Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage für Hochdachtransporter
Leitsatz (amtlich)
1. Personenkraftwagen i.S. von § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV sind --wie nach § 19 Abs.2 BerlinFG-- solche Fahrzeuge, die objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt sind, bei Privatfahrten Personen zu befördern. Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Eintragung im Kraftfahrzeugbrief, sind nicht entscheidend.
2. Ein Hochdachtransporter mit einem vom Fahrerhaus abgeteilten Laderaum ohne ausreichende Heizung und Belüftung sowie lediglich mit zwei nicht zu öffnenden Seitenfenstern ist kein Pkw i.S. von § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV.
Normenkette
InvZV § 2 S. 1 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Transportunternehmen im früheren Ostteil von Berlin. Im Dezember 1990 erwarb er einen sog. Hochdachtransporter der Marke DAF mit der Typenbezeichnung VH 428 ET. Im Kfz-Brief ist als Fahrzeugart "PKW-Kombi" eingetragen. Unter Anzahl der Sitzplätze (einschließlich Führerplatz und Notsitz) ist "3" mit dem Hinweis "auch möglich 5, 6 oder 8" angegeben.
Für die Nettoanschaffungskosten in Höhe von 42 145 DM beantragte der Kläger die Gewährung einer Investitionszulage nach der Investitionszulagenverordnung vom 4.Juli 1990 --InvZV-- (GBl DDR I 1990, 621) in Höhe von 12 %. Er machte geltend, das Fahrzeug diene ausschließlich der Güterbeförderung und könne nur mit großem Aufwand zur Personenbeförderung umgerüstet werden. Später sei es zudem für den Transport von Lebensmitteln mit einer Isolierung versehen worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) wies den Antrag --auch im Einspruchsverfahren-- zurück. Das FA verwies auf die verkehrsrechtliche Zulassung des Fahrzeugs als PKW.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es übertrug die zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auf die InvZV. Danach sei unter einem PKW ein Fahrzeug zu verstehen, das objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt sei, auch bei Privatfahrten Personen zu befördern (BFH-Urteile vom 1.Juli 1977 III R 98/75, BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864, und vom 17.März 1989 III R 97/85, BFH/NV 1990, 731). Wenn ein Fahrzeug nur nach aufwendiger Umgestaltung zur Personenbeförderung geeignet sei, sei es ein LKW.
Das FG nahm das Fahrzeug in Augenschein und kam zu folgendem Ergebnis: Das Fahrzeug sei schon vor dem Einbau der Isolierung nicht zur Personenbeförderung geeignet gewesen. Dabei könne dahinstehen, ob der nachträgliche Einbau zusätzlicher Sitze an den dafür vorgesehenen Stellen aufwendig wäre. Bereits aufgrund der Ausstattung wäre eine Personenbeförderung nahezu unzumutbar. In dem vom Fahrerhaus durch eine Trennwand abgeteilten Laderaum fehle eine Be- und Entlüftungsmöglichkeit. Nicht einmal die Seitenfenster ließen sich öffnen. Außerdem reiche die Heizung nur zur Beheizung des Fahrerhauses aus.
Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung von § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV. Es beruft sich dabei im wesentlichen auf Tz.36 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28.August 1991 (BStBl I 1991, 768). Danach soll sich der Begriff des PKW --wie bei der Anwendung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG)-- nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften richten. Für die Abgrenzung des PKW von anderen Fahrzeugen soll demgemäß grundsätzlich die erste Eintragung im Kfz-Brief gelten. Das Abstellen auf die verkehrsrechtliche Einordnung und die Eintragung im Kfz-Brief beschleunige --so das FA in seiner Revisionsbegründung weiter-- das Investitionszulageverfahren und gewährleiste eine gleichmäßige Handhabung.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der vom Kläger angeschaffte Hochdachtransporter ist kein PKW i.S. von § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV.
1. Die Gewährung der beantragten Investitionszulage richtet sich nach der InvZV. Gemäß Anlage II Kap.IV Abschn.III Nr.3 zum Einigungsvertrag vom 31.August 1990 (BGBl II 1990, 889, 1199) gilt die InvZV als Bundesrecht im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG). Die mit Wirkung vom 1.Januar 1991 außer Kraft getretene Verordnung (vgl. Art.25 Abs.2 Satz 1 des Steueränderungsgesetzes --StÄndG-- 1991, BStBl I 1991, 665, 684) ist bei Investitionen, die --wie hier-- vor dem 1.Januar 1991 abgeschlossen worden sind, weiter anzuwenden (§ 11 Abs.1 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes --InvZulG-- 1991).
2. Begünstigte Investitionen, für die nach der InvZV eine Investitionszulage zu gewähren ist, sind die Anschaffung und die Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen u.a. die in § 2 InvZV genannten Voraussetzungen gegeben sind. PKW sind nach § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV von der Begünstigung ausgeschlossen.
a) In der InvZV wird der Begriff des PKW nicht näher umschrieben. Der erkennende Senat hat zu § 19 Abs.2 BerlinFG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß ein Kfz grundsätzlich dann als PKW im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, auch bei Privatfahrten Personen zu befördern (BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Der Senat hat weiter entschieden, daß Fahrzeuge, die von ihrer ursprünglichen Konzeption her zur privaten Personenbeförderung geeignet und bestimmt sind, durch eine Umgestaltung zum LKW nur dann ihre Eigenschaft als PKW im Sinne des Zulagenrechts verlieren, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt ist, d.h. wenn sie nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann (so schon Urteil in BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Bei der Frage, ob ein Fahrzeug den Zweck der Personenbeförderung erfüllen kann, sei schließlich nicht die mehr theoretische Möglichkeit der privaten Personenbeförderung entscheidend. Es sei vielmehr in diesem Zusammenhang die Lebenserfahrung in Betracht zu ziehen (Senatsurteil in BFH/NV 1990, 731; so inzwischen auch FG Berlin, Urteil vom 27.Mai 1992 II 379/91, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1992, 762, und FG Leipzig, Urteil vom 3.September 1992 2 K 2/92, EFG 1993, 54).
b) Der erkennende Senat ist --entgegen den Ausführungen des FA und des BMF in dessen Schreiben im BStBl I 1991, 768-- der Auffassung, daß diese Grundsätze auch für die Auslegung des § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV heranzuziehen sind. Er läßt sich dabei von folgenden Überlegungen leiten:
Die Regelungen in der InvZV lehnen sich in ihrer Gliederung und Wortwahl eng an § 19 BerlinFG, insbesondere i.d.F. ab 1.Januar 1991 an. Weiter schließt das InvZulG 1991 für Investitionen nach dem 31.Dezember 1990 im Beitrittsgebiet bzw. nach dem 30.Juni 1991 im Gebiet des früheren Berlin (West) unmittelbar an die Regelungen der InvZV bzw. des § 19 BerlinFG an (§ 11 InvZulG 1991). Die Zusammenführung der Vorschriften über die Investitionszulage nach der InvZV und nach § 19 BerlinFG in der Neuregelung durch das InvZulG 1991 unter Fortführung der sowohl in § 19 BerlinFG als auch in der InvZV verwandten Begriffe verdeutlicht, daß bereits mit der Verabschiedung der InvZV eine Entwicklung eingeleitet wurde, wonach Investitionszulagen im (künftigen) Fördergebiet ausgehend von den auf § 19 BerlinFG basierenden Grundsätzen zu gewähren sind.
Der erkennende Senat orientierte sich bei seiner Rechtsprechung hauptsächlich an dem Sinn und Zweck, der mit dem weitgehenden Ausschluß der PKW von der Berlinförderung verbunden war. Dieser besteht darin, daß PKW im allgemeinen nicht ausschließlich betrieblich, sondern regelmäßig auch privat genutzt werden, und den FÄ die zügige Bearbeitung der Investitionszulageanträge dadurch erleichtert werden soll, daß nicht in jedem Fall der Umfang der privaten Nutzung ermittelt zu werden braucht (BFH/NV 1990, 731).
Die von der Finanzverwaltung erstrebte Anlehnung an die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen würde sicher in vielen Fällen zu einer weiteren Vereinfachung und Beschleunigung des Zulagenverfahrens führen. Doch ist diese Anbindung an das Straßenverkehrsrecht --anders als z.B. in § 2 Abs.2 Satz 1 KraftStG-- nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Hinzu kommt, daß auch nach Auffassung der Finanzverwaltung Ausnahmen von der straßenverkehrsrechtlichen Einordnung von Kfz zu machen sind. So gehören nach Tz.37 des BMF-Schreibens in BStBl I 1991, 768 etwa Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t --abweichend von der Eintragung im Kfz-Brief-- zu den Pkw.
3. Bei Anwendung der zu § 19 BerlinFG entwickelten Grundsätze ist der vom Kläger angeschaffte Hochdachtransporter kein PKW i.S. von § 2 Satz 1 Nr.4 InvZV.
Nach dem vom FG festgestellten und nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Sachverhalt war das Fahrzeug bereits im Zeitpunkt des Erwerbs im Dezember 1990 kein PKW. Ausschlaggebend dafür ist zunächst das äußere Erscheinungsbild. Ein Hochdachtransporter mit lediglich 2 Seitenfenstern im rückwärtigen Fahrzeugteil stellt aufgrund seines durch die erhöhte Dachkonstruktion erweiterten Laderaumes und die eingeschränkte Sicht möglicher Mitfahrer bereits vom Grundtypus her kein zum Transport von Personen geeignetes und bestimmtes Fahrzeug dar. Mit einem Hochdachtransporter werden üblicherweise keine Privatfahrten unternommen. Hinzu kommen die konkrete Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Trennwand hinter dem Fahrerhaus sowie das Fehlen von weiteren Sitzgelegenheiten und einer ausreichenden Be- und Entlüftung in dem vom Fahrerhaus abgetrennten Teil. Schließlich reicht die Heizung nur für das Fahrerhaus aus. Ein solchermaßen ausgestattetes Fahrzeug dient üblicherweise nicht der Beförderung von Personen, sondern als Lieferwagen dem Transport von Gütern. Der Kläger hat das Fahrzeug von vornherein zum Gütertransport erworben.
Die sonach ursprünglich durch die Bauart und die Einrichtung vorgegebene Nutzungsbestimmung (zur Güterbeförderung) war auch auf Dauer angelegt. Nach den Feststellungen des FG war eine Umrüstung zur Personenbeförderung nur unter erschwerten Bedingungen möglich (vgl. zum umgekehrten Fall der Umrüstung eines ursprünglich zur Personenbeförderung bestimmten Fahrzeugs zum Lkw das Urteil in BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Eine derartige Umrüstung war auch nach der Lebenserfahrung nicht zu erwarten. Diese Annahme wird im Streitfall durch den späteren Einbau der Isolierung im rückwärtigen Fahrzeugteil noch unterstützt.
Fundstellen
BStBl II 1994, 304 |
BFHE 172, 566 |
BFHE 1994, 566 |
BB 1994, 58 |
BB 1994, 58-59 (L) |
DB 1994, 127 (L) |
DStR 1994, 134 (KT) |
DStZ 1994, 92 (KT) |
HFR 1994, 225-226 (LT) |
WPg 1994, 358 (L) |
StRK, DDR-StRecht 1990 InvZV R.1 (LT) |
FR 1994, 127 (KT) |
D-spezial 1994, Nr 26, 6 (T) |