Leitsatz (amtlich)
1. Ergeben sich bei der Prüfung des Vorsteuerabzugsanspruchs des Wohnungseigentümers keine wirtschaftlich oder sonst beachtlichen Gründe für die Einschaltung des Zwischenmieters, so obliegt es dem Steuerpflichtigen, beachtliche Gründe darzulegen. Erweisen sich die geltend gemachten Gründe nicht als bedeutsam, so gereicht ihm dies nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast zum Nachteil (Anschluß an den BFH-Beschluß vom 4.August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
2. Die Vermeidung von Arbeitsbelastung rechtfertigt die Einschaltung eines Zwischenmieters nur, wenn bei vernünftiger Beurteilung der Verhältnisse ernsthaft mit Belastungen durch die Verwaltung der Mietsache zu rechnen ist, die bei Anlegung im Wirtschaftsleben üblicher Maßstäbe sinnvollerweise durch Überlassung der Mietsache an eine Mittelsperson als Mieter und nicht durch die Beauftragung einer fachkundigen Person abgewälzt werden.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung: BFH, 29.10.1987, V B 110/86, NV.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nrn. 12a, 12 Buchst. a, §§ 9, 15 Abs. 1; AO 1977 § 42; UStG 1980 § 15 Abs. 2; AO 1977 § 88; UStG 1980 § 15 Abs. 3; AO 1977 §§ 89-90; FGO § 76 Abs. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Eigentümer einer durch eine sog. Bauherrengemeinschaft errichteten Eigentumswohnung, die am 15.Oktober 1980 bezugsfertig geworden ist. Mit Wirkung ab 1.November 1980 vermietete er diese Wohnung bis zum 31.Dezember 1985 an die I-GmbH zum Zwecke der Weitervermietung.
Der Antragsteller machte mit der Umsatzsteuererklärung für 1980 Vorsteuerbeträge in Höhe von 11 465,02 DM geltend, die anläßlich der Errichtung der Eigentumswohnung angefallen waren. Durch Umsatzsteuerbescheid 1980 vom 5.Dezember 1984 setzte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) auf ./. 11 466 DM fest.
Aufgrund einer bei der I-GmbH durchgeführten Umsatzsteuerprüfung erließ das FA am 11.Dezember 1984 gemäß § 164 Abs.2 AO 1977 einen geänderten Bescheid, in dem es die Umsatzsteuer 1980 auf null DM festsetzte. Es vertrat die Auffassung, daß das dem Vorsteuerabzug zugrunde liegende Zwischenmietverhältnis nicht anerkannt werden könne, weil das Mietausfallrisiko wegen der wirtschaftlichen Lage der I-GmbH beim Antragsteller verblieben sei.
Der Einspruch gegen den Änderungsbescheid und der Antrag, die Vollziehung des Änderungsbescheids auszusetzen, blieben erfolglos.
Über die gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid vom 11.Dezember 1984 erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Dem Antrag des Antragstellers, die Vollziehung des Umsatzsteueränderungsbescheides 1980 vom 11.Dezember 1984 in Höhe von 11 466 DM auszusetzen, hat das FG durch Beschluß vom 7.Oktober 1986 entsprochen. Es vertrat die Auffassung, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die I-GmbH nicht in der Lage gewesen sei, das Mietausfallrisiko zu übernehmen; insbesondere könne die mangelnde Bonität der I-GmbH nicht damit begründet werden, daß sie lediglich mit einem Stammkapital von 30 000 DM ausgestattet gewesen sei.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des FA. Es beantragt, den Beschluß des FG vom 7.Oktober 1986 aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung des Antrags, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1980 vom 11.Dezember 1984 auszusetzen.
Entgegen der Auffassung des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs.2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) daran, daß der Antragsteller die anläßlich der Errichtung der Eigentumswohnung angefallene Umsatzsteuer nicht nach § 15 Abs.1 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) als Vorsteuer abziehen kann. Dem Begehren des Antragstellers steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der Wohnung durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist (§ 15 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980). Die im Verfahren nach § 69 Abs.3 i.V.m. Abs.2 FGO erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Rechts- und Tatfragen ergibt keine ernstlichen Zweifel, daß die Einschaltung der I-GmbH als Zwischenmieter rechtsmißbräuchlich war, so daß nicht die Vermietung an die I-GmbH, sondern die Vermietung an den Endmieter für die steuerliche Beurteilung der Vermietungsumsätze des Antragstellers maßgebend ist. Der Senat kann es deshalb dahinstehen lassen, ob die Voraussetzungen, unter denen nach § 15 Abs.1 UStG 1980 der Vorsteuerabzug zu gewähren ist, vorliegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteile vom 15.Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388; vom 17.Mai 1984 V R 118/82, BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678, und vom 29.November 1984 V R 38/78, BFHE 142, 519, BStBl II 1985, 269) erfüllt die Einschaltung von sog. Zwischenmietern, d.h. von Personen, die das Mietverhältnis nur eingehen, um die gemieteten Wohnräume an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. des § 42 AO 1977, wenn für die Einschaltung --abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung-- wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 4.August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
Ergibt sich bei der den Finanzbehörden und den FG obliegenden Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 AO 1977, § 76 Abs.1 Satz 1 FGO) aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere aus dem Vertragswerk, kein Anhaltspunkt dafür, daß derartige Gründe gegeben sind, so obliegt es dem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977, § 76 Abs.1 Satz 2 FGO), beachtliche Gründe substantiiert darzulegen. Sind beachtliche Gründe nicht feststellbar oder erweisen sich die geltend gemachten Gründe der vom FA bzw. von dem FG nach §§ 88, 89 AO 1977, § 76 FGO vorzunehmenden Prüfung als nicht bedeutsam, so gereicht dies dem Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (Feststellungslast - vgl. BFH-Urteil vom 25.Mai 1976 IV R 226-227/71, BFHE 119, 161, BStBl II 1976, 561) zum Nachteil.
In dem an das FG gerichteten Schriftsatz vom 4.September 1986 sind folgende Gründe für die Einschaltung der I-GmbH vorgetragen worden:
a) Durch die Vermietung an die I-GmbH habe der Antragsteller seine Wohnung auf Dauer an ein und denselben Mieter vermieten können und sei dadurch von möglichem Ärger bei der Vermietung an Privatpersonen verschont geblieben;
b) die Vermietung an die I-GmbH zu einem festgelegten Mietzins habe darüber hinaus dem Antragsteller einen festen Mietertrag gesichert;
c) durch die Vermietung an den Zwischenmieter habe der Antragsteller die Regelungen des Mieterschutzes umgehen können, denen er bei der direkten Vermietung an Endmieter unterworfen gewesen wäre;
d) die gesamte laufende Verwaltung, Abnahme und Zuweisung der Wohnung bei Mieterwechsel habe dem Zwischenmieter aufgebürdet werden können;
e) der Zwischenmieter habe das Mietinkasso zu besorgen gehabt;
f) allgemeine rechtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Mietsache hätten den Zwischenmieter betroffen, so daß der Antragsteller weder Prozeß- und Kostenrisiko noch damit verbundenen Ärger zu tragen hatte;
g) die Unterhaltungs- und Reparaturkosten sowie die damit zusammenhängenden Streitigkeiten seien weitgehend auf den Zwischenmieter abgewälzt worden;
h) die Vermietung an die I-GmbH habe darüber hinaus den Vorteil geboten, daß sowohl der Antragsteller als auch die Endmieter es mit einer anonymen Kapitalgesellschaft als Mietvertragspartei zu tun hatten und dadurch der mit der Vermietung von Wohnraum durch Private an Private häufig verbundene Ärger auf ein Minimum reduziert wurde.
Hierzu nimmt der Senat wie folgt Stellung:
Der Sicherung des Mietertrages (Überwälzung des Mietausfallrisikos, oben zu b) kommt keine entscheidende Bedeutung zu, weil vom Antragsteller nicht dargetan ist, daß er ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko hat rechnen müssen. Der Senat hat bereits im Urteil vom 15.Dezember 1983 V R 112/76 (BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398, zu Ziff.3 der Gründe) hierzu ausgeführt, daß Gründe vorliegen müssen, die bei vernünftiger Vorausschau einen Mietausfall erwarten lassen. Auf die vom FA gestellte Frage, ob die I-GmbH wegen ihres relativ geringen Haftkapitals wirtschaftlich in der Lage gewesen sei, den Antragsteller vor einem Mietausfall zu sichern, kommt es daher nicht an.
Bei den zu a), d) bis h) angegebenen Gründen handelt es sich im wesentlichen um Maßnahmen der Verwaltung der Mietsache. Die damit verbundene Arbeitsbelastung rechtfertigt jedoch nicht die Einschaltung der I-GmbH als Zwischenmieter. Hierzu wäre erforderlich, daß bei vernünftiger Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ernsthaft mit Belastungen durch die Verwaltung der Mietsache infolge des Abschlusses eines Mietvertrages mit einem Endmieter zu rechnen sein muß, die der Eigentümer bei Anlegung normaler, d.h. im Wirtschaftsleben üblicher Maßstäbe, sinnvollerweise durch Überlassung der Mietsache an eine Mittelsperson als Mieter und nicht durch Beauftragung einer fachkundigen Person allgemein oder im Einzelfall von sich abwälzt (vgl. Urteile in BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388 --Erreichung des wirtschaftlichen Ziels bei vernünftiger Gestaltung durch Abschluß eines Hausverwaltervertrages mit einem selbständigen Geschäftsbesorger-- und in BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398).
Verhandlungen mit den Mietern, Verwaltung, Abnahme und Zuweisung der Wohnung bei Mieterwechsel, Mietinkasso, Behandlung rechtlicher Auseinandersetzungen sind Aufgaben, die üblicherweise durch Hausverwalter übernommen werden. Sie werden, gemessen an dem Wesen eines Mietvertrages --Überlassung der vermieteten Sache zum Gebrauch (§ 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches)-- nicht durch den Abschluß eines Mietvertrages, sondern durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag auf Dritte übertragen. Das gilt auch für die Führung von Prozessen; die --im übrigen auch unsubstantiierte-- Behauptung des Antragstellers, daß mit rechtlichen Auseinandersetzungen im Rahmen der Vermietung an die Endmieter zu rechnen gewesen sei und daß das Prozeß- und Kostenrisiko in derartigen Fällen den Zwischenmieter getroffen hätte, ändert daran nichts.
Die Sicherung eines längerfristigen Mietvertrages mit nur einem Mieter sowie die Überwälzung der Unterhaltungs- und Reparaturkosten ist abhängig von der Ausgestaltung des Mietvertrages, nicht von der Einschaltung eines Zwischenmieters. Auch die vom Antragsteller als Möglichkeit behauptete Umgehung des Mieterschutzes rechtfertigt die Einschaltung des Zwischenmieters nicht; hierzu verweist der Senat auf seinen Beschluß in BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756.
Fundstellen
BStBl II 1988, 96 |
BFHE 151, 247 |
WPg 1988, 175-175 |