Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung der Anordnung einer ,,Anschlußprüfung" bei Klein- oder Mittelbetrieben
Leitsatz (NV)
1. § 4 BpO (St) enthält für Klein- und Mittelbetriebe keine Bindung dahin, daß der Prüfungszeitraum einer Außenprüfung nicht an den vorangehenden anschließen darf.
2. Zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 genügt grundsätzlich auch dann der Hinweis auf diese Rechtsgrundlage, wenn ein Klein- oder Mittelbetrieb geprüft werden soll und der Prüfungszeitraum unmittelbar an den vorangegangenen anschließt (Anschluß an BFH-Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 1/88, BStBl II 1992, 274).
Normenkette
AO 1977 § 193
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - betrieb seit dem 1. Januar 1991 einen Handel mit . . . Im Jahre 1982 hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Klägerin eine das Veranlagungsjahr 1981 betreffende Außenprüfung durchgeführt, weil die Klägerin durch Umwandlung der Einzelfirma ihres Gesellschafters entstanden war.
Mit Verfügung vom 30. April 1986 ordnete das FA eine auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte, nicht weiter begründete steuerliche Betriebsprüfung an, die sich auf die Zeiträume 1982 bis 1984 (Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer) bzw. 1983 bis 1985 (Vermögensteuer) erstrecken sollte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Körperschaftsteuererklärungen bis 1984 beim FA bereits eingereicht worden.
Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde wandte sich die Klägerin gegen die Prüfungshäufigkeit und rügte die nicht ausreichende Begründung der Prüfungsanordnung. Bei ihr bzw. ihrer Vorgängerin seien für die Jahre 1974 bis 1976 und 1978 bis 1980 sowie 1981 Außenprüfungen durchgeführt worden. Für die angeordnete Anschlußprüfung müßten angesichts der allgemein bekannten Personalknappheit der Finanzverwaltung und des bei Mittelbetrieben üblichen Prüfungsturnusses von durchschnittlich sieben Jahren besondere Gründe vorliegen, weil anderenfalls der Gleichheitsgrundsatz des Art.3 des Grundgesetzes (GG) verletzt würde.
Die Beschwerde blieb erfolglos. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Prüfungsanordnung und die Beschwerdeentscheidung auf. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 150 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 193 Abs. 1 AO 1977 i.V.m.§ 4 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) BpO(St).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FA war gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 zum Erlaß der angefochtenen Prüfungsanordnung berechtigt, da die Klägerin einen gewerblichen Betrieb unterhielt. Einen Anspruch auf eine ,,Prüfungspause" kann die Klägerin weder aus dem Gesetz noch aus den Vorschriften der im Streitfall anzuwendenden BpO(St) vom 27. April 1978 (BStBl I 1978, 195) herleiten, die sich die Verwaltung zur Ausübung ihres Auswahlermessens selbst gesetzt hat. Der erkennende Senat schließt sich insoweit dem Urteil des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 1991 X R 1/88 (BStBl II 1992, 274 m.w.N.) an.
§ 4 Abs. 1 BpO (St) 1978 enthält lediglich die Fixierung einer Zielvorstellung der Finanzverwaltung für Großbetriebe. Diese ,,sollen" möglichst lückenlos geprüft werden. Das Verbot einer lückenlosen Prüfung bei anderen Betrieben läßt sich aus dieser Vorschrift nicht herleiten. Für Klein- und Mittelbetriebe sieht § 4 Abs. 2 BpO(St) 1978 nur eine zeitliche Grenzziehung in der Weise vor, daß der Prüfungszeitraum regelmäßig nicht über die letzten drei Besteuerungszeiträume zurückreichen soll, für die vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Steuererklärungen für die Ertragsteuern abgegeben wurden. Eine Bindung dahin, daß der nunmehr vorgesehene Prüfungszeitraum nicht an den vorangehenden anschließen darf, enthält die Bestimmung nicht. Der Senat geht dabei davon aus, daß der Betrieb der Klägerin nicht als Großbetrieb i.S. des § 3 BpO(St) einzuordnen ist.
Ebensowenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf eine Ermessensbindung aufgrund von Art.3 GG wegen der mit der unzureichenden Personalausstattung der Betriebsprüfung begründeten unterschiedlichen Prüfungshäufigkeit berufen. Der Grundsatz der Belastungsgleichheit verpflichtet die vollziehende Gewalt (Art.20 Abs. 3 GG), bei der Durchsetzung der Steuergesetze so zu verfahren, daß diese Gleichheit auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolgs der Steuererhebung gewährleistet ist (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, 664).
Anhaltspunkte, daß die angefochtene Prüfungsanordnung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Willkür- und Schikaneverbot verstößt, sind nicht ersichtlich. Auf die bei dem Einzelunternehmen, dessen Geschäftsvermögen im Wege der Umwandlung auf die Klägerin übertragen wurde, durchgeführten Betriebsprüfungen kann sich die Klägerin schon mangels Personenidentität nicht berufen.
2. Die angefochtene Prüfungsanordnung ist auch nicht wegen mangelnder Begründung rechtsfehlerhaft. Da die Klägerin zu dem Personenkreis gehört, der gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich Außenprüfungen unterliegt und mit entsprechenden Maßnahmen rechnen muß und da ferner ein besonderer Prüfungsanlaß nicht erkennbar ist, bedurfte es in der angefochtenen Prüfungsanordnung keiner über den Hinweis auf die gesetzliche Grundlage hinausgehenden Begründung. Weder die internen Gründe für die Auswahl des Betriebes der Klägerin noch die Tatsache, daß der letzte Prüfungszeitraum an den nunmehr vorgesehenen anschließt, machten weitere Erläuterungen erforderlich. Der erkennende Senat folgt auch insoweit der Entscheidung des X. Senats des BFH vom 2. Oktober 1991 X R 1/88.
Fundstellen