Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung
Leitsatz (NV)
Wird die klar und eindeutig vereinbarte Gewinntantieme eines sog. beherrschenden Gesellschafters nicht bereits mit Fälligkeit ausbezahlt, so führt dies nicht notwendigerweise zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Entscheidend ist, ob unter Würdigung aller Umstände die verspätete Auszahlung Ausdruck mangelnder Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung ist.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine GmbH, deren Alleingesellschafter in den Streitjahren 1987 bis 1990 X war. X und dessen Ehefrau Y waren aufgrund von Anstellungsverträgen bei der Antragstellerin als Geschäftsführer bzw. Prokuristin beschäftigt. Aufgrund schriftlicher Vereinbarungen standen X und Y neben jeweils einem Festgehalt Gewinntantiemen zu. Während die Festgehälter monatlich ausbezahlt wurden, wurden die Gewinntantiemen in den Streitjahren wie folgt bezahlt:
Tantiemen- Tantiemen-
anspruch X anspruch Y
1987 39650 DM 39650 DM
1988 257250 DM 50000 DM
1989 633185 DM 50000 DM
Genehmigung
des Jahres-
abschlusses Auszahlung X AuszahlungY
13.9. 88 9/89 1/89
4.10. 89 2/90 2/90
28.6. 90 5/91 5/91
Die Liquiditätslage der Antragstellerin hätte eine Auszahlung nach Genehmigung der Jahresabschlüsse erlaubt. Die Gewinntantiemen wurden in den Jahresabschlüssen 1988 und 1989 in voller Höhe, im Jahresabschluß 1987 allerdings nur in Höhe von 36000 DM zurückgestellt. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) behandelte die Gewinntantiemen mangels tatsächlicher Durchführung der Tantiemevereinbarungen als verdeckte Gewinnausschüttungen. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Dem vom FA abgelehnten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das Finanzgericht (FG) - unter Zulassung der Beschwerde - statt.
Das FA hat Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das FG einen Steuerbescheid von der Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen dann, wenn gewichtige Umstände Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99).
1. Wenn das FG im Streitfall die Frage, ob jede zeitliche Verzögerung bei Auszahlung von Gewinntantiemen zu verdeckten Gewinnausschüttungen führt, verneint und für das summarische Verfahren davon ausgeht, daß eine bis zu einem Jahr verzögerte Auszahlung nicht zwingend auf eine verdeckte Gewinnausschüttung schließen läßt, so ist dies nicht zu beanstanden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung u.a. vor, wenn eine Kapitalgesellschaft zu Lasten ihres Gewinns an einen beherrschenden Gesellschafter etwas leistet, ohne daß eine klare und eindeutige, im voraus getroffene schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Gesellschafter vorliegt, die eine entsprechende Leistungspflicht begründet. Liegt eine solche Vereinbarung vor, so muß sie tatsächlich durchgeführt werden, um die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung erkennen zu lassen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Oktober 1987 I R 110/83, BFHE 152, 74, BStBl II 1988, 301; vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585). Ein fehlender Vertragsvollzug kann unschädlich sein, wenn ihm betriebliche Gründe entgegenstehen. In diesem Fall müssen jedoch alle sonstigen Folgerungen aus dem Vertrag gezogen werden. So müssen insbesondere die entsprechenden Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter passiviert werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234).
Die Tatsache allein, daß die Tantieme nicht am Fälligkeitstag, d.h. mit dem Tag der Feststellung des Jahresabschlusses (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 13. Aufl., Anhang § 6 Rdnr. 32) ausbezahlt wird, führt noch nicht dazu, daß der Tantiemevereinbarung mangels tatsächlicher Durchführung die steuerliche Anerkennung grundsätzlich zu versagen ist. Im Prinzip ist ein Vertrag durchgeführt, wenn die Vertragsbeteiligten ihre Verpflichtungen erfüllen. Wird ein Vertrag in einem Detailpunkt, wie der Beachtung der Fälligkeit, nicht vollzogen, so führt dies nicht ohne weiteres zur Verweigerung der Anerkennung des gesamten Vertrags (vgl. ähnlich zur fehlenden Regelung in einem Detailpunkt BFH in BFHE 152, 74, BStBl II 1988, 301). Ungewöhnliche Verzögerungen bei der Auszahlung können aber den Schluß zulassen, daß das Vereinbarte nicht ernsthaft gelten soll. Dementsprechend hat der Senat im Urteil in BFHE 152, 74, BStBl II 1988, 301 entschieden, daß bei fehlender tatsächlicher Durchführung eine verdeckte Gewinnausschüttung nur dann zu bejahen ist, wenn diese - was die Regel sein wird - darauf schließen läßt, daß die Vereinbarung lediglich die Unentgeltlichkeit der Leistung der Gesellschafter decken soll (vgl. auch Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Anhang zu § 8 Rdnr. 40) In Ausfüllung dieses Grundsatzes hat der Senat monatlich geschuldete Honorare, die zwar zurückgestellt, aber sechs Jahre lang nicht ausbezahlt wurden, als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt, weil es an der Ernsthaftigkeit der getroffenen Honorarvereinbarung fehlte (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786). Da laufendes Gehalt grundsätzlich monatlich zu zahlen ist, hat der Senat ferner im Urteil vom 20. Juli 1988 I R 136/84 (BFH/NV 1990, 64) die einmalige Bildung einer Rückstellung für laufendes Gehalt im Rahmen der Bilanzerstellung mangels vertragsgemäßen Vollzugs als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt. Die Überlegungen der zuletzt genannten Entscheidung können schon deswegen nicht ohne weiteres auf die neben dem tatsächlich gezahlten laufenden Gehalt einmalig zu zahlende Gewinntantieme übertragen werden, weil diese grundsätzlich erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses für das abgeschlossene Geschäftsjahr fällig wird. Wird ein monatlich zu zahlendes Gehalt nicht bezahlt, sondern entnimmt der Gesellschafter für seinen Lebensunterhalt der Kapitalgesellschaft laufend Mittel, so liegt es nahe, die Gehaltsvereinbarung als nicht ernsthaft gemeint anzusehen. Läßt der Gesellschafter sich vorübergehend aus betrieblichen oder privaten Gründen eine Gewinntantieme nicht auszahlen, so ist für die Frage der Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung entscheidend die Dauer der Nichtgeltendmachung des Zahlungsanspruchs. So wird ein geringfügiges Überschreiten des Fälligkeitsdatums nicht zwangsläufig die mangelnde Ernsthaftigkeit indizieren. Die Frage, ob aus einer Verzögerung der Auszahlung um 4, 11 oder 12 Monate auf eine gewollte Unverbindlichkeit der Tantiemezusage zu schließen ist, ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu klären, zumal im Schrifttum die Entscheidung des Senats in BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786 Kritik erfahren hat (vgl. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 8 Anm. 137 m.w.N.).
Das FA kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf die zu Ehegatten-Anstellungsverträgen ergangene Entscheidung des Senats vom 11. Oktober 1989 I R 161/85 (BFH/NV 1990, 364) berufen. Zum einen werden die Grundsätze zu den Ehegatten-Verträgen, insbesondere zum Fremdvergleich, nicht uneingeschränkt auf das Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrem beherrschenden Gesellschafter angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 22/84, BFH/NV 1989, 131 m.w.N.). Zum anderen betraf die bezeichnete Entscheidung einen Fall, in dem die Tantiemen erst im dritten Jahr nach Ablauf des Gewinnjahres ausbezahlt wurden.
2. Der Senat sieht auch keinen Anlaß, aus anderen Gründen eine Aussetzung der Vollziehung zu versagen. Zwar könnte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, daß die angefochtenen Bescheide auch aus anderen Gründen zumindest teilweise rechtmäßig sind. Insoweit können aber mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit ausgeschlossen werden, zumal auch das FA selbst keine weiteren, für die Rechtmäßigkeit der Bescheide sprechenden Gesichtspunkte im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung vorgetragen hat.
a) Nach Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Antragstellerin für das Streitjahr 1987 die Gewinntantiemen für Y und X nicht in voller Höhe zurückgestellt hat (vgl. Protokoll über die Schlußbesprechung vom 10. Juli 1991). Die fehlende Passivierung ist - wie dargestellt - grundsätzlich Ausruck mangelnder Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung. Es wird aber noch in tatsächlicher Hinsicht zu klären sein, aus welchen Gründen die Tantieme nur teilweise zurückgestellt wurde und ob die Rückstellung für Y und X gekürzte Tantiemen oder eine Tantieme für X oder Y voll erfaßt. Sollte die Rückstellung die Tantieme für X oder Y erfassen, so wären möglicherweise für einen der beiden die notwendigen bilanzrechtlichen Folgen aus der Tantiemevereinbarung gezogen worden. Sollten der Rückstellung jeweils gekürzte Tantiemen für X und Y zugrunde gelegt worden sein, werden Bedenken an der Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung jedenfalls für 1987 bestehen. Dabei wird zu würdigen sein, daß die Antragstellerin im Geschäftsjahr 1987 einen relativ niedrigen Gewinn erwirtschaftet hat und daher der Eindruck entstehen kann, daß die Gewinntantieme nur bezahlt werden soll, wenn dies der Antragstellerin angebracht erscheint. Dafür spricht ferner, daß mit Ansteigen des Gewinns 1988 die Rückstellung für die Tantieme 1987 nachträglich aufgestockt wurde.
b) Zu klären sein wird auch, ob die Gehaltsausstattung für X insbesondere im Jahre 1989 noch als angemessen angesehen werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein unangemessen hohes Gehalt in Höhe der Unangemessenheit eine verdeckte Gewinnausschüttung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Im allgemeinen muß eine Gesamtausstattung von 905739 DM (vgl. Protokoll über die Schlußbesprechung am 10. Juli 1991) als hoch angesehen werden. Ob im Streitfall die Antragstellerin einem nicht gesellschaftsrechtlich verbundenen Geschäftsführer ein ebenso hohes Gehalt unter Berücksichtigung der weiteren Zusatzleistungen (Versorgungzusage, Gestellung eines PKW) gewährt hätte, bedarf noch weiterer Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht. Da eine Gehaltsausstattung in der im Streitfall gezahlten Höhe aber nicht in jedem Fall unangemessen sein muß, kann auf die Höhe des Gehalts die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung für 1989 nicht gestützt werden, zumal die Antragstellerin, wohl aufgrund der Tätigkeit ihrer Geschäftsführung, in den Jahren 1988 bis 1990 trotz der Gewinntantiemen einen bemerkenswerten Anstieg des Jahresüberschusses zu verzeichnen hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 419349 |
BFH/NV 1994, 345 |
GmbHR 1994, 416 |