Leitsatz (amtlich)
Ist Gegenstand einer Schenkung der reale Teil eines Grundstücks bzw. einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes, so ist im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG 1974) regelmäßig eine neue wirtschaftliche Einheit entstanden, so daß nach § 12 Abs.4 ErbStG 1974 ein Einheitswert für die Berechnung der Schenkungsteuer festzustellen ist.
Orientierungssatz
Ein Schenkungsversprechen über ein Grundstück ist ausgeführt, wenn die Vertragsparteien die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken, wobei offenbleibt, ob der Beschenkte ein Anwartschaftsrecht erlangt hat (Festhaltung an BFH-Urteil vom 14.7.1982 II R 16/81).
Normenkette
ErbStG 1974 § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 11; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 1; ErbStG 1974 § 12 Abs. 4; BewG 1965 § 23; AO 1977 § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3, §§ 179ff, 179
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 31.Oktober 1978 verpflichtete sich der Großvater des Ehemannes der Klägerin zur schenkungsweisen Überlassung seines unbebauten Grundstücks FlNr.32 Nr.295 an die Klägerin und deren Ehemann zu ideellen Hälfteanteilen. Die Beschenkten nahmen die Schenkung an. Gleichzeitig wurde die Auflassung erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch bewilligt und beantragt. Das schenkweise überlassene Grundstück --jetzt: A-Straße 185-- bildete bis dahin zusammen mit dem bebauten Grundstück A-Straße 187 eine wirtschaftliche Einheit (Zweifamilienhaus), so daß von dem zuständigen Belegenheitsfinanzamt zum 1.Januar 1964 lediglich eine Bewertung des Gesamtgrundstückes (A-Straße 185/187) durchgeführt und der Einheitswert dafür auf 14 100 DM festgestellt worden war. Zum 1.Januar 1979 hat das Belegenheitsfinanzamt eine Nachfeststellung vorgenommen und dabei den Einheitswert für das unbebaute Grundstück auf 18 800 DM festgestellt und der Klägerin zur Hälfte zugerechnet. Dieser Nachfeststellungsbescheid wurde nicht angefochten.
Mit Bescheid vom 17.September 1980 setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 2 020 DM fest. Da zwischen dem 31.Oktober 1976 und dem 1.Januar 1979 keine Grundstücksveränderung eingetreten war, legte das FA den vom Belegenheitsfinanzamt zum 1.Januar 1979 festgestellten Einheitswert in Höhe von 18 800 DM der Besteuerung zugrunde.
Mit der nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die Schenkungsteuer auf 618 DM herabzusetzen. Denn die Schenkungsteuer könne nur aus der Hälfte des Unterschiedsbetrages der für das Grundstück A-Straße 187 zum 1.Januar 1978 und zum 1.Januar 1979 festgestellten Einheitswerte berechnet werden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Schenkungsteuer auf 800 DM herabgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, nach § 12 Abs.2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 sei der Steuerberechnung derjenige Einheitswert zugrunde zu legen, der auf den der Entstehung der Steuer vorausgehenden oder mit dieser zusammenfallenden Zeitpunkt festgestellt worden sei. Dies aber sei der Einheitswert über 14 100 DM, der im Verhältnis der Einheitswerte für die beiden Grundstücke, so wie sie zum 1.Januar 1979 festgestellt worden seien, aufzuteilen sei.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 12 ErbStG 1974.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Grundsätzlich ist nach § 11 ErbStG 1974 für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend, soweit nicht das Gesetz selbst etwas anderes bestimmt. Eine derartige Abweichung vom Grundsatz enthält § 12 Abs.2 ErbStG 1974: Danach ist u.a. Grundbesitz mit dem Einheitswert anzusetzen, der nach dem Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes (BewG) auf den Zeitpunkt festgestellt ist, der der Entstehung der Steuer vorausgegangen ist oder mit ihr zusammenfällt. Der zuletzt festgestellte Einheitswert ist aber nur dann für die Veranlagung zur Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer maßgebend, wenn nicht die Voraussetzungen der Absätze 3 oder 4 des § 12 ErbStG 1974 vorliegen. Das hat das FG verkannt.
2. Nach § 12 Abs.3 Satz 1 ErbStG 1974 ist in Fällen, in denen zum Erwerb nur ein Teil einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes gehört, der darauf entfallende Teilbetrag des (zuletzt festgestellten) Einheitswerts maßgebend. Zwar bezieht sich § 12 Abs.3 ErbStG sowohl auf reale als auch auf ideelle (An-)Teile, doch ist die Vorschrift im Zusammenhang mit § 12 Abs.4 Satz 1 ErbStG 1974 zu sehen. Hiernach ist nämlich der Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer u.a. dann maßgebend, wenn für eine wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes ein Einheitswert nicht festgestellt ist. Daraus folgt, daß es für die Anwendung entweder des Absatzes 3 oder des Absatzes 4 des § 12 ErbStG 1974 im Einzelfall darauf ankommt, ob im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer der den Erwerb bildende Teil noch zur wirtschaftlichen Einheit gehört --dann ist Absatz 3 einschlägig-- oder ob schon vorher in irgendeiner Form eine Trennung erfolgt ist und der "Teil" im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bereits eine eigene wirtschaftliche Einheit bildet --Anwendungsfall des § 12 Abs.4 ErbStG 1974--.
3. Im Streitfall ist das den Gegenstand der freigebigen Zuwendung bildende Grundstück im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nicht mehr ein Teil des Grundstücks gewesen, für das der zum 1.Januar 1978 maßgebende Wert festgestellt worden war. Nach § 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG 1974 entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wann eine Schenkung, insbesondere eine Grundstücksschenkung, ausgeführt worden ist. Für Grundstücksschenkungen, bei denen der Eintritt des Leistungserfolges (dinglicher Rechtserwerb) wegen des Erfordernisses der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch der Mitwirkung des Grundbuchamtes bedarf, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein Schenkungsversprechen über ein Grundstück ausgeführt sei, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken, wobei er offengelassen hat, ob der Beschenkte ein Anwartschaftsrecht erlangt hat (vgl. Senatsurteil vom 14.Juli 1982 II R 16/81, BFHE 136, 501, 503, BStBl II 1983, 19, m.w.N.). Daran hält der Senat fest.
Wann im vorliegenden Fall die Steuer entstanden ist, kann offen bleiben. Liegt dieser Zeitpunkt nach dem 1.Januar 1979, so war schon nach § 12 Abs.2 ErbStG 1974 von dem im Wege der Nachfeststellung auf diesen Zeitpunkt festgestellten Einheitswert des geschenkten Grundstücks auszugehen. Liegt der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vor diesem Tage, so hatte sich der Schenkungsgegenstand bereits derart konkretisiert, daß i.S. des § 23 Abs.1 Nr.1 BewG eine wirtschaftliche Einheit neu entstanden war, für die i.S. des § 12 Abs.4 Satz 1 ErbStG 1974 kein Einheitswert festgestellt war. Denn die Voraussetzungen des § 2 Abs.1, 2 BewG für die Annahme nur einer wirtschaftlichen Einheit, die Grundstücke A-Straße 185 und 187 umfassend, waren spätestens im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer weggefallen.
4. Liegt der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vor dem 1.Januar 1979, so hatte das Belegenheitsfinanzamt (§ 18 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) auf diesen Zeitpunkt den maßgebenden Einheitswert nach den Grundsätzen des Zweiten Teils des BewG zu ermitteln und gesondert festzustellen (§ 12 Abs.4 Satz 2 ErbStG 1974 i.V.m. §§ 179 ff. AO 1977). Das beklagte FA war dazu nicht zuständig. Es konnte den Grundlagenbescheid nicht selbst erlassen.
Nach § 155 Abs.2 AO 1977, eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20.August 1980 (BGBl I 1980, 1545) mit Wirkung vom 29.August 1980 kann ein Steuerbescheid jedoch bereits dann erteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist. Dabei können aufgrund § 162 Abs.3 AO 1977, eingefügt ebenfalls durch das o.a. Gesetz, die in dem ausstehenden Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Gegen die vom FA im angefochtenen Bescheid vom 19.September 1980 in Anlehnung an die Nachfeststellung vorgenommene Schätzung sind Einwendungen nicht vorgetragen; Fehler sind nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 62307 |
BStBl II 1988, 741 |
BFHE 153, 231 |
BFHE 1989, 231 |
BB 1988, 1595-1595 (L1) |
DB 1988, 1735-1735 (S) |
DStR 1988, 581 (ST1) |
HFR 1988, 519 (LT1) |