Entscheidungsstichwort (Thema)
Generelle Unstatthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde seit In-Kraft-Treten des Anhörungsrügengesetzes
Leitsatz (amtlich)
Eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit ist im Finanzgerichtsprozess seit In-Kraft-Treten des § 133a FGO zum 1. Januar 2005 generell nicht mehr statthaft.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 1, 4, § 133a
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.08.2005; Aktenzeichen 17 V 2000/05 A (E,EZ)) |
Tatbestand
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatten gegen den nach einer Außenprüfung geänderten Einkommensteuerbescheid für 1996 in Höhe der Abschlusszahlung sowie gegen den die Festsetzung einer Eigenheimzulage für den Zeitraum 1996 bis 2003 aufhebenden Bescheid Einspruch eingelegt und gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hatte AdV jedoch nur gegen Sicherheitsleistung gewährt. Daraufhin beantragten die Antragsteller beim Finanzgericht (FG), die AdV ohne Sicherheitsleistung zu gewähren. Nachdem das FA antragsgemäß ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt hat und die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, auferlegte das FG den Antragstellern gemäß § 137 Satz 1 i.V.m. § 138 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Aussetzungsverfahrens.
Der gegen diesen Beschluss eingelegten außerordentlichen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.
Die Antragsteller beantragen, den angefochtenen Beschluss des FG aufzuheben, hilfsweise den angefochtenen Beschluss aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 128 Abs. 4, § 132 FGO).
1. Nach § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO ist in Streitigkeiten über Kosten die ―ordentliche― Beschwerde nicht gegeben. Damit sind isolierte Kostenentscheidungen wie in Beschlüssen über die Kostentragung nach Erledigung der Hauptsache (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. Januar 2002 VI B 174/01, BFH/NV 2002, 936; vom 18. Oktober 1999 VII B 189/99, BFH/NV 2000, 463; vom 6. Juli 1999 X B 27/99, BFH/NV 2000, 58) unanfechtbar.
2. Eine außerordentliche Beschwerde ist generell unstatthaft. Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (AnhRüG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) zum 1. Januar 2005 ist ein derartiger außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf ausgeschlossen.
a) Eine im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung in der Vergangenheit in Fällen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit für denkbar gehaltene außerordentliche Beschwerde genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (vgl. dazu Beschluss des Plenums des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 30. April 2003 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 416).
Das BVerfG hat ausdrücklich klargestellt, dass außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffene außerordentliche Rechtsbehelfe gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit verstoßen und bisher außerhalb des gesetzten Rechts entwickelte Rechtsbehelfe den verfassungsrechtlichen Anforderungen an diesen Verfassungsgrundsatz nicht genügen. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns verlange, dass Rechtssuchenden der Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorgezeichnet werden müsse.
b) Auch in Fällen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit war nach Einfügen des § 321a in die Zivilprozessordnung (ZPO) durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I 2001, 1887) von den obersten Gerichtshöfen des Bundes die bis dahin angenommene Möglichkeit, sich mit außerordentlichen Rechtsbehelfen an die nächsthöhere Instanz zu wenden, generell verneint worden. Der Regelung wurde die gesetzgeberische Entscheidung entnommen, dass eine im Rechtsmittelzug nicht mögliche Nachprüfung gerichtlicher Entscheidungen aufgrund eines außerordentlichen Rechtsbehelfs demjenigen Gericht vorbehalten bleiben solle, das diese Entscheidung erlassen hat (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 21. Juli 2005 9 B 9/05, juris, m.w.N.).
c) Das BVerwG sieht sich in der vorgenannten Entscheidung in seiner Rechtsauffassung seit dem In-Kraft-Treten des AnhRüG, durch das gleich lautende Bestimmungen in den jeweiligen Prozessordnungen (u.a. § 152a der Verwaltungsgerichtsordnung ―VwGO―, § 133a FGO, § 178a des Sozialgerichtsgesetzes ―SGG― und § 78a des Arbeitsgerichtsgesetzes ―ArbGG―) eingefügt wurden, sogar noch bestärkt; denn danach ist bei erheblicher Gehörsverletzung das gerichtliche Verfahren in der betreffenden Instanz fortzuführen und gleichfalls keine Befassung der nächsthöheren Instanz mit der Sache vorgesehen.
d) In gleicher Weise hat das Bundessozialgericht ―BSG― (Beschluss vom 14. Oktober 2004 B 12 KR 5/04 S, n.v.) zu § 321a ZPO erkannt. Nach Einführung des § 178a SGG zum 1. Januar 2005 hat das BSG (Beschlüsse vom 15. August 2005 B 1 A 1/04 S, juris; vom 7. April 2005 B 1 KR 5/04 S, juris) ebenfalls ―wie zu § 321a ZPO a.F.― beiden Regelungen den Rechtsgedanken entnommen, dass in denjenigen Fällen, die im Wesentlichen Anlass zur Entwicklung der außerordentlichen Beschwerde gegeben hätten, das Gericht ggf. für Abhilfe zu sorgen habe, dem dieser Fehler unterlaufen sei. Dem Erfordernis der "Selbstkontrolle" durch den "iudex a quo" werde durch die Einräumung einer Gegenvorstellung ausreichend Rechnung getragen.
e) Ebenso hatten die Senate des BFH zunächst einhellig nach In-Kraft-Treten des § 321a ZPO a.F., der über § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar war, generell unter Anschluss an die Rechtsauffassungen des Bundesgerichtshofs ―BGH― (Beschluss vom 7. März 2002 IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133, seither ständige Rechtsprechung) und des BVerwG (Beschluss vom 16. Mai 2002 6 B 28, 29/02, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2002, 2657, seither ebenfalls ständige Rechtsprechung) eine außerordentliche Beschwerde generell als unstatthaft beurteilt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; vom 12. Dezember 2002 V B 185/02, BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270; ferner vom 30. Juli 2003 VIII B 210/02, juris, weitere Nachweise in juris PraxisReport Steuerrecht 28/2004, Anm. 5).
3. Mit Beschluss vom 13. Mai 2004 IV B 230/02 (BFHE 206, 194, BStBl II 2004, 833) hatte der IV. Senat des BFH allerdings eine außerordentliche Beschwerde neben § 321a ZPO a.F. in Fällen zugelassen, in denen Verfahrensvorschriften verletzt worden seien, deren Auslegung gerade den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung des FG bilde, weil eine Gegenvorstellung beim Ausgangsgericht dann keinen wirksamen Rechtsschutz gewährleisten könne, wenn sich dieses Gericht bereits ausdrücklich eine Überzeugung von der Rechtmäßigkeit seines Verfahrens gebildet habe.
Nach Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO entnimmt der IV. Senat des BFH im Beschluss vom 8. September 2005 IV B 42/05 (BFHE 210, 225, BStBl II 2005, 838) ―abweichend von der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG― dem nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich auf Verletzungen des rechtlichen Gehörs eingeschränkten Anwendungsbereich der Anhörungsrüge, dass dadurch der Bedarf für zusätzliche außerordentliche Rechtsbehelfe in Fällen anderer schwerer Verletzungen von Verfahrensgrundrechten bestätigt worden sei. Er ließ offen, ob die Gegenvorstellung in derartigen Fällen weiterhin als statthaft angesehen werden könne, hat indes keine Bedenken, auch unter der Geltung des § 133a FGO an dem bisherigen Grundsatz zur analogen Anwendung des § 128 FGO auf eine außerordentliche Beschwerde festzuhalten. Der Anwendungsbereich der außerordentlichen Beschwerde habe sich mithin durch die Einführung von § 133a FGO nicht verringert, sondern sei mindestens bestehen geblieben.
Im entschiedenen Fall hatte die Antragstellerin mit der außerordentlichen Beschwerde keine bewusste und objektiv greifbar gesetzwidrige Anwendung des Prozessrechts gerügt, sondern lediglich einfache Verfahrensfehler, nämlich eine unzureichende Sachaufklärung, sowie materielle Rechtsfehler geltend gemacht. Die Ausführungen des IV. Senats des BFH zur entsprechenden Anwendung des § 128 FGO auf eine außerordentliche Beschwerde sind deshalb in jenem Fall nicht entscheidungserheblich gewesen.
4. Der Senat verneint in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG nach In-Kraft-Treten des AnhRüG generell die Statthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 26. Juli 2005 XI B 88/05, juris; vom 26. Januar 2005 VII B 332/04, BFH/NV 2005, 905; vom 20. Mai 2005 V B 19/05, BFH/NV 2005, 1830; vom 28. Juni 2005 X B 78/05, BFH/NV 2005, 1624; ferner Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ―BAG― vom 8. August 2005 5 AZB 31/05, juris).
a) Ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage neben der Anhörungsrüge eine Gegenvorstellung an den "iudex a quo" wegen anderer schwerwiegender Verletzungen von Verfahrensgrundrechten oder wegen einer materiell-rechtlich objektiv willkürlichen Entscheidung zuzulassen ist, braucht der Senat im Streitfall nicht abschließend zu entscheiden (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 30. Juni 2005 III B 63/05, BFH/NV 2005, 2019; bejahend nunmehr BFH-Beschlüsse vom 29. September 2005 I B 70/05, juris; vom 13. Oktober 2005 IV S 10/05, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, juris; ferner Beschluss des BSG vom 28. Juli 2005 B 13 RJ 178/05 B, juris). Der IV. Senat des BFH verneint die Zulässigkeit einer Analogie zu § 133a FGO und stützt die Gegenvorstellung unmittelbar auf die Rechtsschutz- und Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG).
b) Im Schrifttum wird die Statthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde nicht einheitlich gesehen (vgl. Zöller/Gummer, Zivilprozessordnung, Kommentar, 25. Aufl., vor § 567 Rn. 7, der den Ausschluss einer außerordentlichen Beschwerde begrüßt, weil sie ein Einfallstor in die Rechtssicherheit darstellt für das trotz eifriger Bemühungen keine zuverlässigen Schranken gefunden worden seien; anders allerdings Zöller/Vollkommer, ZPO, § 321a Rn. 4 in Fällen bewusster Gehörsverletzung; ferner ablehnend Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 63. Aufl., § 321a Rn. 61; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, Kommentar, 16. Aufl., § 145 Rz. 12, m.w.N.; ausführlich Schenke, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ―NVwZ― 2005, 729, der insbesondere von Verfassungs wegen keine Notwendigkeit für eine außerordentliche Beschwerde sieht; ebenfalls Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Aufl., Vorbemerkung § 124 Rz. 8a; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, § 146 Rn. 20, § 152a Rn. 39, m.w.N.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Aufl., vor § 143 Rz. 15e; Nachweise zur gegenteiligen Auffassung auch in der Anmerkung in NJW 2005, 3375).
Im finanzgerichtlichen Schrifttum wird die Statthaftigkeit außerordentlicher Beschwerden ebenfalls unterschiedlich beurteilt (ablehnend Dürr in Schwarz, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 133a Rz. 4 und 5; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/ Spitaler ―HHSp―, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 128 FGO Rz. 136; Bittner, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 128 Rz. 13a; für eine außerordentliche Beschwerde spricht sich Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, vor § 115 FGO Tz. 46, m.w.N., und § 133a FGO Tz. 2 aus).
c) Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Entscheidungen den Instanzenzug ―in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (vgl. Krüger in Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2002, Art. 19 Rdn. 120, mit umfangreichen Nachweisen zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung)― ausdrücklich durch abgestufte detaillierte Regelungen, insbesondere in § 128 FGO, beschränkt, so bedarf es jedenfalls gewichtiger verfassungsrechtlich legitimierter Gründe, weshalb an den gesetzlich bestimmten Verfahrensordnungen vorbei außerordentliche Rechtsbehelfe an das nächsthöhere Gericht durch die Rechtsprechung eröffnet werden dürfen. Verfassungsrechtlich ausreichend ist ein gerichtlicher Rechtsschutz durch dieselbe Instanz (Schenke, NVwZ 2005, 729, 730 und 731). Die Einräumung zusätzlicher Rechtsschutzmöglichkeiten durch eine höhere Instanz ist hingegen dem Gesetzgeber vorbehalten (Schenke, NVwZ 2005, 729, 731).
Der Gesetzgeber hat die prinzipielle Statthaftigkeit außerordentlicher Beschwerden in der Begründung zum AnhRüG zwar nicht ausgeschlossen und zusätzlich bemerkt, keine Aussage zu der Frage zu treffen, wie die Gerichte künftig mit Verletzungen des Willkürverbotes umgehen sollten (vgl. BTDrucks 15/3706, S. 14). Er hätte indes gegen das ausdrückliche Postulat des BVerfG nach Rechtsmittelklarheit verstoßen, hätte er selbst von einer eindeutigen gesetzlichen Regelung absehen und die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde wiederum richterrechtlicher Fortbildung überlassen wollen.
Überdies hat die Gesetzesbegründung im AnhRüG selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Maßgebend ist der verobjektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Sinnzusammenhang ergibt (Beschluss des BVerfG vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, 121, BStBl II 1989, 938, 943; BFH-Beschluss vom 10. November 1999 X R 60/95, BFHE 189, 479, BStBl II 2000, 131, 137; Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 232 ff., m.w.N).
d) Die tatbestandlichen Voraussetzungen in § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. und in § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO unterscheiden sich insoweit nicht wesentlich. Deshalb ist bereits fraglich, ob der gesetzgeberische Wille zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 133a FGO gegenüber der Vorgängerregelung in § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. in der dem Gesetzgeber bekannten Auslegung und Anwendung der obersten Gerichtshöfe des Bundes hinreichend verobjektiviert worden ist.
e) Die Wiedereröffnung einer außerordentlichen Beschwerde ließe insbesondere außer Acht, dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Selbstkontrolle durch das Ausgangsgericht, das eine möglicherweise verfahrensfehlerhafte Entscheidung getroffen hat, mit der Anhörungsrüge ―wie schon in § 321a ZPO a.F.― deutlich zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. November 2003 I B 105, 106/03, BFH/NV 2004, 359; vom 27. Februar 2003 VII B 37/03, juris; vom 23. Februar 2005 IX B 177/04, BFH/NV 2005, 1128, m.w.N., wonach keine außerordentliche Beschwerde gegen das ―negative― Ergebnis einer Selbstüberprüfung des FG auf Anhörungsrüge hin eröffnet ist; ebenfalls BFH-Beschluss vom 1. April 2004 IX B 133/03, BFH/NV 2004, 1118; ferner Beschlüsse des BSG vom 28. Juli 2005 B 13 RJ 178/05 B, juris; vom 15. August 2005 B 1 A 1/04 S, juris).
Wird der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge auf bloße Verletzungen des rechtlichen Gehörs beschränkt, für andere schwerwiegende Verfahrensverstöße jedoch eine gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung zugelassen (vgl. dazu BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 2019; vom 13. Januar 2005 VII S 31/04, BFH/NV 2005, 898), so wird dadurch zumindest dem Aspekt der Selbstkontrolle systemkonform Rechnung getragen.
Nicht einsichtig ist, weshalb Richter, selbst wenn sie sich bei der Auslegung und Anwendung von Verfahrensvorschriften zunächst eine bestimmte Überzeugung gebildet haben, nicht im Wege einer Gegenvorstellung vorgetragenen, bislang ggf. noch nicht bedachten Argumenten oder auch einer von der bisherigen Beurteilung abweichenden Wertung der gesamten Umstände sich von vornherein verschließen sollten. Gerade das Instrument des Gerichtsbescheids (§ 90a FGO) und der nach einem fristgerechten Antrag auf mündliche Verhandlung erforderlich werdenden neuen Sachentscheidung zeigt, dass eine Überzeugung in der Sache sehr wohl geändert werden kann und tatsächlich auch geändert wird.
f) Schließlich würde die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde außerhalb des Anwendungsbereichs der Anhörungsrüge auch zu einem Wertungswiderspruch führen. Bei Nichtabhilfe durch das Ausgangsgericht hätte das nächsthöhere Gericht über die außerordentliche Beschwerde zu entscheiden (vgl. § 130 FGO). Dadurch käme es aber ―ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung― zu einem weiter gehenden Rechtsschutz als in den Fällen, die unmittelbar in den Anwendungsbereich der sogar ausdrücklich gesetzlich geregelten Anhörungsrüge fallen (so zutreffend Schenke, NVwZ 2005, 730).
5. Eine Umdeutung der von fachkundigen Prozessvertretern ausdrücklich als solche erhobenen außerordentlichen Beschwerde in eine von der Rechtsprechung neben der Anhörungsrüge als statthaft erachteten, gesetzlich freilich nicht geregelten Gegenvorstellung (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 2019, m.w.N.; vom 8. Juni 2005 III B 187/04, juris, m.w.N.; in BFH/NV 2004, 359) scheidet aus.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 i.V.m. § 143 Abs. 1 FGO. Eine Gebührenfreiheit nach § 66 Abs. 8 des Gerichtskostengesetzes besteht bei einer nicht statthaften Beschwerde nicht (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 905; in BFH/NV 2005, 1830).
Fundstellen
Haufe-Index 1463832 |
BFH/NV 2006, 445 |
BStBl II 2006, 188 |
BFHE 2006, 37 |
BFHE 211, 37 |
BB 2006, 146 |
DStRE 2006, 438 |
DStZ 2006, 62 |
HFR 2006, 171 |