Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Ausschüttungen eines Wertpapierfonds im Erhebungszeitraum 2002
Leitsatz (NV)
Die Ausschüttungen eines Wertpapierfonds (Erträge aus Streubesitzbeteiligung) unterlagen im Erhebungszeitraum 2002 beim Anteilsscheininhaber der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung auch insoweit, als sie auf Dividendenerträgen des Fonds beruhen, die dieser im Erhebungszeitraum 2001 aus seiner Beteiligung an Körperschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union vereinnahmt hatte. Verfassungs- und Unionsrecht stehen dem nicht entgegen.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 5; KAGG § 39 Abs. 1, § 40 Abs. 2; KStG § 8b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 25.06.2019 - 6 K 1543/16 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Kreditinstitut, das seine gewerblichen Einkünfte durch Bilanzierung ermittelt.
Rz. 2
Die Klägerin hielt Anteile an inländischen Investmentfonds mit vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahren. Die Investmentfonds schütteten im Jahr 2002 (Streitjahr) Erträge aus. Diese beruhten in Höhe von... € auf Dividenden, die den Investmentfonds bereits im Jahr 2001 aus deren Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften zugeflossen waren.
Rz. 3
In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin neben dem Gewerbeertrag einen Hinzurechnungsbetrag gemäß § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) in Höhe von... €.
Rz. 4
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ einen Gewerbesteuermessbescheid, gegen den die Klägerin Einspruch einlegte. Im Laufe des Einspruchsverfahrens machte die Klägerin u.a. geltend, dass die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG in Höhe der von den Fonds im Jahr 2001 erzielten ausländischen Dividendenerträge (... €) aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen zu unterbleiben habe. Dem folgte das FA in seiner Einspruchsentscheidung nicht. Es war der Auffassung, dass auch die den Investmentfonds im Jahr 2001 zugeflossenen Dividenden aus Streubesitz dem Gewerbeertrag zu Recht hinzugerechnet worden seien. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei § 8 Nr. 5 GewStG hinsichtlich der Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen "lediglich" im Erhebungszeitraum 2001 nicht anzuwenden. Diese Rechtsprechung betreffe indes nicht den Erhebungszeitraum 2002, für den § 8 Nr. 5 GewStG anzuwenden sei und in dem die Klägerin zutreffend die Ausschüttungen der Fonds bilanziell erfasst habe.
Rz. 5
Das angerufene Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Urteil des FG München vom 25.06.2019 - 6 K 1543/16, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2019, 1608).
Rz. 6
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Rz. 7
Sie beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und den Gewerbesteuermessbescheid für 2002 vom 05.12.2019 dahingehend zu ändern, dass die Hinzurechnung der Gewinnanteile und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes gemäß § 8 Nr. 5 GewStG um... € vermindert wird.
Rz. 8
Das FA beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
II. Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 10
1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat.
Rz. 11
Das FG hat über den Bescheid über den ursprünglich angefochtenen Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr vom 27.04.2016 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 05.12.2019 getreten, der nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos. Da sich durch den Änderungsbescheid die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs aber nicht geändert haben, kann der Senat über die streitige Rechtsfrage selbst entscheiden und muss die Sache nicht nach § 127 FGO an das FG zurückverweisen (vgl. allgemein z.B. Senatsbeschluss vom 12.09.2018 - I R 77/16, BFH/NV 2019, 296; Senatsurteil vom 16.12.2009 - I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492, jeweils m.w.N.).
Rz. 12
2. Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Die Hinzurechnung der Erträge aus den Anteilsscheinen an den Investmentfonds im streitigen Gewerbesteuermessbescheid für 2002 entspricht dem Grunde und der Höhe nach den einfach-rechtlichen Vorgaben (nachfolgend unter a). Verfassungs- oder unionsrechtliche Bedenken gegen die Hinzurechnung bestehen nicht (nachfolgend unter b). Die sonstigen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch (nachfolgend unter c).
Rz. 13
a) aa) Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Gemäß § 8 Nr. 5 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie --wie im Streitfall-- nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 8b Abs. 5 KStG (u.a.) 2002 unberücksichtigt bleiben, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
Rz. 14
Gemäß § 40 Abs. 2 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften in der im Streitjahr geltenden Fassung (KAGG) sind § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG auf ausgeschüttete und nicht zur Ausschüttung oder Kostendeckung verwendete inländische und ausländische Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG anzuwenden. Die nicht zur Ausschüttung oder Kostendeckung verwendeten Einnahmen gelten nach § 39 Abs. 1 Satz 2 KAGG mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt worden sind, als zugeflossen. Zu den --inländischen und ausländischen-- Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG gehören insbesondere Dividenden von inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften (Senatsurteil vom 03.03.2010 - I R 109/08, BFHE 229, 351).
Rz. 15
bb) Ist der Anteilsscheininhaber eine Kapitalgesellschaft, folgt aus dem in § 40 Abs. 2 KAGG enthaltenen Verweis auf § 8b Abs. 1 KStG, dass vom Wertpapier-Sondervermögen bezogene Dividenden, die in den Einnahmen i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG enthalten sind, bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft außer Ansatz bleiben.
Rz. 16
cc) Nach der Rechtsprechung des Senats sind solche Bezüge nach § 8 Nr. 5 GewStG zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. Denn die Erträge aus Anteilsscheinen an einem Wertpapier-Sondervermögen zählen zu den Bezügen und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, die nach § 8 Nr. 5 GewStG Gewinnanteilen gleichgestellt sind. Das folgt daraus, dass das Wertpapier-Sondervermögen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 KAGG als Zweckvermögen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG gilt; es ist daher steuerrechtlich als Vermögensmasse anzusehen, an der die Anteilsscheininhaber beteiligt sind. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Anteilsscheine an dem Wertpapier-Sondervermögen zivilrechtlich keine Anteile an einer Vermögensmasse vermitteln, sondern lediglich Miteigentum bzw. Mitgläubigerschaft an den Finanzinstrumenten des Sondervermögens verbriefen (Senatsurteil in BFHE 229, 351, m.w.N.).
Rz. 17
dd) Aus den vorstehend wiedergegebenen Maßstäben folgt, dass im Streitfall auch die von den Fonds bezogenen Auslandsdividenden, die in den von der Klägerin im Erhebungszeitraum 2002 vereinnahmten Ausschüttungen enthalten waren, der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterliegen. Denn die einschlägigen Gesetzesbestimmungen machen keine Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Dividenden.
Rz. 18
ee) Auch die zeitliche Zuordnung der Fondsausschüttungen ist im angegriffenen Bescheid fehlerfrei vollzogen worden. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 KAGG ist der Fondsanleger mit seinen ausgeschütteten Fondserträgen im Grundsatz vollen Umfangs steuerbar und steuerpflichtig. Soweit darin Dividendeneinnahmen des Fonds enthalten sind, ordnet § 40 Abs. 2 KAGG die Steuerfreiheit an. Daran knüpft wiederum die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG an. Was die zeitliche Zuordnung der steuerfreien Fondsausschüttungen angeht, so trifft das KAGG für betriebliche Anleger keine spezielle Regelung; die zeitliche Erfassung von Fondsausschüttungen auf bilanzierte Anteilsscheine richtet sich daher nach den allgemeinen steuerbilanziellen Grundsätzen (Senatsurteil vom 18.05.1994 - I R 59/93, BFHE 175, 400, BStBl II 1995, 54; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, § 39 KAGG Rz 29). Insoweit sind zum Bilanzstichtag bereits zivilrechtlich --auf der Grundlage der Vertragsbedingungen der Fonds-- entstandene Ausschüttungsansprüche beim bilanzierenden Fondsanleger zu aktivieren (Senatsurteil in BFHE 175, 400, BStBl II 1995, 54). Danach hatte die ihren Gewinn gemäß §§ 8 Abs. 1 KStG, 4 Abs. 1 EStG ermittelnde Klägerin die unterjährig im Jahr 2002 erhaltenen Fondsausschüttungen zweifelsfrei im Erhebungszeitraum 2002 zu erfassen.
Rz. 19
b) Die von der Klägerin erhobenen verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken gegen die Hinzurechnung teilt der Senat nicht.
Rz. 20
aa) Im Unterschied zu der Konstellation, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 (BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932) zugrunde lag und die die Hinzurechnung von Vorabausschüttungen im Erhebungszeitraum 2001 betraf, wird mit der Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG im konkreten Streitfall das Gewerbesteuerrecht gerade nicht während des laufenden Erhebungszeitraumes umgestaltet. Denn das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts --Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz-- (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35), mit dem § 8 Nr. 5 GewStG und die dazu gehörende zeitliche Anwendungsbestimmung des § 36 Abs. 4 GewStG im Gewerbesteuerrecht verankert wurde, datiert auf den 20.12.2001 und hat damit, was den Erhebungszeitraum 2002 angeht, lediglich in die Zukunft hinein gewirkt. Das ist ein für die verfassungsrechtliche Beurteilung gravierender Unterschied, weil unecht rückwirkende Gesetzesänderungen mit Wirkung für den bereits laufenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum eine große Nähe zu echten Rückwirkungen aufweisen und deshalb gesteigerten verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen unterliegen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, Rz 45; vom 25.03.2021 - 2 BvL 1/11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2021, 712; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.10.2019 - XI R 43/18, BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281). Geht es, wie im Streitfall, indes um Rechtsänderungen mit Wirkung für künftige Veranlagungs- und Erhebungszeiträume, ist zu beachten, dass die allgemeine Erwartung der Steuerpflichtigen, die einen steuerrelevanten Geschäftsvorgang abgeschlossen haben, dass das geltende Recht zukünftig unverändert fortbestehen werde, grundsätzlich keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt, soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten (z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, Rz 45 und 54; BFH-Beschluss in BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281). Solche besonderen Momente der Schutzwürdigkeit vermag der Senat weder dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen noch sonst zu erkennen.
Rz. 21
bb) Auch im Hinblick auf die unionsrechtliche Würdigung bestehen zwischen der Konstellation, über die der Senat in seinem Urteil vom 06.03.2013 - I R 14/07 (BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349) zu entscheiden hatte, und dem vorliegend zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt erhebliche Unterschiede.
Rz. 22
aaa) Der Senat ist von einer Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit aufgrund der im Erhebungszeitraum 2001 bestehenden rechtlichen Unterschiede bei der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung von Auslandsdividenden einerseits und Inlandsdividenden andererseits ausgegangen. Während im Erhebungszeitraum 2001 zugeflossene Dividendeneinnahmen aus der Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Gegenstand der Hinzurechnung bei den klagenden Unternehmen waren, unterlagen Dividendeneinnahmen aus der Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften mangels zeitlicher Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG im Erhebungszeitraum 2001 nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung (zu den Einzelheiten vgl. Senatsurteil in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349). Darin hat der Senat eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen.
Rz. 23
bbb) Demgegenüber geht es im Streitfall um die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Fondsausschüttungen, die im Erhebungszeitraum 2002 vereinnahmt wurden.
Rz. 24
Im Erhebungszeitraum 2002 wurden Fondsausschüttungen --und auch Dividendeneinnahmen bei Direktbeteiligungen-- unterschiedslos der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterworfen. Denn § 8b Abs. 1 KStG ist im Erhebungszeitraum 2002 bei Gewinnausschüttungen in- wie ausländischer Kapitalgesellschaften bei Direktbeteiligung unmittelbar anwendbar. Bei Fondsbeteiligungen greift § 8 Nr. 5 GewStG ein, weil § 40 Abs. 2 KAGG die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG anordnet, wenn der Fonds Einnahmen i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG hatte, wozu insbesondere Dividenden von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften gehören (Senatsurteil in BFHE 229, 351, Rz 14). Auch diesbezüglich liegt also keine gewerbesteuerrechtliche Diskriminierung der (mittelbaren) Beteiligung an einer Auslandsgesellschaft vor.
Rz. 25
Im Erhebungszeitraum 2001 kommt es nach der vom Senat festgestellten Rechtslage ebenfalls nicht zu einer gewerbesteuerrechtlichen Diskriminierung der Auslandsbeteiligung. Bei Direktanlagen folgt dies unmittelbar aus dem Senatsurteil in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349. Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass dem Niedersächsischen FG (Urteil vom 25.01.2018 - 6 K 145/16, EFG 2018, 1041, Revision beim BFH Az. I R 5/18) darin zu folgen wäre, dass die Grundsätze des zu einer Direktanlage ergangenen Senatsurteils in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349 auf eine im Erhebungszeitraum 2001 erfolgte Fondsausschüttung zu übertragen wären, käme es auch bei Fondsanlagen nicht zu einer Hinzurechnung im Hinblick auf ausländische Dividendenerträge des Fonds. Im Ergebnis müssten Gewinn- und Fondsausschüttungen aus unmittelbaren und aus mittelbaren Auslandsbeteiligungen aus unionsrechtlichen Gründen gewerbesteuerfrei bleiben, um die Gleichbehandlung mit Ausschüttungen in Zusammenhang mit Inlandsbeteiligungen zu gewährleisten.
Rz. 26
Es ist festzustellen, dass es sowohl im Erhebungszeitraum 2001 (infolge der Gewerbesteuerfreiheit jedes unmittelbaren und mittelbaren Streubesitzdividendenbezugs auf der Grundlage des Senatsurteils in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349 und der zugunsten der Klägerin angenommenen Übertragung der Grundsätze dieses Urteils auf im Jahr 2001 getätigte Fondsausschüttungen) als auch im Erhebungszeitraum 2002 (infolge der Gewerbesteuerpflicht jedes unmittelbaren und mittelbaren Streubesitzdividendenbezugs) nicht zu einer unionsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung zwischen dem In- und dem Auslandssachverhalt kommt. Die Ungleichbehandlung zwischen inländischen Gewerbesteuerpflichtigen, die im Erhebungszeitraum 2001 Ausschüttungen zu versteuern haben (keine Hinzurechnung), und solchen inländischen Steuerpflichtigen, die vergleichbare Ausschüttungen im Erhebungszeitraum 2002 bezogen haben (Hinzurechnung), ist aber keine Frage des Unionsrechts, sondern allein des nationalen Verfassungsrechts. Dass steuerbare Vorgänge in früheren Besteuerungszeiträumen anders behandelt wurden als in späteren, hat der Steuerpflichtige unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich hinzunehmen. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf eine zukünftig gleichbleibende Rechtslage (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.05.2009 - 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, BStBl II 2009, 685, Rz 14). In diesem Sinne gibt es keine Gleichheit in der Zeit (dazu z.B. Kanzler, Finanz-Rundschau 2010, 987).
Rz. 27
c) aa) Das Petitum der Klägerin geht somit im Kern nicht dahin, einen Unionsrechtsverstoß abzuwehren. Vielmehr möchte sie, gewissermaßen mit einer "doppelten Fiktion", so gestellt werden, als habe sie erstens eine Direktanlage getätigt und zweitens die steuerbare Einnahme bereits im Erhebungszeitraum 2001 erzielt. In diesem fiktiven Fall hätten die --tatsächlich vom Fonds im Erhebungszeitraum 2001 vereinnahmten-- Auslandsdividenden nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterlegen, während sie als Teil der real bewirkten Fondsausschüttung des Jahres 2002 gewerbesteuerrechtlich belastet sind. Dafür bietet das Unionsrecht aber keine Grundlage. Und auch das dem nationalen Recht zugrunde liegende "eingeschränkte Transparenzprinzip" (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 229, 351, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281, Rz 53) vermag der Klägerin nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar kommt das Transparenzprinzip in § 40 Abs. 2 KAGG durch den Verweis auf § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck und sollen körperschaftsteuerpflichtige Anteilsscheininhaber im Hinblick auf die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG wie Direktanleger behandelt werden (Senatsurteil in BFHE 229, 351, Rz 28). Jedoch überwindet diese punktuelle, weil allein auf die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG bezogene Transparenzbetrachtung nicht die systemprägenden Unterschiede zwischen der Fondsbesteuerung und der "Regelbesteuerung" nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes. So hat der Gesetzgeber des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften, das spezialgesetzlich und damit vorrangig die Besteuerung der Fondsanleger regelt (Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, a.a.O., Vor §§ 37n ff. KAGG Rz 16), gerade keine zeitkongruente Versteuerung der Fondsausschüttung mit Vereinnahmung beim Fonds vorgesehen (Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, a.a.O., Vor §§ 37n ff. KAGG Rz 14). Gegenstand der Anlegerbesteuerung ist nicht der Dividendenbezug auf der Fondseingangsseite, sondern allein die Fondsausschüttung auf der Fondsausgangsseite, die spezialgesetzlich als Einkunft aus Kapitalvermögen bzw. Betriebseinnahme qualifiziert (§ 39 Abs. 1 Satz 1 KAGG) und, soweit es nicht um thesaurierte Erträge geht, erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung (Zufluss der Zahlung oder Aktivierung des Zahlungsanspruchs) beim Anleger von diesem zu versteuern ist. Die von sachlichen Gründen getragene gesetzliche Differenzierung zwischen Direkt- und Fondsanlage ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Rz. 28
bb) Soweit die Klägerin aus anderen Gerichtsentscheidungen Argumente für ihre Sicht der Dinge herleiten zu können glaubt, folgt ihr der Senat nicht. So betrifft das bereits erwähnte Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2018, 1041 (Revision beim BFH Az. I R 5/18) eine im Erhebungszeitraum 2001 zu versteuernde Fondsausschüttung, worin ein entscheidender Unterschied zum Streitfall zu sehen ist. Dasselbe gilt für das Senatsurteil vom 28.10.2009 - I R 27/08 (BFHE 227, 73, BStBl II 2011, 229), das die vom Senat als unionsrechtswidrig qualifizierte Beschränkung des Abzugsverbots auf negative Aktiengewinne, die auf Beteiligungen der Investmentfonds an ausländischen Kapitalgesellschaften beruhen, betraf. Die steuerbaren Vorgänge (Rückgabe und Veräußerung der Anteilsscheine) betrafen das Jahr 2001, allein in diesem Jahr war aufgrund der zeitlichen Anwendungsbestimmungen für den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren eine Ungleichbehandlung der negativen Aktiengewinne bei mittelbaren (über Fonds gehaltenen) Beteiligungen an ausländischen oder inländischen Kapitalgesellschaften festzustellen. Soweit im Senatsurteil vom 14.12.2011 - I R 92/10 (BFHE 236, 106, BStBl II 2013, 486) aus dem das Jahr 2001 betreffenden Unionsrechtsverstoß bei der Behandlung negativer Aktiengewinne von möglichen Folgewirkungen für das Jahr 2004 gesprochen wird, vermag der Senat solche Folgewirkungen im Streitfall nicht zu erkennen.
Rz. 29
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
BFH/NV 2022, 334 |
StuB 2022, 196 |
AG 2022, 445 |