Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug nach § 50 a EStG bei Anwendung der Nullregelung
Leitsatz (NV)
1. Bei Anwendung der sog. Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV 1980 wird der ausländische Unternehmer von seiner Umsatzsteuerschuld befreit. Die Einnahme i. S. des § 8 Abs. 1 EStG liegt somit in der Befreiung von einer Verbindlichkeit und ist gem. § 8 Abs. 2 EStG in Höhe der vom ausländischen Unternehmer geschuldeten Umsatzsteuer anzusetzen. Es kann offen bleiben, ob dies auch gilt, wenn der ausländische Unternehmer als Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 UStG zu behandeln ist.
2. Die Inanspruchnahme als Haftender für ,,Einkommensteuer" ist rechtswidrig, wenn der Steuerschuldner keine Einkommensteuer, sondern Körperschaftsteuer schuldet.
Normenkette
EStG §§ 8, 50a; UStG 1980 §§ 10, 19; UStDV 1980 § 52 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war Lizenznehmerin eines japanischen Unternehmens, an das sie Lizenzvergütungen zu entrichten hatte. Das japanische Unternehmen unterlag gemäß § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) der beschränkten Steuerpflicht.
Die dem japanischen Unternehmen zustehende Vergütung wurde vertraglich unter Einbeziehung der sog. Null-Regelung des § 52 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1980 (UStDV) geregelt. Aufgrund der vertraglichen Abmachungen hatte die Klägerin im dritten Quartal 1985 eine Lizenzvergütung von . . . DM an das japanische Unternehmen zu entrichten. Die Klägerin führte den Steuerabzug in Höhe von 10 v. H. durch, behielt . . . DM ein und meldete diesen Betrag am 7. Oktober 1985 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) an.
Mit Haftungsbescheid vom 19. November 1985 nahm das FA die Klägerin darüber hinaus für einen Betrag von . . . DM als Haftungsschuldnerin für den Steuerabzug nach § 50 a EStG in Anspruch, indem es die erklärte Lizenzvergütung um 14 v. H. erhöhte. Zur Begründung führte das FA im Haftungsbescheid aus, in Fällen, in denen zwischen dem ausländischen Unternehmer und einem inländischen Leistungsempfänger die sog. Null-Regelung nach § 52 Abs. 2 UStDV angewandt würde, stelle die nicht erhobene Umsatzsteuer einen Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Abzugsteuer dar.
Der gegen den Haftungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 50 a Abs. 4 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Tatbestand des § 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG (in der im streitigen Zeitpunkt geltenden Fassung) ist dem Grunde nach erfüllt. Die Vorschrift normiert eine Haftung für Steuern auf Vergütungen, die dem Gläubiger der Vergütungen gemäß § 50 a Abs. 4 EStG zufließen. Im Streitfall sind dem Gläubiger, dem japanischen Unternehmen, Vergütungen für die Überlassung des Rechts auf Nutzung von gewerblichen Schutzrechten zugeflossen (§ 50 a Abs. 4 Satz 1 b EStG).
§ 50 a Abs. 4 Satz 1 b EStG setzt seinerseits die beschränkte Steuerpflicht des Gläubigers der Vergütungen gemäß § 49 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 6 oder 9 EStG voraus. Das FG hat dazu keine Feststellungen getroffen. Es ist aber zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Voraussetzungen für den Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG dem Grunde nach erfüllt sind.
2. Der Steuerabzug gemäß § 50 a Abs. 4 EStG wird nach den Einnahmen des Steuerschuldners (Vergütungsgläubigers) bemessen (§ 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG). Für die Auslegung des maßgeblichen Einnahmebegriffs gilt § 8 Abs. 1 EStG unmittelbar oder - soweit Einnahmen i. S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 EStG betroffen sind - sinnentsprechend (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BFHE 155, 479, BStBl II 1989, 449). Es kann daher im Streitfall dahinstehen, worauf sich im einzelnen die beschränkte Steuerpflicht des japanischen Unternehmens gründet.
Bei Anwendung der sog. Null-Regelung nach § 52 Abs. 2 UStDV wird der ausländische Unternehmer - das japanische Unternehmen - von seiner Umsatzsteuerschuld befreit. Die Einnahme i. S. des § 8 Abs. 1 EStG liegt somit - wie der Senat mit Urteil vom 30. Mai 1990 I R 57/89 (BFHE 161, 97, BStBl II 1990, 967) erkannt hat - in der Befreiung von einer Verbindlichkeit und ist gemäß § 8 Abs. 2 EStG in Höhe der vom ausländischen Unternehmer geschuldeten Umsatzsteuer anzusetzen. Dies zeigt die systematische Stellung der Null-Regelung.
a) Die in Rechnung gestellte und vom Leistungsempfänger an den leistenden Unternehmer gezahlte Umsatzsteuer gehört nach überwiegender Meinung zu den Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG. Die Umsatzsteuer stellt insbesondere beim Empfänger der Zahlung keinen durchlaufenden Posten i. S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG dar. Denn sie wird nicht ,,im Namen und für Rechnung eines anderen" vereinnahmt. Der Unternehmer handelt umsatzsteuerrechtlich stets im eigenen Namen und für eigene Rechnung, weil er seinerseits gemäß § 13 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973/1980 gegenüber der Finanzbehörde Steuerschuldner ist (BFH-Urteile vom 19. Februar 1975 I R 154/73, BFHE 115, 129, BStBl II 1975, 441, und vom 29. Juni 1982 VIII R 6/79, BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755; Hessisches FG, Urteil vom 28. März 1980 II 14/79 - rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 130; Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., 1990, § 50 a Anm. 3 d; Weber-Grellet in: Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 143 m. w. N.).
b) Die geschuldete Umsatzsteuer zählt auch dann zu den Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG, wenn sie nicht an den leistenden Unternehmer ausbezahlt, sondern gemäß § 18 Abs. 8 UStG 1980 i. V. m. §§ 51 ff. UStDV vom Leistungsempfänger einbehalten und an das FA abgeführt wird. Führt ein nicht im Erhebungsgebiet ansässiger Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung oder eine steuerpflichtige sonstige Leistung aus, so hat der Leistungsempfänger gemäß § 51 Abs. 1 UStDV die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten und an das für ihn zuständige FA abzuführen.
Behält der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer von der Gegenleistung ein, so ist dennoch dem nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer die (volle) Bruttovergütung zugeflossen. Der Zeitpunkt des Zuflusses der einbehaltenen Umsatzsteuer gemäß § 11 EStG fällt mit dem Zeitpunkt des Zuflusses des Nettoentgeltes zusammen. Insoweit gilt nichts anderes als bei den Verfahren des Steuerabzugs vom Arbeitslohn (§§ 38 ff. EStG), vom Kapitalertrag (§§ 43 ff. EStG) oder bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 a EStG), in denen dem Gläubiger die Bruttoerträge auch insoweit zufließen, als der Schuldner sie im Wege des Steuerabzugs einbehalten hat (so zutreffend Keßler, Finanz-Rundschau - FR - 1981, 565; zum Lohnsteuerabzug vgl. auch Birkenfeld, DStJG 9 S. 245, 264). Das Gesetz könnte sonst nicht von einem sofortigen Steuerabzug auf die vollen Bezüge (einschließlich des Steuerabzugs) ausgehen, da dieser erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Erträge dem Gläubiger zufließen (vgl. § 38 Abs. 2 Satz 2, § 44 Abs. 1 Satz 2, § 50 a Abs. 5 Satz 1 EStG). Das geldwerte Gut i. S. des § 8 Abs. 1 EStG liegt insoweit in der Befreiung des Gläubigers von seiner Steuerverbindlichkeit.
c) Ebenso verhält es sich, wenn - wie im Streitfall - anstelle des Umsatzsteuerabzugs gemäß § 51 UStDV die sog. Null-Regelung des § 52 Abs. 2 UStDV zur Anwendung kommt. Der Vergütungsgläubiger wird dann ebenso von seiner Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit. Um diese Verbindlichkeit erhöht sich - zumindest bei einem vereinbarten Nettoentgelt - die Bemessungsgrundlage des § 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG (so zutreffend Abschn. 227 c Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987; Keßler, FR 1981, 565; Blümich / Krabbe, Einkommensteuergesetz, § 50 a Rdnr. 49).
aa) Das japanische Unternehmen hat im Streitfall gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG mit der Überlassung der gewerblichen Schutzrechte eine steuerbare sonstige Leistung im Erhebungsgebiet ausgeführt. Insbesondere befindet sich dort der Ort der Leistung, weil der Leistungsempfänger Unternehmer ist und sein Unternehmen im Erhebungsgebiet betreibt (§ 3 a Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 UStG). Damit ist die japanische Firma gemäß § 13 Abs. 2 UStG Schuldnerin der auf die Lizenzvergütung entfallenden Umsatzsteuer.
bb) Nach § 52 Abs. 2 UStDV ist der inländische Leistungsempfänger nicht verpflichtet, die Steuer für die Leistung des ausländischen Unternehmers einzubehalten und abzuführen, wenn
- der ausländische Unternehmer keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilt hat und
- der inländische Leistungsempfänger im Falle des gesonderten Ausweises der Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG hinsichtlich dieser Steuer voll in Anspruch nehmen könnte.
Der inländische Leistungsempfänger ist sonach nicht gehalten, die Umsatzsteuer des ausländischen Unternehmers im Abzugswege einzubehalten und abzuführen, wenn jenem korrespondierend zu dessen Umsatzsteuerpflicht ein Vorsteuervergütungsanspruch in gleicher Höhe zustehen würde, auf dessen Entstehen er verzichtet. Deshalb setzt § 52 Abs. 2 Nr. 2 UStDV voraus, daß dem Leistungsempfänger im Falle des gesonderten Ausweises der Steuer ein entsprechender Vorsteuerabzug nach § 15 UStG zustünde. Da eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG Tatbestandsmerkmal für das Entstehen des Vorsteuerabzugs ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 V R 75/78, BFHE 146, 569, BStBl II 1986, 721), begibt sich der Leistungsempfänger dieses ihm gegenüber dem FA zustehenden Anspruchs, wenn er seinen - zivilrechtlichen - Anspruch gegenüber dem leistenden Unternehmer (§ 14 Abs. 1 UStG) auf Erteilung einer solchen Rechnung nicht geltend macht. § 52 Abs. 2 UStDV verkürzt somit lediglich - im Interesse der Vereinfachung (vgl. BTDrucks. 576/79, S. 85 zu § 52 Abs. 2 UStDV) - den Zahlungsweg zwischen inländischem Leistungsempfänger und FA. Es wird im Ergebnis der Anspruch des FA gegen den inländischen Leistungsempfänger auf die für den ausländischen Unternehmer einzubehaltende und abzuführende Umsatzsteuer mit dem Vorsteuervergütungsanspruch des inländischen Leistungsempfängers gegen das FA verrechnet. Der Leistungsempfänger erklärt sich erkennbar damit einverstanden, indem er auf die Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer verzichtet, wozu er an sich verpflichtet wäre. In diesem konkludenten Verhalten liegt die von der Klägerin vermißte Willenserklärung.
Für den ausländischen Unternehmer zeitigt die Anwendung der Null-Regelung keine andere Wirkung als die Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer im Abzugsverfahren gemäß § 51 UStDV. Sie führt in gleicher Weise wie beim Umsatzsteuerabzug gemäß § 51 UStDV (vgl. § 58 Abs. 2 UStDV) zum Erlöschen (§ 47 der Abgabenordnung - AO 1977 -) von dessen Umsatzsteuerschuld, wenn die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 UStDV erfüllt sind. Der ausländische Unternehmer wird dann ebenso von seiner Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit. Deshalb sind gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 1 UStDV bei der Berechnung der Umsatzsteuer die Umsätze nicht zu berücksichtigen, bei denen die Null-Regelung des § 52 Abs. 2 UStDV nachweislich angewendet worden ist. Zu diesem Zweck verpflichtet § 52 Abs. 4 UStDV den Leistungsempfänger, wenn er die Umsatzsteuer nach § 52 Abs. 2 UStDV nicht einbehalten und abgeführt hat, dies dem ausländischen Unternehmer auf Verlangen zu bescheinigen. Erteilt hingegen der ausländische Unternehmer in den Fällen des § 52 Abs. 2 UStDV nach Zahlung des Entgelts oder der Gegenleistung eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer, so hat der Leistungsempfänger folgerichtig die Steuer binnen 10 Tagen nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Rechnung erteilt worden ist, anzumelden und abzuführen (§ 54 Abs. 3 UStDV).
Die Null-Regelung des § 52 Abs. 2 UStDV erweist sich sonach als bloße Art der Besteuerung im Abzugsverfahren und regelt ebenfalls lediglich die Erhebung der Umsatzsteuer. Steuerschuldner gemäß § 13 Abs. 2 UStG bleibt in jedem Fall der leistende Unternehmer. Dies belegt auch § 55 UStDV, der eine Haftung des Leistungsempfängers normiert und demzufolge die Schuldnerschaft eines anderen - des leistenden Unternehmers - voraussetzt.
Für die Durchführung der Null-Regelung ist es nicht erforderlich, daß der nicht im Erhebungsgebiet ansässige Unternehmer auch zum gesonderten Steuerausweis berechtigt ist (§ 52 Abs. 3 UStDV). Die Null-Regelung kann deshalb - worauf die Klägerin hinweist - ebenfalls dann angewendet werden, wenn der leistende Unternehmer unter die Steuerfreiheit für Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG fällt. Indes findet die Regelung des § 52 Abs. 3 UStDV ihre Rechtfertigung (allein) darin, daß dem Leistungsempfänger nicht zugemutet werden soll, die steuerlichen Verhältnisse des ausländischen Unternehmers nachzuprüfen oder sich nachweisen zu lassen (vgl. Abschn. 234 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1988 - UStR 1988 -). Auch insoweit unterscheidet sich die Null-Regelung nicht vom Abzugsverfahren im übrigen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 UStDV).
Im Streitfall besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der ausländische Unternehmer Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 UStG sein könnte. Dagegen spricht schon die Höhe der Lizenzvergütung. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob und inwieweit insofern eine Benachteiligung mit Blick auf § 50 a Abs. 4 EStG zu vermeiden ist.
cc) § 52 Abs. 2 UStDV gewährt somit keine Steuerbefreiung, sondern regelt - gleich den §§ 51 ff. UStDV im übrigen - eine besondere Erhebungsform der Umsatzsteuer, die die Steuerschuldnerschaft des ausländischen Unternehmers unberührt läßt. Die Ermächtigungsgrundlage für die §§ 51 ff. UStDV im allgemeinen und § 52 Abs. 2 UStDV im besonderen ist in § 18 UStG zu finden - eine Vorschrift, die nicht das materielle Umsatzsteuerrecht, sondern das Besteuerungsverfahren betrifft -. Zu keinem anderen Ergebnis führt die richtlinienkonforme Auslegung gemäß der Sechsten Richtlinie des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vom 17. Mai 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 1977 L 145/1). Art. 21 Nr. 1 b der Sechsten Richtlinie benennt zwar in diesen Fällen den Leistungsempfänger als Steuerschuldner; jedoch können nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift die Mitgliedstaaten vorsehen, daß der ,,Dienstleistungserbringer" die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat. So aber verhält es sich nach nationalem Recht. Der leistende Unternehmer ist gemäß § 13 Abs. 2 UStG Steuerschuldner; er hat gemäß § 44 Abs. 1 AO 1977 zusammen mit dem haftenden Leistungsempfänger gesamtschuldnerisch für die Umsatzsteuer einzustehen (Schlienkamp, Beilage 1/1980 zu Heft 6 des Betriebs-Beraters - BB -, S. 12 ff.).
d) Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Japan (DBA-Japan) steht der vorstehenden rechtlichen Würdigung nicht entgegen. Nach Art. 12 Abs. 2 DBA-Japan kann die Bundesrepublik eine Quellensteuer von 10 v. H. des Bruttobetrages der Lizenzgebühren erheben. Art. 12 Abs. 3 DBA-Japan definiert ,,Lizenzgebühren" als ,,Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung . . . als Gegenleistung gezahlt werden". Trotz des Erfordernisses der Zahlung erfaßt aber der Begriff ,,Lizenzgebühren" nicht nur Vergütungen in Geld, sondern auch Gegenleistungen in Geldeswert. Der Begriff ,,Zahlung" in Art. 12 Abs. 3 DBA-Japan ist weit auszulegen und schließt alle Formen der Erfüllung des Lizenzgebührenanspruchs ein (Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, München 1983, Art. 12 Rdnr. 26 und 45). Die Befreiung von seiner Umsatzsteuerverbindlichkeit, die das japanische Unternehmen durch die Anwendung der Null-Regelung erfährt, ist somit als ,,Zahlung" i. S. des Art. 12 Abs. 3 DBA-Japan anzusehen.
3. Das angefochtene Urteil war aber aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zum einen fehlen tatsächliche Feststellungen des FG, daß das japanische Unternehmen der Einkommensteuer unterliegt (siehe dazu nachfolgend a). Zum anderen durfte es die Vorinstanz nicht dahinstehen lassen, ob die vereinbarte Lizenzvergütung von der Klägerin ,,brutto" oder ,,netto" geschuldet wird, d. h. ob die Umsatzsteuer in der vereinbarten Vergütung enthalten ist oder nicht.
a) Das FA hat zumindest einen Rechtsschein dahin gesetzt, die Klägerin werde als Haftende für Einkommensteuerschulden gemäß § 50 Abs. 4 EStG des japanischen Unternehmens in Anspruch genommen. Dies folgt aus dem Inhalt des angefochtenen Haftungsbescheids und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung, die beide durch Bezugnahme des FG festgestellt sind. Nach dem Verfügungssatz des Haftungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung wird die Klägerin für die ,,vorgenannten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis" auf Zahlung in Anspruch genommen. In der Begründung beider Verwaltungsentscheidungen findet sich dazu lediglich der Satz, die ,,Einkommensteuer" werde gemäß § 50 a Abs. 4 EStG im Wege des Steuerabzugs erhoben. Die Inanspruchnahme wegen Einkommensteuer ist aber dann rechtswidrig, wenn das japanische Unternehmen keine Einkommensteuer, sondern Körperschaftsteuer schuldet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat auf sein Urteil vom 27. Juli 1988 I R 130/84 (BFHE 154, 227, BStBl II 1989, 101). Die Rechtsfolge dieser Entscheidung kommt in Betracht, weil das japanische Unternehmen im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils als ,,Company Limited" bezeichnet ist. Dabei kann es sich um eine japanische GmbH handeln, die körperschaftlich organisiert ist und nach japanischem Recht eine juristische Person darstellt (Kuboi / Paufler, Unternehmen und Besteuerung in Japan, Stuttgart 1988, S. 100 und 162).
Ausländische juristische Personen unterliegen jedoch nicht ausnahmslos der deutschen Körperschaftsteuer. Die Entscheidung über die ertragsteuerliche Behandlung einer ausländischen juristischen Person ist vielmehr nach den leitenden Gedanken des deutschen Einkommens- und Körperschaftsteuerrechts zu treffen (BFH-Urteil vom 3. Februar 1988 I R 134/84, BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588).
Die Feststellung und Würdigung der erforderlichen ausländischen Rechtstatsachen obliegt dem FG, das diese nachzuholen haben wird.
b) Erweist sich das japanische Unternehmen als Körperschaftsteuersubjekt, so wird es bei der bisherigen Entscheidung des FG bleiben müssen, das den angegriffenen Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben hat. Anderenfalls wird das FG noch festzustellen haben, ob die Umsatzsteuer in der vereinbarten Lizenzvergütung enthalten ist oder nicht.
Bei einer Nettopreisabrede läge das Entgelt i. S. des § 10 UStG in der vereinbarten Vergütung. Das ausländische Unternehmen wäre dann in Höhe des auf die Nettovergütung anzuwendenden Steuersatzes von seiner Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit worden. Im Falle einer Bruttopreisabrede wäre die Umsatzsteuer dagegen aus der vertraglich geschuldeten Lizenzvergütung herauszurechnen. Das FG würde dann ferner zu erwägen haben, ob nicht der gemäß § 8 Abs. 2 EStG anzusetzende Wert der Einnahmen zu mindern ist. Das ausländische Unternehmen würde nämlich einerseits durch die Anwendung der Null-Regelung von seiner Umsatzsteuerschuld befreit, aber andererseits womöglich einem gleichzeitig entstehenden Anspruch auf Rückforderung der für es gezahlten Umsatzsteuer ausgesetzt.
Da die Beteiligten im Lizenzvertrag nach den Feststellungen des FG die Anwendung der Null-Regelung vereinbart haben, spricht viel dafür, daß die Lizenzvergütung netto geschuldet werden sollte. Da die vertraglichen Beziehungen der am Lizenzvertrag Beteiligten über den Bereich der deutschen Rechtsordnung hinausreichen, wird das FG zunächst zu ermitteln haben, welches Recht der Vertragsauslegung zugrunde zu legen ist. Das Anknüpfungsmittel im Vertragsrecht des internationalen Privatrechts, dem praktisch bedeutsamsten Teil internationaler rechtlicher Verbindungen (sog. Schuldstatut), ist in erster Linie die Parteivereinbarung; unter Umständen muß durch ergänzende Auslegung des Vertrags und Ermittlung des hypothetischen Willens der Beteiligten festgestellt werden, nach welcher Rechtsordnung sich ihre vertraglichen Beziehungen richten sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 417796 |
BFH/NV 1992, 291 |