Leitsatz (amtlich)
Bei der Berücksichtigung von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung von in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Gastarbeitern sind an den Nachweis, daß die Beträge für die Unterhaltung des Haushalts im Heimatland nicht erkennbar unzureichend sind (vgl. Urteil des Senats vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26), nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie beim Nachweis von nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen an Familienangehörige. Eine maßgebliche Beteiligung am Familienhaushalt kann auch dann bejaht werden, wenn die hierfür erforderliche Leistung eines finanziellen Beitrags erst im Laufe, etwa in der Mitte des Streitjahres, erbracht wird.
Normenkette
EStG 1975 § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 33a Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebte im Streitjahr 1976 als türkischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Seine Ehefrau wohnte zusammen mit sechs Kindern in der Türkei. Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 machte der Kläger Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend. Dem Antrag war ein Einlieferungsschein einer Postanweisung vom 15. Juni 1976 über die Leistung von 1 570 DM an den ältesten Sohn des Klägers beigefügt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen ab.
Die Klage hatte insoweit Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, aufgrund des Posteinlieferungsscheines stehe fest, daß der Kläger 1 570 DM an seine Familie überwiesen habe. Dieser Betrag stelle einen maßgeblichen Beitrag zum hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung dar. Da die übrigen Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung unstreitig vorlägen, seien die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen zum Abzug zuzulassen.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG). Es führt aus, eine siebenköpfige Familie könne auch in der Türkei nicht mit einem Betrag von 131 DM monatlich ernährt werden. Es fehle daher an einer maßgeblichen Beteiligung des Klägers am hauswirtschaftlichen Leben seiner Familie.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein eigener Haushalt im Sinne dieser Vorschrift vom Arbeitnehmer unterhalten, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl persönlich als auch finanziell maßgeblich beteiligt (vgl. insbesondere Urteile des Senats vom 9. November 1971 VI R 285/70, BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148, und vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26). Wie der Senat insbesondere in der letztgenannten Entscheidung hervorgehoben hat, müssen Inländer wie Ausländer auf Verlangen nachweisen, mit welchen Beträgen sie sich an dem hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung finanziell beteiligt haben. Bei in der Bundesrepublik tätigen ausländischen Arbeitnehmern ist es allerdings oft schwierig festzustellen, welcher Betrag erforderlich ist, um von einer maßgeblichen finanziellen Mitwirkung sprechen zu können, da die Lebensumstände im Ausland oft erheblich anders sind als in der Bundesrepublik. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung hat der Senat daher in der Regel auf den Nachweis verzichtet, welche Beträge im Einzelfall zur Haushaltsführung notwendig sind. Eine maßgebliche finanzielle Beteiligung am Familienhaushalt ist mithin im allgemeinen nur zu verneinen, wenn die Beträge für die Unterhaltung des Haushalts erkennbar unzureichend sind.
Von diesen Grundsätzen ist das FG im Streitfall ausgegangen. Es hat den Sachverhalt ohne Rechtsverstoß dahin gewürdigt, daß der Kläger mit der Überweisung eines Betrages von 1 570 DM einen maßgebenden Beitrag zum hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung in der Türkei geleistet hat. Im Hinblick auf den unterschiedlichen Lebensstandard und auf das niedrigere Preisniveau in der Türkei hat es die vom Kläger erbrachte Leistung nicht als erkennbar unzureichend angesehen.
Der Senat ist an diese Feststellung gebunden, weil das FA hiergegen keine zulässigen und begründeten Rügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Ansicht des FA beinhaltet diese Würdigung des FG nicht die Feststellung, daß die siebenköpfige Familie während des ganzen Streitjahres 1976 von dem Betrag von 1 570 DM allein hat leben müssen. Denn eine maßgebende finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen am Familienhaushalt ist auch dann zu bejahen, wenn andere Familienangehörige, wie insbesondere die Ehefrau oder erwachsene Kinder, zur Bestreitung der Kosten des Haushalts mit beigetragen haben, etwa weil sie im Heimatland eine kleine Landwirtschaft betreiben (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. November 1978 VI R 93/77, BFHE 126, 440, BStBl II 1979, 146). Das FG konnte daher den finanziellen Beitrag des Klägers von 1 570 DM als nicht offensichtlich unzureichend würdigen. Es kommt hinzu, daß der Kläger ausweislich der von ihm zu den Lohnsteuerakten eingereichten Unterlagen in der Zeit vom 23. Juli bis 27. August 1976 bei seiner Familie in der Türkei in Urlaub war. Bei solchen Familienheimfahrten pflegen Gastarbeiter meist Geldbeträge zum Unterhalt ihrer Angehörigen in bar mitzubringen. Von einer solchen Lebenserfahrung geht offensichtlich auch der Bundesminister der Finanzen (BMF) in Abschnitt 2 c seines Schreibens vom 26. November 1981 IV B 6 - S 2352 - 31/81 (Betriebs-Berater - BB - 1981, 2116) aus.
Das FA übersieht letztlich, daß die Anforderungen an den Nachweis solcher Haushaltsbeiträge nicht so streng zu handhaben sind wie bei der Geltendmachung von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland. Bei letzteren sind die Aufwendungen im einzelnen nachzuweisen, weil sie selbst als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden sollen. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung können die Beiträge für den Familienhaushalt das Einkommen hingegen nicht mindern; sie sind vielmehr nur ein Indiz dafür, daß der Steuerpflichtige während der Zeit der doppelten Haushaltsführung den Haushalt seiner Familie am bisherigen Wohnort weiterhin unterhält bzw. mitunterhält. Hierfür spricht gerade bei in der Bundesrepublik tätigen Gastarbeitern eine gewisse, auf Lebenserfahrung beruhende Vermutung. Denn sie pflegen meist deshalb in der Bundesrepublik Arbeit aufzunehmen, weil ihr Verdienst in der Heimat zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten der Familie nicht ausgereicht hat.
Im Gegensatz zu Unterhaltsleistungen (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31, und vom 22. Mai 1981 VI R 140/80, BFHE 133, 521, BStBl II 1981, 713) braucht im Rahmen der doppelten Haushaltsführung in der Regel auch nicht geprüft zu werden, ob im Laufe des Jahres erbrachte Leistungen - wie sie hier vorliegen - den Lebensunterhalt nur für die Zukunft sichergestellt haben oder ob hiermit zugleich durch die Begleichung von Lebenshaltungskosten entstandene Schulden getilgt worden sind. Da diese Beträge selbst keine Werbungskosten darstellen, unterliegt ihre Berücksichtigung nicht dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Leistungen dieser Art können daher eine maßgebende finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen am hauswirtschaftlichen Leben seiner Familie im Ausgleichsjahr bzw. im Veranlagungszeitraum auch dann belegen, wenn sie nicht zu Beginn des Ausgleichsjahres (bzw. des Veranlagungszeitraums), sondern im Jahr zuvor oder erst im Laufe des Jahres erbracht worden sind. Es steht der Anerkennung einer maßgebenden finanziellen Mitwirkung am Familienhaushalt folglich nicht entgegen, wenn solche Leistungen nur einmal jährlich erfolgen.
Fundstellen
BStBl II 1984, 521 |
BFHE 1984, 241 |