Entscheidungsstichwort (Thema)
Mißbräuchliche Vermietung einer Massagepraxis unter Eheleuten
Leitsatz (NV)
Eine mißbräuchliche Vermietung liegt nicht vor, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten beim Erwerb des Grundstücks oder bei Errichtung des Gebäudes finanzielle Mittel in ausreichender Höhe überläßt (z. B. durch Schenkung), die dem Vermieter-Ehegatten die Lastentragung (Zins und Tilgung; Bewirtschaftungskosten) aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglichen (Anschluß an BFH-Urteile vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom 4. Mai 1994 XI R 67/93, BFHE 175, 139, BStBl II 1994, 829).
Normenkette
UStG 1980 § 15; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete in den Streitjahren ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem sie eine Massagepraxis einrichtete. Ihre Aufwendungen betrugen 470 000 DM. Die Praxisräume vermietete sie ab 1. Januar 1987 zunächst auf 10 Jahre an ihren Ehemann (E), einen Masseur und Bademeister. Der Mietzins betrug monatlich 1 200 DM. Zusätzlich hatte der Mieter "für die überlassenen Gegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung usw. 10 v. H. über dem Wert der linearen AfA dieser Wirtschaftsgüter zuzüglich Umsatzsteuer" zu zahlen.
E überwies im Mai 1986 254 543 DM und in der Zeit von Januar 1986 bis Mai 1987 in sieben Teilbeträgen weitere 85 063 DM auf das Girokonto der Klägerin, über das sie das Bauvorhaben finanzierte. Die Klägerin hatte auf dem Konto eigenes Geld in Höhe von 51 866 DM. Ende Juli 1987 nahm sie ein Darlehen in Höhe von 90 000 DM auf, das E Mitte Dezember in Höhe von 40 000 DM zurückzahlte. Die übrigen 50 000 DM tilgte die Klägerin in sechs Raten in der Zeit vom 1. Juni 1987 bis 31. August 1989.
Die Klägerin bezog 1986 ein Gehalt von 525 DM und 1987 von 570 DM monatlich sowie von Juni 1987 an monatliche Mietzahlungen in Höhe von 1 368 DM für die Praxis und 456 DM für das Inventar. Die Klägerin optierte zur Umsatzsteuer. In den Erklärungen 1986 und 1987 erklärte sie Umsätze in Höhe von 1 950 DM bzw. 26 400 DM und Vorsteuerbeträge in Höhe von 56 596 DM bzw. 4 064 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Vermietung als Gestaltungsmißbrauch, da der Mieter 70 v. H. der Gesamtkosten getragen habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Gestaltung sei unangemessen, da der Ehemann der Klägerin den überwiegenden Teil der Herstellungskosten aus eigenen Mitteln aufgebracht habe.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Eine "Vorschaltung" sei nicht anzunehmen, wenn der Ehegatte dem anderen Mittel in ausreichender Höhe überlasse, die diesem die Lastentragung aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglichten. Die Klägerin habe in den Jahren 1987 bis 1990 Mietüberschüsse zwischen 10 900 DM und 22 900 DM erzielt. Ihr Jahresgehalt habe im Jahr 1986 6 300 DM, in den Jahren 1987 und 1988 6 840 DM betragen. E habe der Klägerin Geldmittel in Höhe von 339 605 DM überlassen und einen Kredit über 90 000 DM in Höhe von 40 000 DM getilgt.
Im Jahr 1982 habe E von der Klägerin insgesamt 153 434 DM erhalten. Mit seinen Geldhingaben habe E der Klägerin einen Ausgleich für deren vorausgegangene ehebedingte Zuwendung gewährt. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. März 1994 II R 59/92 (Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1994, 615) seien die Zahlungen als Schenkungen zu beurteilen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 1986 auf minus 53 682 DM und für 1987 auf minus 1 376 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FG sei zu Recht davon ausgegangen, daß die Vorstellungen der Eheleute keine steuerlichen Folgen hätten auslösen sollen und auch nicht den Anforderungen an Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen genügten; diese Voraussetzungen würden von der Klägerin nicht beachtet. Entgegen der Auffassung der Klägerin lägen auch keine ehebedingten Zuwendungen vor; nach den Feststellungen des FG habe E nicht die Absicht gehabt, der Klägerin etwas zuzuwenden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Auffassung des FG kann die Klägerin die in Rechnung gestellte Vorsteuer abziehen.
1. Ein Unternehmer kann die in Rechnungen i. S. des § 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980). Dem Abzug kann allerdings § 42 AO 1977 entgegenstehen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen "vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, indem der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als wäre er Grundstückskäufer und Bauherr gewesen. Eine derartige "Vorschaltung" liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete (einschließlich der Erstattung der Nebenkosten) und aus sonstigen eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. von Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten beim Erwerb des Grundstücks oder bei Errichtung des Gebäudes finanzielle Mittel in ausreichender Höhe überläßt (z. B. durch Schenkung), die dem Vermieter-Ehegatten die Lastentragung aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermög lichen (BFH-Urteile vom 10. September 1992 V R 30/89, BFH/NV 1993, 446; vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210, und vom 4. Mai 1994 XI R 67/93, BFHE 175, 139, BStBl II 1994, 829).
2. Im Streitfall konnte die Klägerin die laufenden Aufwendungen für Zins und Tilgung aus eigenem Vermögen und Einkommen decken. Da E der Klägerin im Mai 1986 bei Errichtung des Gebäudes einen Betrag von 254 543,55 DM überlassen hatte, war die Klägerin in der Lage, die restlichen Baukosten in Höhe von ca. 220 000 DM und die Bewirtschaftungskosten selbst zu finanzieren. Dazu standen ihr das eigene Geldvermögen, die Mieteinkünfte sowie die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zur Verfügung. Auch wenn die Beteiligten keine förmlichen Schenkungsverträge abgeschlossen haben, ist nicht erkennbar, daß E die der Klägerin überlassenen Beträge zurückfordern wollte und er diese Beträge der Klägerin nur vorübergehend überlassen hatte; die zivilrechtliche Qualifikation der endgültigen Überlassung ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Ebenso ist ohne Bedeutung, daß E 70 v. H. der Baukosten getragen hat. Entscheidend ist allein, daß die Klägerin mit den ihr überlassenen Mitteln in der Lage war, die Gebäudekosten auf einen "überschaubaren Zeitraum" (so BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 446) selbst zu tragen.
3. Entgegen der Auffassung des FA können die Anforderungen, wie sie das Ertragsteuerrecht bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen aufstellt, nicht auf das Umsatzsteuerrecht übertragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1993 V R 109/89, BFHE 172, 131, BStBl II 1993, 728 m. w. N.).
4. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das FG keine Feststellungen zur Höhe der abziehbaren Vorsteuer getroffen hat.
Fundstellen