Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldner von Hinterziehungszinsen
Leitsatz (NV)
Schuldner von Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 ist der Abzugs- und Entrichtungsverpflichtete, nicht sein gesetzlicher Vertreter (Anschluß an das BFH-Urteil in BFHE 166, 4, BStBl II 1992, 163).
Normenkette
AO 1977 § 235 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, hat Lohnsteuer in zu geringer Höhe angemeldet und abgeführt. Das gegen ihre Geschäftsführer eingeleitete Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung wurde nach § 153 der Strafprozeßordnung eingestellt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Klägerin Hinterziehungszinsen fest.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe den Zinsbescheid zu Unrecht gegen die Klägerin erlassen. Da die Klägerin selbst nicht handlungsfähig gewesen sei, sei es nach § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) Verpflichtung der Geschäftsführer gewesen, die Steuern abzuführen. Sie seien nach § 235 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 daher auch Zinsschuldner. Da der Bescheid gegen die Klägerin schon aus diesem Grunde aufzuheben sei, sei nicht zu prüfen gewesen, ob ihre Geschäftsführer den Tatbestand der Steuerhinterziehung in objektiver und subjektiver Hinsicht tatsächlich verwirklicht haben.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 235 Abs. 1 Satz 3 AO 1977. Schuldnerin der Hinterziehungszinsen sei die Klägerin, der gegen sie gerichtete Zinsbescheid damit rechtmäßig.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in dem nach der Vorentscheidung ergangenen Urteil vom 27. September 1991 VI R 159/89 (BFHE 166, 4, BStBl II 1992, 163), auf dessen Begründung verwiesen wird, entschieden hat, geht die Auslegung der Vorschrift des § 235 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 dahin, daß sie ausschließlich eine Zinsschuldnerschaft des Abzugs- oder Entrichtungsverpflichteten begründet. Zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer ist nach § 38 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes die Klägerin als Arbeitgeberin verpflichtet. Dagegen sind ihre Geschäftsführer lediglich ihre gesetzlichen Vertreter, die zwar nach § 34 Abs. 1 AO 1977 ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben. Sie sind aber nicht selbst Abzugsverpflichtete und daher, auch wenn sie Lohnsteuer vorsätzlich nicht einbehalten, nicht Schuldner der Hinterziehungszinsen (vgl. zum Fall einer GmbH auch das BFH-Urteil vom 18. Juli 1991 V R 72/87, BFHE 164, 506, BStBl II 1991, 781).
Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das FG aufgrund seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob ein Anspruch auf Hinterziehungszinsen dem Grunde nach besteht. Dies setzt voraus, daß die Geschäftsführer der Klägerin den Tatbestand der Steuerhinterziehung tatsächlich verwirklicht haben. Es fehlen auch Feststellungen zur Höhe des Anspruchs auf die Hinterziehungszinsen und zur Frage der Festsetzungsverjährung. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen nachzuholen und erneut zu entscheiden haben.
Fundstellen