Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß eines Duldungsbescheids wegen Forderungen, deren Vollziehung ausgesetzt ist
Leitsatz (NV)
1. Zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs.
2. Ein Duldungsbescheid kann auch auf nicht bestandskräftige Steuerbescheide gestützt werden. Diese stehen den nichtvollstreckbaren Schuldtiteln i. S. des § 10 AnfG gleich. Der Duldungsbescheid muß deshalb in diesem Falle mit dem Vorbehalt versehen werden, daß seine Vollstreckung vom Eintritt der Bestandskraft der Steuerbescheide abhängt.
3. Die Aussetzung der Vollziehung der gegen den Schuldner ergangenen Steuerbescheide beseitigt nicht die Fälligkeit der ihnen zugrundeliegenden Steuerforderungen i. S. des § 2 AnfG; das FA bleibt deshalb zur Geltendmachung seines Anfechtungsrechts befugt.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1; AnfG §§ 2, 10
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) übertrug dieser durch notariellen Schenkungsvertrag vom 9. Oktober 1981 seine Miteigentumshälfte an einem Grundstück. Am 20. November 1981 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wegen Einkommensteuernachforderungen gegen die Eheleute für 1973 bis 1978 in Höhe von 474 343 DM den dinglichen Arrest in deren bewegliches und unbewegliches Vermögen an. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 wurden am 23. November 1981 bekanntgegeben. Am 9. Dezember 1981 wurden auf Antrag des FA aufgrund der Arrestanordnung im Grundbuch für das obengenannte Grundstück zwei Sicherungshypotheken in Höhe von 346 841 DM und 127 502 DM eingetragen.
Das FA focht mit Duldungsbescheid vom 18. Oktober 1982 den Schenkungsvertrag vom 9. Oktober 1981 unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 7 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) an und wies die Klägerin darauf hin, daß sie die Eintragung der beiden Sicherungshypotheken auch insoweit zu dulden habe, als diese auf der ideellen Miteigentumshälfte des Ehemannes lasteten.
Auf Antrag der Klägerin vom 7. Dezember 1981 erging am 19. November 1982 ein Aufteilungsbescheid bezüglich der Einkommensteuer und der Nebensteuern 1973 bis 1978. Danach entfielen auf die Klägerin Steuerschulden von 1 360,65 DM und auf ihren Ehemann solche in Höhe von 526 294,20 DM. Das FA teilte der Klägerin daraufhin mit, daß in ihren Eigentumsanteil nicht mehr vollstreckt werde, und erklärte die entsprechende Pfandentlassung.
Den Einspruch der Klägerin gegen den Duldungsbescheid wies das FA als unbegründet zurück. Es berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung die inzwischen erfolgte Aufteilung der Steuerschulden, indem es nur noch diejenigen Steuerforderungen aufführte, die auf den Ehemann der Klägerin entfallen. Ferner wurde in die Einspruchsentscheidung gemäß § 10 AnfG die Bedingung aufgenommen, daß die Vollstreckung von der Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts bzw. dem Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 abhänge.
Während des Klageverfahrens gegen den Duldungsbescheid gab das Finanzgericht (FG) dem Antrag der Eheleute auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 weitgehend statt. Es setzte die Vollziehung der Einkommensteuer über insgesamt 468 834 DM im Umfang von 355 604 DM aus. Aufgrund dieser Entscheidung und unter Berücksichtigung inzwischen geleisteter Zahlungen bewilligte das FA die Löschung der eingetragenen Sicherungshypotheken bis auf einen Restbetrag von 47 540,20 DM.
Die Klage der Klägerin gegen den Duldungsbescheid hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus:
Der Senat folge der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß das FA das Anfechtungsrecht und den daraus entstehenden Rückgewähranspruch durch Duldungsbescheid nach § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) geltend machen dürfe (Hinweis auf die Urteile des erkennenden Senats vom 2. März 1983 VII R 120/82, BFHE 138, 10, BStBl II 1983, 398, und vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545). Die in § 2 AnfG geregelten Voraussetzungen für die Anfechtung der Übertragung des Grundstücksanteils auf die Klägerin seien erfüllt. Die Einkommensteueransprüche seien fällig und die Arrestanordnung und die kurz darauf bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheide seien als vollstreckbarer Schuldtitel im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.
Die Vollstreckbarkeit i. S. des § 2 AnfG sei durch die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide nicht beseitigt worden, denn die Aussetzung stelle nur eine vorläufige, zeitlich befristete Maßnahme dar, die mit dem Wegfall des Titels oder der Klausel im Zivilrecht nicht gleichzusetzen sei. Vielmehr werde ein Steuerbescheid durch die Aussetzung seiner Vollziehbarkeit in seinem Bestand nicht berührt. Entsprechendes gelte für das Merkmal der Fälligkeit der Forderung als Voraussetzung für das Anfechtungsrecht des FA. Zwar seien die Steueransprüche im Umfang und für die Dauer der Aussetzung als nicht fällig zu behandeln. Die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide wirke jedoch nicht auf den Zeitpunkt des Ergehens des Duldungsbescheids bzw. der ihn bestätigenden Einspruchsentscheidung zurück. Eine Aufhebung der Vollziehung der Bescheide habe das FG nicht ausgesprochen. Als maßgebenden Zeitpunkt, zu dem die Anfechtungsvoraussetzungen i. S. von § 2 AnfG vorliegen müßten, sehe der Senat nicht den Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG, sondern den Zeitpunkt des Ergehens des Anfechtungs- und Duldungsbescheids bzw. des späteren Einspruchsbescheids an.
Im übrigen habe das FA in die Einspruchsentscheidung die Bedingung aufgenommen, daß die Vollstreckung (des Anfechtungs- und Duldungsbescheids) vom Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 abhängig sei und damit die Voraussetzungen erfüllt, unter denen im Zivilprozeß die Verurteilung des Anfechtungsgegners möglich sei, wenn noch kein endgültiger Vollstreckungstitel vorliege. Die mit Einspruch oder Klage angefochtenen Steuerbescheide seien als vorläufig vollstreckbarer Titel i. S. des § 10 AnfG anzusehen.
Die letzte in § 2 AnfG geforderte Voraussetzung, daß die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zur Befriedigung geführt habe oder keinen Erfolg verspreche, sei ebenfalls erfüllt. Denn der Ehemann der Klägerin habe nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen des FA im Juli 1982 durch seine Steuerberater erklären lassen, er sei mittellos und auf Sozialhilfe angewiesen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Auffassung der Vorinstanz sei rechtsfehlerhaft. Nach § 2 AnfG müsse mindestens der Hauptanspruch fällig sein und ein vollstreckbarer Titel vorliegen. Der für das Vorliegen dieser Voraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt sei nicht der vom FG angenommene Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, sondern der Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Im Zeitpunkt der Entscheidung des FG sei der Anspruch des FA gegen die Klägerin nur in Höhe von 47 540,20 DM fällig gewesen. Alle übrigen Forderungen seien durch den Beschluß des FG in der Vollziehung ausgesetzt gewesen. Die Aussetzung der Vollziehung stelle eine aufschiebende Bedingung dar, die die Fälligkeit der (ausgesetzten) Hauptforderung aufhebe.
Das FA und das FG hätten berücksichtigen müssen, daß es in Höhe des fälligen Betrages von 47 540 DM keines Duldungstitels mehr bedurft hätte, da eine so geringe Summe durch den Ehemann der Klägerin gezahlt werden könnte. Außerdem sei der Fiskus in Höhe dieses Betrages durch die Sicherungshypothek ausreichend gesichert gewesen. Das FA habe sein Ermessen in doppelter Hinsicht verletzt. Es habe einmal einen Duldungstitel aufrechterhalten, der nicht annähernd der Höhe der fälligen Ansprüche entspreche, zum anderen habe es nicht geprüft, ob nach der Aussetzung der Vollziehung seine Bescheide der Fortbestand des Duldungstitels noch erforderlich sei. Der Duldungsbescheid hätte zumindest in Höhe der ausgesetzten Steuerforderungen aufgehoben werden müssen. Das habe auch das FG bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verkannt.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Duldungsbescheid des FA aufzuheben, hilfsweise diesen dahin abzuändern, daß die Zwangsvollstreckung nur in Höhe des Betrags von 47 540,20 DM geduldet werden muß.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FA war befugt, die Klägerin als Empfängerin einer unentgeltlichen Verfügung aus dem Vermögen ihres Ehemannes (Vollstreckungsschuldners) durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen (§ 191 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1 AnfG). Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich die Verpflichtung des Anfechtungsgegners zur Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund des § 7 AnfG unmittelbar aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt, auf dem der Rückgewähranspruch beruht, und das FA diese Verpflichtung durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO 1977 verfolgen kann (vgl. Urteil vom 10. Februar 1987 VII R 122/84, BFHE 149, 204, mit Hinweisen auf die vorangegangene Rechtsprechung). Gegen die Durchsetzbarkeit der Rechte aus dem AnfG durch die Finanzverwaltung mit Hilfe eines Duldungsbescheids sind - wie auch von der Klägerin im Klageverfahren - in Rechtsprechung und Schrifttum Einwendungen erhoben worden (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 25. September 1984 V 85/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 211, im Anschluß an Böhle/Stamschräder/Kilger, Anfechtungsgesetz, 7. Aufl., § 9 Anm. IV 4). Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 149, 204 (vgl. auch die Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1987, 394, 395) zu diesen Einwendungen Stellung genommen. Er hält an seiner Rechtsprechung fest. Wegen der Begründung im einzelnen nimmt er auf die letzte Entscheidung Bezug.
2. Mit Recht ist das FG davon ausgegangen, daß das FA als Steuergläubiger die in § 2 AnfG geregelten Voraussetzungen für die Anfechtung der Übertragung des Grundstücksanteils vom Ehemann auf die Klägerin erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist ein Gläubiger zur Anfechtung befugt, wenn er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und seine Forderung fällig ist, sofern die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu seiner vollständigen Befriedigung nicht geführt hat oder anzunehmen ist, daß sie zu einer solchen nicht führen würde. Es handelt sich insoweit um verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Klagbarkeit (gerichtliche Verfolgbarkeit) des Anfechtungsanspruchs (§§ 3 bis 3 b AnfG), die unabhängig von dessen materiell-rechtlichem Bestand im Interesse des Rechtsschutzes des Anfechtungsgegners gegeben sein müssen (vgl. Jäger, Die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkursverfahrens, 2. Aufl., 1938, § 2 Anm. 5 und 6; Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 2 Anm. I 1 und II 1). Fehlt eine der genannten Rechtsschutzvoraussetzungen, so ist die gerichtliche Anfechtungsklage unzulässig (vgl. die vorstehenden Literaturhinweise), der Duldungsbescheid des FA nach § 191 Abs. 1 AO 1977 demgemäß rechtswidrig.
a) Zu den in § 2 AnfG genannten vollstreckbaren Schuldtiteln gehören auch Steuerbescheide (Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 2 Anm. IV 2; Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 13. November 1931 VII 557/30, Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts - Warn -, 1932 Nr. 17), wie die gegen die Klägerin und ihren Ehemann - auf den nach der Aufteilung der Steuerschulden als Schuldner allein abzustellen ist - ergangenen Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978. Da bereits entsprechende Steuerbescheide ergangen sind, kann dahingestellt bleiben, ob auch die vorausgegangene Arrestanordnung die Geltendmachung der Anfechtung durch das FA gerechtfertigt hätte (vgl. hierzu App, Die verfahrensrechtliche Stellung des Anfechtungsgegners bei der Gläubigeranfechtung durch das Finanzamt, Betriebs-Berater - BB - 1983, 309, 310).
Solange gegen die Steuerbescheide noch ein Rechtsmittel zulässig ist oder bei Einlegung eines solchen - wie hinsichtlich der im Streitfall erhobenen Klage - eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen ist, stehen sie im Sinne des AnfG nur den vorläufig vollstreckbaren Schuldtiteln, nicht dagegen den rechtskräftigen Entscheidungen der Zivilgerichte gleich (RG, Warn 1932 Nr. 17; Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 10 Anm. 1). Auch vorläufig vollstreckbare Schuldtitel reichen für die Anfechtungsbefugnis nach § 2 AnfG aus (vgl. Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 2 Anm. IV 1; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. März 1976 VII ZR 197/74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1976, 967).
Liegt ein nur vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel des Gläubigers vor, so schreibt das Gesetz in § 10 AnfG lediglich vor, daß in dem den Anfechtungsanspruch für begründet erklärenden Urteil die Vollstreckung desselben davon abhängig zu machen ist, daß die gegen den Schuldner ergangene Entscheidung rechtskräftig wird. Mit dem von Amts wegen in das Urteil im Anfechtungsprozeß aufzunehmenden Vorbehalt wird zwar eine Sicherung der Rechte des Anfechtenden erreicht, seine Befriedigung aber zum Schutze des Anfechtungsgegners so lange aufgeschoben, wie der gegen den Schuldner ergangene Titel noch nicht rechtskräftig geworden ist (vgl. BGH-Urteil in NJW 1976, 967, 968; Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 10 Einleitung). Daß auch Steuerbescheide, solange diese noch nicht unanfechtbar geworden sind, dem § 10 AnfG unterliegen, ist in Rechtsprechung und Schrifttum unbestritten (RG, Warn 1932 Nr. 17; BGH-Urteil in NJW 1976, 967, 968; Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 10 Anm. 1; App, BB 1983, 309, 310).
Der angefochtene Duldungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung entspricht der vorstehend erörterten Rechtslage. Das FA hat im Hinblick darauf, daß die gegen den Schuldner (Ehemann der Klägerin) ergangenen Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 mit der Klage angefochten und folglich noch nicht bestandskräftig geworden sind, in die Einspruchsentscheidung gemäß § 10 AnfG den Zusatz aufgenommen, daß die Vollstreckung (des Duldungsbescheids) vom Eintritt der Bestandskraft dieser Steuerbescheide abhängt. Daß eine dem Vorbehalt des § 10 AnfG entsprechende Bedingung in den Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO 1977 aufgenommen werden kann, hat der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545, 547 zum Ausdruck gebracht. Der Duldungsbescheid des FA stützt sich somit auf - im Sinne des AnfG - vorläufig vollstreckbare Schuldtitel, und er trägt deren Besonderheiten Rechnung. Das reicht als formelle Voraussetzung für die Anfechtbarkeit nach § 191 Abs. 1 AO 1977, § 2 AnfG aus. Daß die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 teilweise ausgesetzt worden ist, ist für deren vorläufige Vollstreckbarkeit i. S. des § 10 AnfG ohne Bedeutung. Hierfür ist allein maßgebend, daß die Bescheide wegen der gegen sie anhängigen Klage noch nicht bestandskräftig geworden sind. Der Senat braucht deshalb auch nicht zu entscheiden, ob die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts (§ 164 AO 1977), die als weitere Bedingung für die Vollstreckung des Duldungsbescheids in die Einspruchsentscheidung aufgenommen worden ist, dem Zusatz entspricht, den § 10 AnfG für vorläufig vollstreckbare Schuldtitel und unter Vorbehalt ergangene Zivilurteile vorschreibt (insoweit ablehnend: App, BB 1983, 309, 310, 311).
b) Zu Recht ist das FG auch von der Fälligkeit der - nach der Aufteilung der Gesamtschulden (vgl. §§ 268, 278 AO 1977) - gegenüber dem Ehemann der Klägerin bestehenden Steuerforderungen als weitere Voraussetzung für die Anfechtungsbefugnis des FA nach § 2 AnfG ausgegangen. Die Fälligkeit der mit dem Duldungsbescheid geltend gemachten Steuerbeträge aufgrund der Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 ergibt sich aus den §§ 220 Abs. 1 AO 1977, 36 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (einen Monat nach Bekanntgabe der Steuerbescheide). Daß die Anfechtung der Steuerbescheide die Fälligkeit der diesen zugrundeliegenden Forderungen und damit die Anfechtungsbefugnis nach dem AnfG nicht berührt, folgt bereits aus der oben dargestellten Sonderregelung über vorläufig vollstreckbare Schuldtitel in § 10 AnfG (vgl. auch § 361 Abs. 1 AO 1977, § 69 Abs. 1 FGO). Auch die (teilweise) Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide durch das FG hat die Fälligkeit der Steuerforderungen nicht aufgehoben.
Der erkennende Senat hat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 17. September 1987 VII R 50-51/86 in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - (Urteil vom 27. Oktober 1982 3 C 6.82, BVerwGE 66, 218, 221) entschieden, daß die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheids durch das FG nach § 69 Abs. 3 FGO die Fälligkeit der Forderung, die durch den Zugang des zugrundeliegenden Verwaltungsakts eingetreten ist, nicht beseitigt; er hat deshalb - ebenso wie das BVerwG - trotz der Aussetzung der Vollziehung des Bescheids eine Aufrechnung durch die Finanzbehörde, die gemäß § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Fälligkeit der Forderung voraussetzte, als wirksam angesehen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, daß die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO ebenso wie die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur dazu führt, daß der Verwaltungsakt nicht mehr vollzogen werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH läßt aber die Aussetzung die Wirksamkeit und den Bestand des ausgesetzten Verwaltungsakts unberührt (vgl. die Entscheidungen vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645, 646; vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, 138, BStBl II 1979, 678, und vom 6. Dezember 1979 IV B 32/79, BFHE 129, 300, 303, BStBl II 1980, 427). Die Fälligkeit gehört aber zum materiellen Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts. Durch die Aussetzung wird sie daher nicht berührt oder gar hinausgeschoben (vgl. Söhn in seiner Anm. zu BVerwGE 66, 218 in Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK-Anm. -, Abgabenordnung 1977, § 226, Rechtsspruch 4).
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung, daß die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids die Fälligkeit der mit diesem festgesetzten Steuerforderungen nicht beseitigt, auch hinsichtlich der in § 2 AnfG bestimmten formellen Anfechtungsvoraussetzungen fest. Für die dort vorausgesetzte Fälligkeit der Forderung des Gläubigers muß dies, wie das FA in seiner Revisionserwiderung ausgeführt hat, nach dem Sinn und Zweck der Gläubigeranfechtung insbesondere deshalb gelten, weil die Gegenmeinung, wie sie die Revision vertritt, dazu führen würde, daß der Gläubiger während der Dauer der Aussetzung der Vollziehung des Bescheids sein Anfechtungsrecht nicht geltend machen dürfte. Das könnte im Hinblick auf die in § 3 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 AnfG geregelten Anfechtungsfristen auch in solchen Fällen zu einem endgültigen Rechtsverlust führen, in denen die Aussetzung der Vollziehung später aufgehoben und die angefochtenen Bescheide bestandskräftig werden. Eine solche Rechtsauslegung würde den Gläubiger im Verhältnis zum Anfechtungsgegner unangemessen benachteiligen. Letzterer ist - wie oben ausgeführt - vor einer voreiligen Erzwingung des Rückgewähranspruchs (§ 7 AnfG) bereits dadurch ausreichend geschützt, daß bei einem nur vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel - wie er im Falle der Aussetzung der Vollziehung stets gegeben ist - das Rückgewährurteil im Zivilverfahren bzw. der Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO 1977 nach § 10 AnfG mit dem Vorbehalt zu versehen sind, daß die Vollstreckung von der Rechtskraft (Bestandskraft) des Titels abhängig gemacht wird.
Die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids hat zwar nach überwiegender Meinung zur Folge, daß keine Säumniszuschläge mehr entstehen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 69 FGO Tz. 12; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Rdziff. 178; Buchstab in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 361 Rdziff. 38). Das wird zum Teil damit begründet, daß die Aussetzung der Vollziehung die Fälligkeit des Anspruchs hinausschiebt (vgl. § 240 Abs. 1 AO 1977). Wesentlich ist jedoch, daß Säumniszuschläge rechtlich und wirtschaftlich ein Druck- oder Zwangsmittel darstellen, das den Steuerpflichtigen anhalten soll, die Steuern rechtzeitig zu entrichten. Sie können deshalb als ein Mittel zur Vollziehung der auf eine Geldleistung gerichteten Steuerbescheide angesehen werden (so Beschluß in BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645, 646), von dem - unabhängig von der Fälligkeit des Anspruchs im materiellen Sinne - während der Aussetzung der Vollziehung der Bescheide naturgemäß kein Gebrauch gemacht werden darf. Die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden nach § 361 Abs. 2 und 3 AO 1977, § 69 Abs. 2 und 3 FGO steht in ihren Rechtsfolgen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO gleich (vgl. dazu § 361 Abs. 1 AO 1977, § 69 Abs. 1 FGO, § 80 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 und 5 VwGO). Wie oben ausgeführt, hat die Anfechtbarkeit von Bescheiden hinsichtlich der Geltendmachung der Rechte nach dem AnfG lediglich zur Folge, daß diese als vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel i. S. des § 10 AnfG anzusehen sind und das Rückgewährurteil bzw. der Duldungsbescheid in bezug auf ihre Vollstreckung mit dem Rechtskraftvorbehalt zu versehen sind.
Die Fälligkeit der Forderung als Anfechtungsvoraussetzung i. S. des § 2 AnfG wird von der Anfechtbarkeit und der Anfechtung des Schuldtitels nicht berührt. Das muß auch in den Fällen gelten, in denen es zur Erlangung des Suspensiveffekts - wie bei den Steuerbescheiden - einer besonderen (Aussetzungs-)Entscheidung bedarf.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt für den Streitfall, daß das FA nach § 2 AnfG befugt war, seinen Anfechtungsanspruch gegen die Klägerin wegen sämtlicher in den Einkommensteuerbescheiden 1973 bis 1978 festgesetzten und nach der Aufteilung auf den Ehemann entfallenden Steuerforderungen geltend zu machen und nicht nur - wie die Klägerin meint - wegen des Betrags von 47 540,20 DM, hinsichtlich dessen die Vollziehung der Bescheide durch das FG nicht ausgesetzt worden ist. Da die Fälligkeit der im Duldungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung genannten Steuerbeträge (insgesamt 474 343 DM) durch die nachfolgende Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide nicht beseitigt worden ist, blieb der Duldungsbescheid insgesamt rechtmäßig. Das FG hat ihn mit Recht (auch teilweise) nicht aufgehoben. Wegen der mangelnden Auswirkung der Aussetzung der Vollziehung auf die Fälligkeit der Forderungen nach § 2 AnfG kommt es im Streitfall - entgegen der Vorentscheidung - auf den Zeitpunkt, zu dem die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen müssen (letzte Verwaltungsentscheidung oder Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (s. hierzu Böhle/Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 2 Anm. II 1), nicht an.
Die Einwendungen der Klägerin gegen die Ermessensentscheidung des FA, sie durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO 1977 in Anspruch zu nehmen und diesen auch nach der teilweisen Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide aufrechtzuerhalten, greifen nicht durch. Sie beruhen auf der Prämisse, daß der Duldungsbescheid allenfalls noch in Höhe des nicht in der Vollziehung ausgesetzten Betrages von 47 540,20 DM hätte aufrechterhalten werden dürfen, daß es aber insoweit zur Sicherung des FA des Duldungstitels nicht mehr bedurft hätte. Wie oben ausgeführt, bestand aber für das FA und für das FG kein rechtlicher Anlaß, den Duldungsbetrag wegen der Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide herabzusetzen. In welcher Höhe die Klägerin die Zwangsvollstreckung in den ihr von ihrem Ehemann übertragenen Grundstücksanteil wegen auf den Ehemann entfallender Steuerschulden schließlich zu dulden hat, wird sich wegen des in die Einspruchsentscheidung aufgenommenen Zusatzes nach § 10 AnfG erst dann ergeben, wenn die Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 bestandskräftig geworden sind. Der angefochtene Duldungsbescheid ist aber in seiner gegenwärtigen Fassung nicht zu beanstanden.
c) § 2 AnfG fordert als letzte Voraussetzung für die Geltendmachung der Anfechtung, daß die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder anzunehmen ist, daß sie zu einer solchen nicht führen würde. Die Vorinstanz hat ihr Vorliegen im Streitfall mit der Begründung bejaht, daß der Ehemann der Klägerin nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen des FA im Juli 1982 erklärt habe, er sei mittellos und auf Sozialhilfe angewiesen. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung, gegen die von der Revision keine Einwendungen erhoben worden sind, an. Die in anderem Zusammenhang von der Klägerin erhobene unsubstantiierte Behauptung, ihr Ehemann sei in der Lage, den Betrag von 47 540,20 DM zu zahlen, ist insoweit unerheblich, da die im Duldungsbescheid aufgeführten Steuerforderungen diesen in der Vollziehung nicht ausgesetzten Steuerbetrag wesentlich übersteigen.
3. Der angefochtene Duldungsbescheid ist schließlich auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Dem FA steht das Anfechtungsrecht nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG und der daraus resultierende Rückgewähranspruch (§ 7 AnfG) zu, weil der Ehemann der Klägerin als Steuerschuldner seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück am 9. Oktober 1981, und damit innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Anfechtung (18. Oktober 1982) unentgeltlich auf die Klägerin übertragen hat. Die Erfüllung des Anfechtungstatbestands wird von der Revision nicht bestritten.
Fundstellen