Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzende Rechtsmittelschriften
Leitsatz (NV)
Zur Beurteilung ergänzender Beschwerdeschriften und deren Rücknahme.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 1, § 129 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit von ihm persönlich unterschriebenen Schriftsätzen vom 7. Dezember 1994, 5. Januar 1995, 6. Januar 1995 und 17. Januar 1995 an das Finanzgericht (FG) gegen die am 1. Dezember 1994 zugestellte Vorentscheidung. Er rügt vornehmlich, das FG habe seinem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht entsprochen, somit habe er an diesem Termin -- bei dem er anwaltlich vertreten war -- nicht teilnehmen können. Mit Schriftsatz vom 27. März 1995 zeigte die Sozietät W, die den Kläger im Klageverfahren vertreten hat, an, daß sie vorbehaltlich eines Widerrufs durch den Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch die Vorentscheidung erhebe. Sie verweist auf die vom Kläger persönlich eingelegte Beschwerde "gegen die Nichtzulassung" und die ihr vom Kläger zugesandte Mitteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. März 1995, in der der Kläger auf den Vertretungszwang vor dem BFH hingewiesen worden ist. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 1995 teilte die Sozietät W unter Bezug auf den Schriftsatz vom 27. März 1995 mit, daß die Beschwerde zurückgenommen werde, da ein Auftrag des Klägers zu ihrer Einlegung nicht vorgelegt worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel ist, wie sich aus dem von ihm bezweckten Erfolg ergibt, eine Revision der Vorentscheidung zu erreichen, als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu werten. Davon geht zutreffend auch das FG aus.
Die persönlich eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Vor dem BFH muß sich -- wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht -- jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Fehlt es, wie im Streitfall, an der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen, ist die betreffende Prozeßhandlung -- im Streitfall die Einlegung der Beschwerde -- unwirksam.
Dieser Mangel konnte nicht durch den nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangenen Schriftsatz der Sozietät W vom 27. März 1995, in dem diese Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, geheilt werden. Zwar stellt sich dieser Schriftsatz nicht als Einlegung einer weiteren Beschwerde, sondern als ergänzende Rechtsmittelschrift im Rahmen des laufenden Beschwerdeverfahrens dar (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1978 VIII R 112/75, BFHE 124, 494, 496, BStBl II 1978, 376, 377; BFH-Beschluß vom 27. Juni 1986 III R 24/86, BFH/NV 1986, 683; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 1966 VI ZR 86/56, BGHZ 45, 380), mit der ersichtlich das vom Kläger persönlich eingelegte Rechtsmittel anwaltschaftlich genehmigt werden sollte. Denn es wird darin auf die vom Kläger zuvor persönlich eingelegte Beschwerde und den Hinweis des BFH auf das Vertretungserfordernis verwiesen. Die nachträgliche Genehmigung einer mangels ordnungsgemäßer Vertretung unwirksamen Prozeßhandlung kann jedoch nicht auf den Zeitpunkt der ersten Vornahme dieser Prozeßhandlung zurückwirken (BFH- Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291), so daß der Mangel in der Vertretung nicht nach Ablauf der Rechtsmittelfrist durch Erklärung einer postulationsfähigen Person geheilt werden kann (BFH-Beschluß vom 23. November 1978 I R 56/76, BFHE 126, 366, BStBl II 1979, 173 m. w. N.).
Diese "Beschwerde" der Sozietät W ist durch Schriftsatz vom 11. Mai 1995 auch zurückgenommen worden. Ob die Sozietät W zu ihrer Einlegung bevollmächtigt war, kann offenbleiben.
2. Die Rücknahme der "Beschwerde" durch die Sozietät W konnte bereits von ihrer Zielrichtung her auch nicht zur Beendigung des vom Kläger selbst geführten Beschwerdeverfahrens führen. Denn sie war erkennbar auf den Schriftsatz vom 27. März 1995 beschränkt. Daher kann nicht angenommen werden, daß diese Rücknahme sämtliche Einlegungsakte erledigen sollte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Sozietät W sich lediglich selbst aus dem Verfahren zurückziehen wollte (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1986, 683 m. w. N.). Dafür spricht der begründete Hinweis darauf, daß eine Auftragserteilung durch den Kläger nicht vorlag.
Fundstellen