Leitsatz (amtlich)
1. Anteile an einer Schein-GmbH & Co. KG können Anteile an einer Kapitalgesellschaft sein.
2. Zur Berücksichtigung der Ermittlungspflicht des FA und der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei der Berichtigung eines Steuerbescheides gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO.
2. Zur Frage der Gesamtaufrollung.
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Schiffahrtsgesellschaft X. mbH & Co. KG (KG) ist im Dezember 1969 gegründet worden. Persönlich haftende Gesellschafterin wurde die Klägerin, eine GmbH. Als einziger Kommanditist ist am 9. Dezember 1969 A. mit einer Einlage von 5 000 DM in das Handelsregister eingetragen worden. Laut Gesellschaftsvertrag vom 29. Dezember 1969 betrug das Kommanditkapital 4 000 000 DM 1). Es wurde in Höhe von 2 500 000 DM 1) von A namens der in Gründung befindlichen A Treuhand GmbH und in Höhe von 1 500 000 DM 1) von der B Aktiengesellschaft & Co. KG gezeichnet. Die Treuhand GmbH war ihrerseits Treuhänderin für eine größere Anzahl von Treugebern.
In § 3 Abs. 3 des genannten Gesellschaftsvertrages war bestimmt, daß die Kommanditisten ein zinsloses Darlehen in Höhe von 12 000 000 DM 1) zu leisten hätten. Für dieses Darlehen sollte ein gesonderter Darlehensvertrag abgeschlossen werden. Die Darlehensbeträge seien gleichzeitig mit den Kommanditeinlagen zu entrichten.
Gegenstand der nach dem sogenannten Bremer Modell errichteten KG war der Bau eines Motorschiffes und der Betrieb der Seeschiffahrt mit diesem Schiff.
Am 7. Juli 1970 teilte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin der Kapitalverkehrsteuerstelle des beklagten Finanzamts (FA) auf eine entsprechende Anfrage mit, daß die KG bei diesem FA unter der Steuernummer ... geführt werde. In den dortigen Steuerakten befänden sich eine Gesellschafterliste, ein Gesellschaftsvertrag und eine Eröffnungsbilanz. Die Einzahlungen auf das Kapital seien in voller Höhe erbracht worden.
In den Kapitalverkehrsteuerakten befinden sich im Anschluß an dieses Schreiben des damaligen Bevollmächtigten Ablichtungen des Gesellschaftsvertrages vom 29. Dezember 1969, der Gesellschafterliste mit den Zeichnungssummen und eine vorläufige Bilanz auf den 31. Dezember 1969 nebst einer Verlust- und Gewinnrechnung. Die Gesamtzeichnungssumme, die sowohl die Kommanditeinlagen als auch die Darlehen umfaßt, beträgt 16 000 000 DM 1).
Das FA setzte durch Bescheid vom 16. Juli 1970 die Gesellschaftsteuer für den ersten Erwerb eines neu entstandenen Gesellschaftsrechts (Gegenleistung 5 000 DM) auf 125 DM und durch einen weiteren Bescheid vom gleichen Tage die Gesellschaftsteuer wegen der weiteren Kommanditeinlagen von 3 995 000 DM 1) auf 99 875 DM 1) fest. Die Steuern sind entrichtet.
Im März 1974 begann bei der KG eine Betriebsprüfung. Im August 1974 übersandte die Betriebsprüfungsstelle der Kapitalverkehrsteuerstelle einen Vermerk, in dem der Prüfer darauf hinwies, daß ein gezahltes Aufgeld von 3 v. H. von 16 000 000 DM 1) (= 480 000 DM 1)) nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen worden sei. Außerdem wies er darauf hin, daß es Bedingung des Beitritts der Kommanditisten zur KG gewesen sei, ein unverzinsliches Darlehen in Höhe des Dreifachen der Kommanditbeteiligung einzuzahlen. Die Rückzahlung sei durch ausländische Großbanken gesichert. Sie sei nur bei gleichzeitigem Ausscheiden aus der KG möglich. Es liege evtl. ein Umgehungstatbestand i. S. des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) vor.
Das FA erließ nunmehr einen auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützten berichtigten Steuerbescheid über 412 000 DM 1) (2,5 v. H. von 16 480 000 DM 1), der Gesamtsumme der Kommanditeinlagen, der Darlehen und der Aufgelder). Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin mit ihrer Klage die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides und der Einspruchsentscheidung beantragt.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klagantrag weiterverfolgt.
Sie hat im wesentlichen gerügt: Der angefochtene Steuerbescheid sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO hätten nicht vorgelegen. In diesem Zusammenhang werde auch die Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügt.
§ 2 (Abs. 1) Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1959) sei auf die Leistungen an eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar. Im übrigen unterliege die Darlehensgewährung durch die Gesellschafter auch bei einer Bejahung der Anwendung des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959 nicht der Gesellschaftsteuer. Allenfalls sei gemäß § 8 Nr. 2 KVStG 1959 der Wert des Zinsverzichtes anzusetzen.
Schließlich habe das FG dadurch gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verstoßen, daß es die Entscheidung nicht zurückgestellt habe, bis die Frage endgültig geklärt worden sei, ob die Kommanditisten im vorliegenden Fall ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmer anzusehen seien oder, wie dies die Finanzverwaltung annehme, nicht Mitunternehmer seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Der angefochtene Steuerbescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. Nr. 1 dieser Begründung). Er ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil er in vollem Umfang auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt worden ist, obwohl nach Sachlage nicht auszuschließen ist, daß er (zumindest zum Teil) ein mit einem Wiederholungsbescheid verbundener Erstbescheid ist (vgl. Nr. 2 der Begründung). Materielle Fehler enthält der angefochtene Steuerbescheid nicht (vgl. Nrn. 3 und 4 der Begründung). Insbesondere sind auch die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO insoweit erfüllt, als der angefochtene Steuerbescheid ein Berichtigungsbescheid ist (vgl. Nrn. 5 und 6 der Begründung).
1.-3. ... (Diese Ausführungen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt, weil sie inhaltlich weitgehend mit den entsprechenden Ausführungen in dem Urteil vom 12. Oktober 1983 II R 56/81 [BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140] übereinstimmen.)
4. An der Steuerpflicht in dem vom FA angenommenen und vom FG bestätigten Umfang ändert sich auch dann nichts, wenn angenommen wird, daß die GmbH & Co. KG zu Unrecht (als Kommanditgesellschaft) in das Handelsregister eingetragen worden ist, weil sie z. B. die Voraussetzungen des § 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) nicht erfüllt hat. Es kann dabei auf sich beruhen, ob die Klägerin in diesem Fall nicht die Voraussetzungen des § 5 HGB erfüllte (vgl. § 6 Abs. 1 HGB) und deshalb (jedenfalls für den Privatrechtsverkehr, vgl. Brüggemann in Staub, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 4. Aufl., § 5 Tz. 24) als Vollkaufmann und damit als Kommanditgesellschaft zu behandeln ist. Denn auch für den Fall, daß die GmbH & Co. KG mangels Gewinnerzielungsabsicht kein Gewerbe betrieben haben und deshalb nur als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) entstanden sein sollte, ist davon auszugehen, daß die Anteile der Gesellschafter, die sich als Kommanditisten beteiligt haben, als Anteile i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 zu beurteilen sind.
Diese Anteile wären zwar nur Anteile an einer GdbR. Derartige Anteile sind aber deshalb wie Kommanditanteile zu behandeln, weil sie privatrechtlich nach den Regeln über die Rechtsscheinhaftung wie Kommanditanteile zu behandeln sind. Im Innenverhältnis gelten bei der Schein-GmbH & Co. KG die Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrages über die beschränkte Haftung der als Kommanditisten eingetretenen Gesellschafter und ergänzend die für die Gesellschaften maßgebenden Regeln des HGB. Nach außen geht die Rechtsscheinhaftung nicht weiter. Denn angesichts der Eintragung der GmbH & Co. KG in das Handelsregister geht die Rechtsscheinhaftung regelmäßig nicht weiter als beim Bestehen einer Kommanditgesellschaft (vgl. hierzu BGH-Urteile vom 25. Juni 1973 II ZR 133/70, BGHZ 61, 59; vom 26. November 1979 II ZR 256/78, NJW 1980, 784; vgl. ferner Ulmer im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 714 Tz. 29, 32).
Daß die Schein-GmbH & Co. KG im § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 nicht erwähnt wird, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Durch diese Vorschrift sollen Kommanditanteile an Kommanditgesellschaften erfaßt werden, die ihr besonderes Gepräge durch Kapitalgesellschaften erhalten, die als persönlich haftende Gesellschafter den Kommanditgesellschaften beigetreten sind. Diese Voraussetzungen liegen auch bei einer Schein-GmbH & Co. KG vor, die als Kommanditgesellschaft in das Handelsregister eingetragen worden ist. Denn auch in diesem Falle kann die vereinbarte Haftungsbeschränkung der als Kommanditisten beigetretenen Gesellschafter wegen der Eintragung dieser Gesellschafter als Kommanditisten in das Handelsregister regelmäßig auch Dritten gegenüber geltend gemacht werden. Unter diesen Umständen gibt es keine Gründe, eine in das Handelsregister eingetragene Schein-GmbH & Co. KG nicht als Kommanditgesellschaft i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 zu behandeln.
Der Wortlaut der Vorschrift steht dem nicht entgegen. Da die Vorschrift keine eigene Definition der Kommanditisten und der Kommanditgesellschaften enthält, ist es möglich, diese Begriffe nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift in Anlehnung an das Gesellschaftsrecht und unter Heranziehung der Grundsätze der Rechtsscheinhaftung auf alle als Kommanditgesellschaften eingetragenen Gesellschaften anzuwenden, auch wenn die Eintragung ausnahmsweise zu Unrecht erfolgt sein sollte.
Dieser Auslegung der Vorschrift ist auch deshalb der Vorzug vor einer engeren Auslegung zu geben, weil sie zu einer größeren Klarheit führt. Es braucht im Einzelfall nicht untersucht zu werden, ob eine als Kommanditgesellschaft eingetragene Gesellschaft zu Recht eingetragen worden ist.
Unter diesen Umständen braucht im vorliegenden Falle nicht geprüft zu werden, ob die GmbH & Co. KG nur eine Schein-GmbH & Co. KG ist.
Ohne Einfluß auf die Entscheidung ist es, ob die als Kommanditisten der GmbH & Co. KG beigetretenen Gesellschafter einkommensteuerrechtlich als Mitunternehmer behandelt werden oder nicht. Auch wenn sie einkommensteuerrechtlich keine Mitunternehmer sein sollten, bleiben sie handelsrechtlich Kommanditisten oder wie Kommanditisten haftende Gesellschafter einer GmbH & Co. KG oder einer Schein-GmbH & Co. KG. Die Frage, ob ein Gesellschafter einkommensteuerrechtlich Mitunternehmer ist oder nicht, ist ebenso wie bei der Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1959 (vgl. die BFH-Urteile vom 14. Juni 1972 II R 116/69, BFHE 106, 239, BStBl II 1972, 734, und vom 7. Februar 1973 II R 60/72, BFHE 109, 85, BStBl II 1973, 507) für die Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 ohne Bedeutung. Unter diesen Umständen besteht keine Veranlassung, das Ergebnis des Revisionsverfahrens in der Sache IV R 207/79 (Beschluß vom 26. August 1982, BFHE 136, 405, BStBl II 1982, 771) abzuwarten.
5. Soweit der angefochtene Bescheid ein Berichtigungsbescheid ist, ist er vom FA zu Recht auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt worden. Als die Kapitalverkehrsteuerstelle die beiden Bescheide vom 16. Juli 1970 erließ, war ihr zwar die Tatsache der Darlehensgewährung (wenn auch nicht deren nähere Umstände), nicht aber die Tatsache bekannt, daß auch Aufgelder in Höhe von 437 400 DM gezahlt worden waren. Diese Tatsache wurde für die Kapitalverkehrsteuerstelle erst durch die Mitteilung der Betriebsprüfungsstelle vom August 1974 offenkundig; sie ist somit neu. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
Ohne Bedeutung ist es, ob sich etwa im Zeitpunkt des Erlasses der Erstbescheide die Tatsache der Gewährung von Aufgeldern aus den durch die zuständige Veranlagungsstelle geführten Steuerakten ergab. Denn was dieser Stelle bekannt war, war damit nicht auch der Kapitalverkehrsteuerstelle bekannt. Grundsätzlich ist jeder Stelle nur das bekannt, was sich aus den von ihr geführten Akten ergibt (vgl. das BFH-Urteil vom 6. April 1971 VI R 161/67, BFHE 102, 343, BStBl II 1971, 610). Etwas anderes ist auch nicht dem Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82 (BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548) zu entnehmen. Dort ist nur darüber entschieden worden, daß das Wissen der Veranlagungsstelle ggf. der Rechtsmittelstelle zuzurechnen ist. Für das Verhältnis der Veranlagungsstelle zur Kapitalverkehrsteuerstelle kann daraus nichts hergeleitet werden.
Es ist ohne Bedeutung, auf welchem Wege die Ablichtungen des Gesellschaftsvertrages, der Gesellschafterliste und der Bilanz in die Kapitalverkehrsteuerakten gelangt sind. Denn auch dann, wenn diese Ablichtungen anhand der V-(Veranlagungs-)Steuerakten gefertigt worden sein sollten, folgt daraus noch nicht, daß damit der Kapitalverkehrsteuerstelle der möglicherweise aus den V-Steuerakten zu entnehmende Umstand bekanntgeworden ist, daß die Kommanditisten Aufgelder gezahlt haben.
Die Klägerin kann sich für den Fall, daß sich aus den V-Steuerakten ein Hinweis auf die Zahlung von Aufgeldern ergeben sollte, nicht darauf berufen, daß die Erstbescheide von einem Sachgebietsleiter gezeichnet worden sind, der auch für die Veranlagungsstelle zuständig gewesen ist. Selbst in diesem Falle ist davon auszugehen, daß grundsätzlich nur das als bekannt gilt, was sich aus den für den jeweiligen Steuerfall geführten Akten ergibt. Denn die V-Steuerakten werden dem Sachgebietsleiter nicht zusammen mit der Festsetzung der Gesellschaftsteuer vorgelegt. Es kann dem FA deshalb grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, daß möglicherweise einmal ein für die Veranlagungsteuerstelle bestimmtes Schreiben, aus dem sich die Zahlung von Aufgeldern ergab, über den Schreibtisch des auch für die Kapitalverkehrsteuern zuständigen Sachgebietsleiters gelaufen ist.
Der Senat läßt offen, ob etwas anderes dann gelten könnte, wenn im Einzelfall feststände, daß dem Sachgebietsleiter bei Zeichnung der Erstbescheide die Tatsache der Gewährung von Aufgeldern gegenwärtig gewesen sein muß, z. B. deshalb, weil über diese Frage mit ihm in dieser Zeit mündlich verhandelt worden ist. In dieser Hinsicht ist jedoch von der Klägerin nichts vorgetragen worden. Sie hat sich nicht einmal zu einem konkreten Vortrag in der Lage gesehen, ob überhaupt und ggf. wann sie der Veranlagungsstelle die Tatsache der Zahlung von Aufgeldern mitgeteilt hat.
Da es unter diesen Umständen ohne Bedeutung ist, ob sich aus den V-Steuerakten die Tatsache der Zahlung von Aufgeldern ergibt, ist die Verfahrensrüge wegen der Nichtbeiziehung dieser Akten durch das FG unbegründet.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, daß die Berichtigung der Erstbescheide wegen Verletzung der Ermittlungspflichten durch die Kapitalverkehrsteuerstelle unzulässig sei, ist ebenfalls nicht begründet. Aus den in den Kapitalverkehrsteuerakten befindlichen Unterlagen ergaben sich keinerlei Hinweise darauf, daß Aufgelder gezahlt worden sind. Im übrigen wäre es wegen des Wortlauts des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO, der lediglich auf das Bekanntwerden neuer Tatsachen abstellt, unzulässig, an die Aufklärungspflicht des FA bei Erlaß von Erstbescheiden zu strenge Anforderungen zu stellen (vgl. das BFH-Urteil vom 14. Dezember 1965 IV 305/63 U, BFHE 84, 577, BStBl III 1966, 209). Für das FG bestand unter diesen Umständen keine Veranlassung, dieser Frage nachzugehen.
Im übrigen könnte die Klägerin sich hierauf ggf. nicht berufen. Nach Treu und Glauben müßte sie sich entgegenhalten lassen, daß sie ihrerseits ihre Mitwirkungspflicht nicht so erfüllt hat, wie dies nach Sachlage geboten gewesen wäre (vgl. das BFH-Urteil vom 19. November 1970 V R 160/66, BFHE 100, 423). Sie war gemäß §§ 4, 5 der Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung (KVStDV) zur Anmeldung von Vorgängen verpflichtet, die der Gesellschaftsteuer unterliegen, und mußte dabei alle für die Steuerberechnung erforderlichen Angaben machen. Nicht zweifelhaft sein konnte, daß zum Besteuerungsmaßstab zumindest die auf die Kommanditeinlagen entfallenden Aufgelder gehörten. Wenn die Klägerin sich unter diesen Umständen damit begnügte, lediglich auf die V-Steuerakten zu verweisen, so folgt hieraus, daß auch sie die Unkenntnis der Kapitalverkehrsteuerstelle von der Zahlung der Aufgelder verursacht hat.
Ist danach das Vorliegen neuer Tatsachen zu bejahen, so ist auch die Berechtigung zur Gesamtaufrollung gegeben. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH.
6. Das FA war weder durch § 222 Abs. 2 AO noch durch den Grundsatz von Treu und Glauben an der Gesamtaufrollung gehindert.
Auf § 222 Abs. 2 AO kann sich die Klägerin deshalb nicht stützen, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Durch das Urteil vom 21. Juli 1976 II R 192/72, BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4 wurde keine Rechtsfrage im Gegensatz zum Urteil vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 entschieden. Das Urteil in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 legte nur fest, daß § 3 Abs. 1 KVStG 1959 auf Darlehen an eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar sei. Es enthielt keine Aussage über die Abgrenzung des Haupttatbestands des § 2 KVStG 1959 zu dem nicht anwendbaren Ergänzungstatbestand des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 und auch keine Aussage über eine etwaige Nichtanwendung des § 6 StAnpG. Diese nicht entschiedenen Fragen wurden erst durch das Urteil in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4 geklärt. Es war aber auch vorher schon damit zu rechnen, daß der Senat in diesem Sinne entscheiden würde. Im übrigen konnte sich das FA bei Erlaß des angefochtenen Steuerbescheides vom 9. Januar 1975 überhaupt noch nicht auf das Urteil in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4 stützen, weil dieses Urteil erst am 21. Juli 1976 erlassen und erst Monate später veröffentlicht wurde.
Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Gesamtaufrollung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Weder aus dem Urteil in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 noch aus der Tatsache, daß das FA die Gesellschafterdarlehen (bei unzureichender Tatsachenkenntnis) im Erstbescheid nicht erfaßt hatte, ergibt sich, daß die Klägerin darauf vertrauen durfte, daß die Gesellschafterdarlehen unerfaßt blieben. Angesichts des Umstandes, daß die unverzinslichen Gesellschafterdarlehen aufs engste mit der Gesellschafterstellung zusammenhingen und auch nicht vor einem Ausscheiden zurückzuzahlen waren, mußte die Klägerin damit rechnen, daß bei einer Überprüfung des Steuerfalles und Feststellung neuer Tatsachen eine Heranziehung der Darlehen zur Gesellschaftsteuer (ggf. über § 6 StAnpG) erfolgen würde.
Fundstellen
BStBl II 1984, 144 |
BFHE 1984, 426 |