Leitsatz (amtlich)
Ist ein Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum an mehr als einer abgeschlossenen Raumeinheit verbunden, so bildet das Wohnungseigentum insgesamt ein Grundstück i.S. des BewG (eine wirtschaftliche Einheit), wenn die Raumeinheiten entweder unmittelbar neben- oder unmittelbar untereinander angeordnet sind.
Orientierungssatz
Ausführungen und Rechtsprechung zur Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit bei Wohnungseigentum und Teileigentum sowie zum Sinn und Zweck der Fiktion des § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG (entgegen Verwaltungsauffassung).
Normenkette
BewG 1974 § 2 Abs. 1, § 70 Abs. 2, § 93 Abs. 1 S. 1, §§ 75, 68 Abs. 1 Nr. 3, § 70 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 24.Februar 1983 einen 112,45/1000 Miteigentumsanteil an einem Grundstück in Berlin verbunden mit dem Sondereigentum am unausgebauten Dachgeschoß (nicht zu Wohnzwecken dienende Räume mit 287,79 qm Nutzfläche). In den Jahren 1983 und 1984 hat die Klägerin in dem Dachboden drei Wohnungen ausgebaut.
Das Finanzamt (FA) hat jede der drei Wohnungen als selbständige wirtschaftliche Einheit angesehen und sie jeweils mit Feststellungsbescheiden vom 1.April 1985 zum 1.Januar 1985 als Einfamilienhäuser bewertet.
Der Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Einheitswertfeststellungen begehrt, weil nur eine wirtschaftliche Einheit Mietwohngrundstück zu erfassen sei, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von §§ 2, 70 und 93 des Bewertungsgesetzes (BewG). Es ist der Auffassung, jede nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sondereigentumsfähige Raumeinheit, die in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil selbständig veräußert werden könne, bilde eine eigene wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechtes.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Das grundsätzlich zum Grundvermögen gehörende Wohnungseigentum (vgl. § 68 Abs.1 Nr.3 BewG) bildet nach § 93 Abs.1 Satz 1 BewG eine wirtschaftliche Einheit und gilt damit als ein Grundstück im Sinne des BewG (§ 70 Abs.1 BewG). Sinn und Zweck der Fiktion des § 93 Abs.1 Satz 1 BewG besteht einmal darin, den Besonderheiten der Rechtsfigur des Wohnungseigentums bewertungsrechtlich Rechnung zu tragen, indem das Wohnungseigentum aus der Einheit des bebauten Grundstückes herausgenommen und diesem gegenüber verselbständigt wird (vgl. Senatsurteil vom 18.September 1985 II R 232/84, BFHE 144, 454, BStBl II 1985, 705). Zum anderen wird dadurch klargestellt, daß das Sondereigentum an der Wohnung (zum Gegenstand des Sondereigentums vgl. § 5 Abs.1 WEG) und der Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs.5, § 5 Abs.2, 3 WEG) nicht getrennt, sondern als Einheit zu bewerten sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Februar 1979 III R 73/77, BFHE 128, 83, BStBl II 1979, 547).
Die Fiktion des § 93 Abs.1 Satz 1 BewG schließt jedoch im übrigen nicht die allgemeinen Abgrenzungsregeln für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit als Bewertungsgegenstand aus, wie sie allgemein in § 2 BewG und besonders für Grundstücke in § 70 Abs.2 BewG normiert sind. Allgemein ist die Entscheidung darüber, was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, nach den Anschauungen des Verkehrs zu treffen (§ 2 Abs.1 Satz 3 BewG). Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs.1 Satz 4 BewG). Maßgebend sind demnach neben objektiven Merkmalen auch subjektive Merkmale, die allerdings dann außer Betracht bleiben müssen, wenn sie in Widerspruch zu objektiven Merkmalen stehen (vgl. BFH-Urteile vom 15.Juni 1983 III R 40/82, BFHE 139, 201, BStBl II 1983, 752, und vom 23.Januar 1985 II R 35/82, BFHE 143, 152, BStBl II 1985, 336).
Diese Maßstäbe sind grundsätzlich auch für die Bestimmung des Bewertungsgegenstandes bei den nach dem WEG möglichen Rechtsfiguren anwendbar, wobei allerdings objektive Merkmale tatsächlicher Art mit solchen Merkmalen, die ihre Wurzel in der Rechtskonstruktion haben, in Widerspruch stehen können. So hat die Rechtsprechung bei Wohngrundstücken einerseits die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit davon abhängig gemacht, daß sie für sich allein veräußert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 25.Februar 1983 III R 81/82, BFHE 138, 468, BStBl II 1983, 552, m.w.N.), andererseits es aber abgelehnt, auf die bei allen abgeschlossenen Wohnungen abstrakt bestehende Möglichkeit abzustellen, Wohnungseigentum zu schaffen (vgl. BFH-Urteil vom 2.Oktober 1970 III R 163/66, BFHE 100, 213, 216, BStBl II 1970, 822).
Daran ist für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit bei Wohnungseigentum und Teileigentum grundsätzlich festzuhalten. Das bedeutet, daß zwei Wohnungen, die mit nur einem Miteigentumsanteil verbunden sind, grundsätzlich zu einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des BewG zusammenzufassen sind. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn in diesem Fall der tatsächliche Befund der Verkehrsanschauung entgegensteht. Dies ist möglich, wenn --wie im Streitfall-- mit einem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an mehreren Wohnungen verbunden ist, die zusammen keine geschlossene Einheit bilden (zur Zulässigkeit vgl. Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9.März 1971 BReg.2 Z 15/71, Deutsche Notar-Zeitung 1971, 473). In diesem Fall muß die nach dem WEG gegebene rechtliche Möglichkeit, daß der Eigentümer sein Wohnungseigentum in eine der Zahl der abgeschlossenen Wohnungen entsprechende Zahl selbständiger Wohnungseigentumsrechte unterteilen kann, an den besonderen bewertungsrechtlichen Vorschriften gemessen werden (§ 68 Abs.1 Nr.3, § 70 Abs.1, § 93 Abs.1 i.V.m. § 2 BewG). Liegen die Wohnungen in demselben Haus unmittelbar übereinander oder nebeneinander und sind sie nach den tatsächlichen Gegebenheiten baulich (bautechnisch) so miteinander verbunden, daß sie sich --gedanklich aus dem Gesamtbauwerk herausgelöst-- als ein Raumkörper darstellen, so können sie zu einer einzigen wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden. Der Senat vermag insoweit nicht die Auffassung zu teilen, die in den gemeinsamen Ländererlassen vom 20.Oktober 1981 (BStBl I 1981, 640) unter 2. b) zum Ausdruck kommt. Besteht keine derartige Verbindung, weil sich die Wohnungen getrennt durch andere im Sondereigentum stehende Wohnungen im Gebäude befinden, muß die lediglich rechtstechnische Zusammenfassung zu einem mit einem Miteigentumsanteil am Grundstück verbundenen Sondereigentum gegenüber dem tatsächlichen Befund zurücktreten.
2. Im vorliegenden Fall sind die drei abgeschlossenen Raumeinheiten, die aus dem Sondereigentum am Dachgeschoß durch Ausbau entstanden sind, unter Anwendung dieser Grundsätze als eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten. Sie liegen unmittelbar nebeneinander in einer Ebene. Zutreffend hat deshalb das FG die angefochtenen Feststellungsbescheide aufgehoben.
Fundstellen
Haufe-Index 61801 |
BStBl II 1987, 840 |
BFHE 150, 274 |
BFHE 1987, 274 |
BB 1987, 2433 |
BB 1987, 2433-2434 (ST) |
DStR 1987, 660-660 (ST) |
HFR 1987, 606-606 (ST) |