Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der Gründe für Terminsaufhebung; Vorsorge für Terminswahrnehmung bei längerer Erkrankung
Leitsatz (NV)
1. Wer die Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt, muss das FG in die Lage versetzen, sich ein eigenes Urteil über das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes zu bilden, z.B. durch Vorlage eines ärztlichen Attestes über eine Erkrankung.
2. Bei einer seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung muss ein Beteiligter nach Möglichkeit Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung treffen.
Normenkette
ZPO § 227
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.11.2007; Aktenzeichen 4 K 1824/04) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die alleinige befreite Vorerbin ihres im November 2000 verstorbenen Lebensgefährten. Der Beklagte und Bechwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte in dem während des Einspruchsverfahrens erlassenen Abhilfebescheid vom 24. September 2003 in vollem Umfang den Angaben der Klägerin, die diese in der nachgereichten Erbschaftsteuererklärung gemacht hatte. Den gegen den Abhilfebescheid eingelegten Einspruch begründete die Klägerin nicht; er blieb erfolglos.
Zur Begründung der Klage gab der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin verschiedene Positionen an, die den Erwerb der Klägerin gemindert hätten. Das Finanzgericht (FG) setzte der Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 2007 gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist bis zum 4. Juli 2007 für die Beibringung von Nachweisen für die in der Klagebegründung aufgestellten, im Einzelnen nochmals angeführten Behauptungen und wies auf die Folgen einer Versäumung der Frist hin. Diese Verfügung wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten mit Postzustellungsurkunde zugestellt; sie blieb unbeantwortet.
Nachdem das FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24. August 2007 bestimmt hatte, teilte der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 16. August 2007 mit, er habe das Mandat vor einigen Monaten niedergelegt, und bat, von der anberaumten mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen. Die Klägerin persönlich stellte einen entsprechenden Antrag. Das FG bestimmte daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20. September 2007. Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 15. September 2007, auch diesen Termin abzusetzen und das Verfahren vorläufig zum Ruhen zu bringen bzw. zu unterbrechen oder auszusetzen. Ihr früherer Prozessbevollmächtigter habe sie weder über den Fortgang des Verfahrens noch über die Niederlegung des Mandats unterrichtet und ihr auch noch keine verfahrensrelevanten Unterlagen ausgehändigt. Sie wolle das Klagebegehren noch ausweiten bzw. die Klageforderung noch substantiierter vorbereiten und vortragen und einen neuen Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen. Zudem sehe sie sich nicht unerheblichen gesundheitlichen Einschränkungen unterworfen.
Der Senatsvorsitzende des FG verlegte daraufhin durch Schreiben/Ladung vom 19. September 2007 den Termin auf den 13. November 2007, 9.00 Uhr, und begründete die Ablehnung des Antrags, das Verfahren vorläufig nicht weiter zu verfolgen. Er wies darauf hin, dass das FG an dem jetzt anberaumten Termin auch tatsächlich verhandeln und weitere Verzögerungen nicht hinnehmen wolle. Die Terminsänderung wurde der Klägerin am 22. September 2007 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Nach einer bei den Akten befindlichen und vom FG im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Telefonnotiz rief die Klägerin den Berichterstatter des FG am Nachmittag des 12. November 2007 an und bat um neuerliche Terminsverlegung, da sie vom ehemaligen Berater keine Unterlagen erhalten habe. Der Berichterstatter wies sie darauf hin, dass sie mit einer positiven Entscheidung über diesen Antrag nur rechnen könne, wenn sie die Hinderungsgründe im Einzelnen darlege und glaubhaft mache. Die Klägerin müsse insbesondere ihre Bemühungen um Herausgabe der Unterlagen näher dartun und glaubhaft machen, um dem Vorwurf der Prozessverschleppung zu begegnen. Die Klägerin erklärte daraufhin nach der Telefonnotiz, mit dem Taxi zum ehemaligen Berater fahren zu müssen, um so zu versuchen, die Unterlagen zu erhalten.
Mit einem am 12. November 2007 kurz nach 21.00 Uhr beim FG eingegangenen Fax beantragte die Klägerin, den auf den 13. November 2007 bestimmten Termin aufzuheben. Sie verwies dazu auf seit längerer Zeit bestehende gesundheitliche Einschränkungen, die ihr die Wahrnehmung des Termins unmöglich machten. Zudem habe sie von ihrem früheren Bevollmächtigten keine Informationen oder Unterlagen erhalten.
Das FG lehnte im Verhandlungstermin, zu dem die Klägerin nicht erschienen war, den Vertagungsantrag ab und wies die Klage ab. Es führte im Urteil aus, dem Vertagungsantrag vom 12. November 2007 habe nicht stattgegeben werden müssen. Die vorgebrachten Gründe seien weder erheblich noch glaubhaft gemacht. Die Klage sei unbegründet. Soweit in der Klagebegründung dem Grunde nach Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht worden seien --was nur zum Teil zutreffe--, fehle es am erforderlichen Nachweis.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision geltend, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es den Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. November 2007 zu Unrecht nicht aufgehoben habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
1. Lehnt das FG den Antrag eines Beteiligten auf Aufhebung des Termins zur Durchführung der mündlichen Verhandlung ab, obwohl dieser einen erheblichen Aufhebungsgrund i.S. von § 227 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO dargelegt und gegebenenfalls auch glaubhaft gemacht hat, verletzt das FG den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 2 FGO. Es liegt dann ein zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führender Verfahrensmangel vor (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Februar 2007 III B 105/06, BFH/NV 2007, 1163; vom 27. April 2007 IX B 236/06, BFH/NV 2007, 1522, und vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397). In einem derartigen Fall bedarf es nicht der Darlegung, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung des FG hätte beeinflussen können (BFH-Beschlüsse vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802, und in BFH/NV 2008, 397).
Ob erhebliche Gründe für eine Terminsaufhebung vorliegen, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalls ab (BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2001 IX B 75/01, BFH/NV 2002, 662, m.w.N., und vom 1. Februar 2007 III B 165/05, BFH/NV 2007, 954).
Ob im Einzelfall eine Terminsaufhebung geboten ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Aufhebung beantragt (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 71/01, BFH/NV 2003, 178, m.w.N.); das gilt jedenfalls dann, wenn der Antrag --wie hier-- erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird. Fehlt es daran, so darf das FG den Aufhebungsantrag regelmäßig ablehnen (BFH-Beschluss vom 16. Januar 2008 VIII B 209/06, BFH/NV 2008, 1165).
2. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 12. November 2007 geltend gemachten Gründe mussten das FG nicht zu einer Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung veranlassen.
a) Die Klägerin hat in dem Schreiben weder hinreichend substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass ihr eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aus Krankheitsgründen nicht möglich sei. Sie hat kein diesbezügliches ärztliches Attest vorgelegt. Zur Vorlage einer solchen Bescheinigung hätte sie sich veranlasst sehen müssen, da sie den Aufhebungsantrag erst ganz kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2007 VI B 132/06, BFH/NV 2007, 1701) und zudem bei ihrem Anruf vom 12. November 2007 vom Berichterstatter des FG auf die Erforderlichkeit einer Glaubhaftmachung von Hinderungsgründen hingewiesen worden war. Ein ärztliches Attest hätte sie bei Vorliegen einer entsprechend schweren Erkrankung ohne weiteres beschaffen können, da es sich nach ihren Angaben nicht um eine plötzlich aufgetretene, akute Krankheit handelte.
Darüber hinaus muss ein Beteiligter bei einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung treffen (BFH-Urteil vom 7. Februar 1995 VIII R 48/92, BFH/NV 1996, 43; BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 1974 IV B 55/73 u.a., BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637; vom 10. Oktober 2001 IX B 157/00, BFH/NV 2002, 365, und vom 28. August 2007 VII S 3/07 (PKH), BFH/NV 2008, 224).
Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls inwiefern sie sich um die Bestellung eines Bevollmächtigten zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 13. November 2007 bemüht habe und aus welchen Gründen diese Bemühungen gescheitert seien bzw. dass und gegebenenfalls aus welchen Gründen ihr solche Bemühungen nicht möglich gewesen seien. Mit Schreiben vom 15. September 2007 hatte sie angekündigt, einen anderen Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen.
b) Kein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung ist nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt. Eine solche Entschuldigung enthält das Schreiben der Klägerin vom 12. November 2007 nicht. Der Eintritt des Erbfalls lag bei der mündlichen Verhandlung bereits rund sieben Jahre zurück, der Erlass des ihrer Erklärung entsprechenden Abhilfebescheids vom 24. September 2003 mehr als vier Jahre. Die Klägerin hatte also genügend Zeit, das Bestehen von in der Erbschaftsteuererklärung nicht angegebenen Nachlassverbindlichkeiten oder von sonstigen den Erwerb mindernden Umständen zu prüfen und diese unter Vorlage entsprechender Nachweise gegenüber dem FA oder dem FG geltend zu machen. Die Nichtbeachtung der vom FG gemäß § 79b Abs. 2 FGO gesetzten Frist ist dabei zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen. Ob die Frist wegen des Verhaltens der Klägerin, etwa weil sie dem Prozessbevollmächtigten die zum Nachweis erforderlichen Unterlagen nicht übergeben hatte, oder aufgrund eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten versäumt wurde, spielt dabei keine Rolle. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht nämlich nach § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO dem Verschulden der Klägerin gleich. § 85 Abs. 2 ZPO ist im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar (BFH-Beschlüsse vom 1. Oktober 2007 XI B 115/06, BFH/NV 2008, 89, und vom 29. Januar 2008 IX B 251/06, BFH/NV 2008, 755, ständige Rechtsprechung).
c) Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 12. November 2007 auch nicht substantiiert dargelegt, was sie unternommen habe, um zur Prozessführung erforderliche Unterlagen von ihrem früheren Prozessbevollmächtigten zu erhalten, um welche Unterlagen es sich dabei im Einzelnen handle und wie der Bevollmächtigte in deren Besitz gelangt sei.
d) Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe können bei der Prüfung, ob das FG den Termin zur mündlichen Verhandlung aufheben musste, nur berücksichtigt werden, soweit sie dem FG bei der Entscheidung über den Aufhebungsantrag bekannt waren.
Fundstellen
Haufe-Index 2038071 |
BFH/NV 2008, 1871 |