Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker und Schiedsrichter
Leitsatz (NV)
Zur Abgrenzung der nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1973 begünstigten freiberuflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts von anderen nichtbegünstigten Tätigkeiten nach den Grundsätzen von BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213; BFHE 132, 136, BStBl II 1981, 193; und BFHE 72, 161, BStBl III 1961, 60).
Normenkette
UStG 1973 § 12 Abs. 2 Nr. 5; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1973 bis 1976 als Rechtsanwalt im Rahmen einer Sozietät und gelegentlich als Schiedsrichter und Testamentsvollstrecker tätig.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) besteuerte zunächst die Umsätze aus der Tätigkeit als Schiedsrichter und Testamentsvollstrecker erklärungsgemäß mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1973 - (5,5 v. H.). Nach einer Betriebsprüfung hielt das FA den ermäßigten Steuersatz für nicht anwendbar und errechnete die Umsatzsteuer aus den Bruttoeinnahmen mit dem vollen Steuersatz (11 v. H.).
Die Einsprüche gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 211 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1973 i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es trägt dazu im wesentlichen vor: Als Rechtsanwalt übe der Kläger zwar einen der in der Vorschrift genannten freien Berufe aus, fraglich sei jedoch, ob die weitere Voraussetzung der Vorschriften, nämlich die berufstypische Tätigkeit, gegeben sei. Schon die Behandlung der Einnahmen aus der Schiedsgerichts- und Testamentsvollstreckungstätigkeit des Klägers selbst lasse darauf schließen, daß dieser seine Sondertätigkeiten nicht als Bestandteil der Rechtsanwaltstätigkeit (ausschließlich in der Sozietät) angesehen habe. Anders als im Urteilsfall des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Dezember 1980 V R 27/76 (BFHE 132, 136, BStBl II 1981, 193 - Rechtsanwalt als Vormund -) sei damit von vornherein keine Vermischung von berufstypischen und anderen Tätigkeiten gegeben. Jedenfalls sei die Annahme des FG unzutreffend, die Tätigkeit als Schiedsrichter und als Testamentsvollstrecker gehöre zu den für den Rechtsanwaltsberuf typischen Tätigkeiten, wie der BFH im Urteil vom 3. Oktober 1985 V R 106/78 (BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213) entschieden habe. Das FG werde daher noch zu ermitteln haben, welche berufstypischen Rechtsanwaltstätigkeiten der Kläger im Rahmen seiner Schiedsgerichts- und Testamentsvollstreckungstätigkeiten tatsächlich ausgeübt habe. Zu dieser Frage werde es eingehendere Feststellungen als bisher treffen und insbesondere ermitteln müssen, welche der Tätigkeiten nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) abrechenbar gewesen seien. Das gelte insbesondere für die Testamentsvollstreckertätigkeit, weil diese in erheblichem Umfang auch von Angehörigen anderer Berufe wahrgenommen werde und sich grundsätzlich auf die Verteilung und Verwaltung des Nachlasses beschränke.
Ergänzend führt das FA hierzu aus, das FG sei nicht aufgrund der Akten über die Testamentsvollstreckung und die Schiedsgerichtsverfahren zu seiner Entscheidung gelangt, sondern allein aufgrund der spärlichen Unterlagen, die dem im Klageverfahren eingereichten Schriftsatz vom 10. September 1981 beigefügt gewesen seien. Diese hätten neben den Schiedsgerichtsverfahren nur die Testamentsvollstreckung V betroffen, obwohl daneben noch Einnahmen aus der Testamentsvollstreckung S angefallen gewesen seien, wie der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe. Gerade in der unterlassenen Aktenbeiziehung liege einer der gravierenden Mängel des angefochtenen Urteils, weil bei der geringen Zahl der zu prüfenden Testamentsvollstreckungen und Schiedsgerichtsverfahren für das FG kein Anlaß bestanden habe, die Urteilsbegründung auf Unterstellungen und Mutmaßungen zu stützen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger tritt der Revision des FA entgegen. Er hält die Auffassung des FG, die Tätigkeit als Schiedsrichter und Testamentsvollstrecker sei für einen Rechtsanwalt berufstypisch, revisionsrechtlich für nicht angreifbar. Diese Auffassung stehe auch mit dem BFH-Urteil in BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213 (das auf der Entscheidung des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22. Dezember 1966 VII ZR 195/64, BGHZ 46, 268 beruhe) im Einklang, nach der ein Geschäft, bei dem die Aufgabe im Vordergrund stehe, rechtlichen Beistand zu leisten, zur Beruftstätigkeit eines Rechtsanwalts gehöre. Gerade an dem Vorliegen dieser Voraussetzung lasse das Urteil des FG keinen Zweifel.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1973 ermäßigt sich die Steuer auf die Hälfte des allgemeinen Steuersatzes für die Lieferungen und die sonstigen Leistungen sowie den Eigenverbrauch aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Vorschrift zum einen die Zugehörigkeit zu einem freien Beruf voraus (liegt hier vor) und zum anderen, daß die Umsätze des Berufsangehörigen aus einer sog. berufstypischen Tätigkeit herrühren. Im Urteil vom 13. März 1987 V R 33/79 (BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524 - unter 2. b -) hat der Senat ausgeführt, daß die Testamentsvollstreckung keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit ist und daß aus der Anknüpfung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1973 an § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG folgt, daß nur solche Leistungen eines Rechtsanwalts im Rahmen seiner Amtsführung als Testamentsvollstrecker mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen sind, die berufstypische Besorgung von Rechtsangelegenheiten sind. Dazu gehören alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts im Rahmen von Testamentsvollstreckungen, die nach der BRAGO abrechenbar sind.
Das finanzgerichtliche Urteil war aufzuheben, weil es nicht auf diesen Abgrenzungsgrundsätzen beruht, die erst durch die spätere Rechtsprechung des BFH (seit dem Urteil in BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213) verdeutlicht worden sind.
Erforderlich ist nach diesen Grundsätzen die Prüfung der einzelnen Tätigkeiten des Anwalts im Rahmen der Testamentsvollstreckungen.
Das angefochtene Urteil beruft sich zwar auf die Auslegungsgrundsätze des BFH-Urteils vom 4. Dezember 1980 V R 27/76 (BFHE 132, 136, BStBl II 1981, 193). In diesem Urteil wurde nach den Feststellungen des FG die Übernahme von Vormundschaften durch einen Rechtsanwalt als anwaltschaftliche Berufsausübung angesehen, weil der Anwalt im dortigen Streitfall gerade als solcher zur Durchführung der in erheblichem Maß anfallenden rechtsberatenden und rechtsgestaltenden Tätigkeit bestellt worden war.
Den Feststellungen des FG ist jedoch nicht zu entnehmen, daß im vorliegenden Fall die entsprechende rechtsberatende und rechtsgestaltende Tätigkeit im Rahmen der Testamentsvollstreckungen tatsächlich angefallen ist. Wie das FA zu Recht ausführt, hat das FG keine eigenen Feststellungen anhand der Testamentsvollstreckungsunterlagen getroffen, sondern nur die Ausführungen des Klägers im Klageverfahren zu seiner Tätigkeit wiedergegeben. Dabei handelt es sich aber überwiegend um eigene rechtliche Würdigungen des Klägers der nicht weiter beschriebenen Tätigkeit bei der Testamentsvollstreckung. Das gilt insbesondere für die angesprochene Testamentsvollstreckungssache V, bezüglich der der Kläger aus einem (eigenen) Schreiben an den Erblasser vom 1. Februar 1965 herleitet, daß bei der Testamentsvollstreckung in dieser Sache die rechtliche Beratung oder Betreuung im Vordergrund gestanden habe. Es handelt sich somit um Folgerungen aus der Erstellung eines Testaments auf die erst 10 Jahre später folgende Durchführung der Testamentsvollstreckung. Einzelheiten über die Vollstreckungstätigkeit als solche sind nicht ersichtlich.
Nichts anderes gilt für die Feststellungen des FG zur Testamentsvollstreckung S (S. 10 des FG-Urteils). Auch hier gibt das FG nur den Vortrag des Klägers wieder, er habe wegen der verwickelten Familienverhältnisse von seiner Entscheidungsbefugnis zur Auslegung des Testaments mehrfach Gebrauch machen müssen und u. a. ein Familienmitglied zu einem Erbverzicht bewogen, um erbrechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen. Es ist nicht ersichtlich, welche Tätigkeiten tatsächlich durchgeführt worden sind.
Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als Schiedsrichter stützt sich das FG auf das BFH-Urteil vom 17. November 1960 IV 135/58 U (BFHE 72, 161, BStBl III 1961, 60), nach dem die Übernahme eines Schiedsrichteramts in Rechtsstreitigkeiten in den Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts fällt und nicht zu einer Steuerbegünstigung nach § 34 Abs. 5 UStG 1952 führen kann. Der Senat kann offenlassen, inwieweit das Urteil mit den Grundsätzen der vorbezeichneten neueren BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung begünstigter freiberuflicher Tätigkeiten von anderen nicht begünstigten Tätigkeiten vereinbar ist. Das FG hat seine Auffassung, der Kläger habe auch hier im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit gewirkt, auf ein Schreiben der Handelskammer vom 9. September 1981 gestützt, mit dem bestätigt wurde, der Kläger sei als Schiedsrichter vorgeschlagen, weil er als Rechtsanwalt mit wirtschaftsorientierter Praxis über die im Schiedsgerichtsverfahren erforderlichen juristischen Kenntnisse und Erfahrungen verfüge. Im Hinblick auf diese Feststellungen ist die Würdigung des FG nicht zu beanstanden. Sie ist mit dem rechtlichen Ausgangspunkt des Urteils in BFHE 132, 136, BStBl II 1981, 193 vereinbar und wird vom FA auch letztlich nicht angegriffen.
Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, weil der Senat mangels Feststellungen zur Tätigkeit im einzelnen an einer eigenen abschließenden Entscheidung gehindert ist.
Fundstellen
Haufe-Index 417293 |
BFH/NV 1991, 126 |