit entspreche (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2005 II R 63/04, BFH/NV 2006, 1061; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2005 II B 68/05, BFH/NV 2005, 1977). Der Kläger setzt sich hiermit nicht auseinander.
3. Soweit der Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) bzw. des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) rügt, ist die Beschwerde schon deswegen unzulässig, weil der Kläger nicht darlegt, dass er den Verfahrensmangel gerügt hat oder warum ihm eine Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschluss vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101, m.w.N.). Die weiter geltend gemachten Verfahrensmängel sind weder schlüssig noch substantiiert dargelegt; von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 1. Alt. FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1707899 |
BFH/NV 2007, 992 |