Entscheidungsstichwort (Thema)
Behauptung einer betrieblich veranlassten Darlehenshingabe
Leitsatz (NV)
- Die schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung setzt u.a. voraus, dass der Schriftsatz oder das Sitzungsprotokoll, in dem der Beweisantrag gestellt wurde, nach Datum und Seitenzahl angegeben wird.
- Wird gerügt, ein Antrag auf Schriftsatzfrist sei nicht protokolliert worden und das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei unvollständig, so ist u.a. darzulegen, dass das Gericht die Aufnahme bestimmter Äußerungen und Anträge in das Protokoll abgelehnt hat und dass von der Möglichkeit, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen, Gebrauch gemacht wurde.
Normenkette
FGO §§ 76, 94, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 22 Nr. 3
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 29.08.2001; Aktenzeichen 2 K 2111/99) |
Tatbestand
I. In ihren Einkommensteuererklärungen für 1991 und 1992 erklärten die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Einnahmen aus Kapitalvermögen in geringfügiger Höhe. Anfang 1993 erstattete der Kläger Anzeige gegen einen Herrn C wegen des Verdachts des Betrugs. Er habe diesem am 1. Februar 1991 einen Betrag von 108 000 DM in bar als Darlehen übergeben, das am 1. April 1991 auf 120 000 DM aufgestockt worden sei und für das eine Verzinsung von 1 000 DM monatlich vereinbart worden sei. Auf der Basis diverser Ermittlungen und Feststellungen der Bußgeld- und Strafsachenstelle führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) eine Vermögenszuwachsrechnung für die Streitjahre durch. Er errechnete u.a. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht erklärte Zinsen in Höhe von 10 800 DM für 1991 und 5 375 DM für 1992 und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide.
Die Klage hatte insoweit keinen Erfolg. Nach Überzeugung des Gerichts handele es sich um Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht um Tilgungsleistungen. Ein etwaiger Verlust des gewährten Darlehens sei nicht als Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG abziehbar.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger, das Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO in der Begründung darzulegen. Diesen gesetzlichen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
1. Zur schlüssigen Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―, § 96 Abs. 2 FGO) gehört, dass substantiiert dargelegt wird, wozu sich die Beteiligten nicht haben äußern können und was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätten. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Überlegung, dass derjenige, der nichts hätte vortragen können, sich nicht auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen kann. Darüber hinaus muss dargelegt werden, dass bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre und inwieweit der Kläger alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich das rechtliche Gehör vor dem Finanzgericht (FG) zu verschaffen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610, 611, m.w.N.; BFH-Urteil vom 25. Februar 1999 IV R 48/98, BFHE 188, 273, BStBl II 1999, 531).
Die Kläger tragen insoweit vor, das Urteil sei vorgefasst und nehme die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung auch nicht ansatzweise in Bezug; dies setze sich auch in der Abfassung des Protokolls fort, in dem die ausdrücklich erklärten Anträge nicht einmal berücksichtigt worden seien. Der in den Streitjahren als Lehrer für Mathematik und Informatik beschäftigte Kläger habe die Chancen gesehen, sich aus der von Schülern vermittelten Bekanntschaft mit dem Darlehensnehmer, der in der EDV- und Softwarebranche tätig gewesen sei, ein zweites Standbein durch eine freiberufliche Tätigkeit aufzubauen. Das Darlehen sei deshalb als betrieblich anzusehen und der Verlust als Betriebsausgabe zu berücksichtigen bzw. mit den vom FG angenommenen Zinseinnahmen zu verrechnen. Eine Inanspruchnahme des Schuldners sei seit 1994 unmöglich gewesen, die Vollabschreibung habe daher vorgenommen werden können. Der Prozessvertreter habe in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, eine Erklärungsfrist zu erhalten, um die Frage der erstmals in der mündlichen Verhandlung erörterten betrieblichen Einordnung des Darlehens in die freiberufliche Tätigkeit des Klägers darzutun.
Aus dieser Einlassung ist nicht zu entnehmen, dass das Urteil auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen könnte. Selbst wenn die Darlehenshingabe betrieblich veranlasst gewesen sein sollte ―was nicht ersichtlich ist―, wäre eine Abschreibung nicht in den Streitjahren 1991 oder 1992 veranlasst gewesen, da nach den Angaben des Klägers "eine Inanspruchnahme des betroffenen C seit 1994 unmöglich" war. Dass und ggf. in welcher Höhe bereits in 1991 oder 1992 eine Abschreibung vorzunehmen gewesen wäre, ist nicht dargetan.
Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, inwieweit der in der Beschwerde dargestellte Sachverhalt bereits in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde und das FG dem nur nicht gefolgt ist oder ob es sich um neuen Sachvortrag des Klägers handelt, den der Kläger noch innerhalb der von ihm ―angeblich― beantragten Schriftsatzfrist hätte mitteilen wollen. Insoweit hätte der Kläger zudem dartun müssen, warum er einen solchen Schriftsatz nicht erstellt hat, wenn er behauptet, einen solchen beantragt zu haben.
2. Ferner rügen die Kläger sinngemäß unzureichende Sachaufklärung des FG (§ 76 FGO). Tatsächlich handele es sich bei den quittierten Zahlungen des Herrn C um Tilgungsleistungen und nicht um Zinsen. Der Kläger habe sich insoweit geirrt oder aber der Schuldner sei an der Deklarierung als absetzbare Zinsausgaben interessiert gewesen. Als Zinsen seien die Beträge für die seinerzeitige Hochzinsphase unzureichend.
Auch diese Einlassung, mit der sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Sachverhaltswürdigung des FG wendet, bezeichnet keinen Verfahrensfehler. Die schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung, obgleich Beweis angetreten wurde, setzt u.a. voraus, dass der Schriftsatz oder das Sitzungsprotokoll, in dem der Beweisantrag gestellt wurde, nach Datum und Seitenzahl angegeben wird (BFH-Beschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Bereits hieran fehlt es vorliegend.
3. Soweit der Kläger rügt, sein Antrag auf Schriftsatzfrist sei nicht protokolliert worden und das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei unvollständig, genügt dies zur Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht. Der Kläger hätte insoweit im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde u.a. vortragen müssen, dass das Gericht die Aufnahme bestimmter Äußerungen und Anträge in das Protokoll abgelehnt habe (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 der Zivilprozessordnung) und sein Prozessbevollmächtigter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. November 1997 V B 107/97, BFH/NV 1998, 859; vom 27. März 2000 III B 67/99, BFH/NV 2000, 1091; vom 16. Oktober 2000 VI B 168/00, BFH/NV 2001, 464).
Fundstellen
Haufe-Index 1083288 |
BFH/NV 2004, 212 |