Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug nach einem Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag
Leitsatz (NV)
Die schuldrechtliche Vereinbarung über einen Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag führt nicht sogleich zu einer umsatzsteuerrechtlichen Rückabwicklung der Leistungen nach § 17 UStG.
Normenkette
UStG 1980 § 3 Abs. 1, 4, § 15a Abs. 4, § 17 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (Kläger) Umsatzsteuer für Bauleistungen zur Herstellung von zwei Doppelhaushälften als Vorsteuer abziehen durfte und ob und in welcher Höhe abziehbare Vorsteuern nach § 17 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 geändert und nach § 15 a UStG 1980 berichtigt werden müssen.
Der Kläger kaufte am 1. März 1988 von der GbR H zwei Neubauparzellen, trat zugleich in den zwischen dieser und der X-KG bestehenden Werkvertrag als Bauherr über die weitgehend fertiggestellten Doppelhaushälften auf den Baugrundstücken (Doppelhaus Nr. 1 und Nr. 2) ein und übernahm außerdem die Vermieterrechte der X-GmbH aus einem mit der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) im Rahmen eines sog. NATO-Modells bestehenden Mietvertrag über die bezeichneten Gebäude. Die Bundesrepublik, vertreten durch das Bundesvermögensamt, vermietete die Wohnungen an Angehörige der NATO- Streitkräfte. Die X-KG sollte die erworbenen Häuser verwalten, Mieten einziehen, mit Verwaltungs- und Vertriebskosten verrechnen und dann an den Kläger weiterleiten.
Zugunsten des Klägers wurde am 21. März 1988 eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Zur Finanzierung der Verpflichtungen aus den Kauf- und Werkverträgen hatte der Kläger von der Sparkasse K Darlehen erhalten, die durch Grundschulden, durch eine Verpfändung des Auflassungsanspruchs und durch die Abtretung von Rückzahlungsansprüchen für den Fall der Aufhebung der Kaufverträge gesichert worden waren. Der Kläger zahlte aus Darlehensmitteln in der Folgezeit 95 v. H. der vereinbarten Baukosten an die X-KG.
Die vom Bundesvermögensamt gezahlten Mieten für die ab 1. April 1988 vermieteten Wohnhäuser von monatlich ... DM erhielt der Kläger bis einschließlich Oktober 1988 nach Verrechnung mit entstandenen Kosten über die X-KG. Da der Kläger zugesagte Eigenmittel von ... DM und ... DM nicht geleistet hatte, stellte die X-KG Zahlungen ab November 1988 an den Kläger ein. Die Sparkasse K kündigte mit Schreiben vom 19. Oktober 1988 die zuvor bezeichneten Darlehensverträge, weil der Kläger die darin übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt hatte, und drohte zugleich die Verwertung der Sicherheiten an. Darauf bewilligte der Kläger ebenfalls am 19. Oktober 1988 in notariell beglaubigter Form die Löschung der Auflassungsvormerkung, weil "der zugrundeliegende Kaufvertrag vom 1. 3. 1988 URNr. ... durch Rücktritt des Verkäufers erledigt" sei. Die Vormerkung wurde am 4. Juli 1990 gelöscht. Die Doppelhaushälfte Nr. 1 wurde am 29. Dezember 1989 an die X-KG, die Doppelhaushälfte Nr. 2 am 7. Mai 1990 an einen anderen Erwerber verkauft und aufgelassen. Mit den Kaufpreisforderungen wurden Darlehensverbindlichkeiten des Klägers getilgt.
Der Kläger meldete aus Rechnungen über die Herstellung der Doppelhaushälften beim Finanzamt K Vorsteuerbeträge von ... DM an, die der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das Finanzamt -- FA --) in der Umsatzsteuerfestsetzung für 1988 aber nicht berücksichtigte. Das FA ging wegen der erwähnten Löschungsbewilligung von der Unwirksamkeit der Kaufverträge aus. Es meinte, dem Kläger stehe der Vorsteuerabzug von Anfang an nicht zu.
Auf den Einspruch des Klägers gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid für 1988 vom 13. Dezember 1991 berücksichtigte das FA in der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 1992 Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über andere Leistungsbezüge und wies den Einspruch im übrigen mit der für die Steuerfestsetzung gegebenen Begründung zurück.
Während des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens änderte das FA die Steuerfest setzung durch Bescheid vom 14. August 1995 erneut, ließ weitere ... DM zum Vorsteuerabzug zu, und setzte die Umsatzsteuer für 1988 auf . /. ... DM fest.
Der Kläger machte mit der Klage gegen den zum Gegenstand des Verfahrens erklärten Änderungsbescheid vom 14. August 1995 geltend, im Jahr 1988 seien weder die Grundstückskauf- noch die Werkverträge aufgehoben worden. Es gebe keine Rücktrittserklärung der Verkäuferin. Er habe nur die Löschung der Auflassungsvormerkung bewilligt. Die Mieten für die Vermietung der Wohngrundstücke seien ihm bis zur Übertragung der Grundstücke zuzurechnen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger den Abzug von weiteren ... DM als Vorsteuer begehrte, zum überwiegenden Teil ab. Es war der Auffassung, weil der Kläger nur 95 v. H. des vereinbarten Werklohns gezahlt habe, sei in Höhe der Umsatzsteuer auf den nicht gezahlten Werklohn von ... DM eine Berichtigung der für die Herstellung der Wohngebäude berechneten Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 wegen schon im Jahr 1988 vorhandener Uneinbringlichkeit des Entgelts durchzuführen. Dadurch verringere sich der vom Kläger begehrte Vorsteuerbetrag auf ... DM. Davon stehe dem Kläger ein Vorsteuerabzug für sieben Monate von April bis Oktober 1988, somit in Höhe von ... DM, zu, während ein weiterer Vorsteuerabzug wegen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG 1980 entfalle. Das FG änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 1988 entsprechend.
Zur Begründung führte das FG u. a. aus, es sei überzeugt, daß mit der Erteilung der Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zwischen dem Kläger und der GbR H hinsichtlich des Kaufvertrages begründet worden sei. Aufgrund des Werkvertrages mit der X-KG sei der Kläger Verfügungsbefugter der auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude geworden. Diese Rechtsposition habe der Kläger an die GbR H gegen Befreiung von der Werklohnverbindlichkeit durch die Erteilung der Löschungsbewilligung und Wiedereinräumung des (mittelbaren) Besitzes übertragen. Er habe der GbR H die Grundstücke samt Gebäude zur Vermietung und Veräußerung überlassen, ihr damit die Ver fügungsmacht übertragen und seine Verpflichtungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis erfüllt. Die GbR H habe dafür gesorgt, daß der Kläger von seinen Darlehensverbindlichkeiten gegegenüber der Sparkasse K befreit wurde. Sie habe ihm auf diese Weise den gezahlten Werklohn erstattet. Da es weitere Erfüllungshandlungen durch den Kläger in späteren Besteuerungszeiträumen nicht gegeben habe, habe er das Rückgewährschuldverhältnis bereits im Jahr 1988 erfüllt. Dem entspreche, daß die GbR H die Objekte in der Folgezeit auf eigene Rechnung vermietet und veräußert habe.
Davon sei jedoch der Werklieferungsumsatz der X-KG an den Kläger unberührt geblieben. Die Verschaffung der Verfügungsmacht über die Gebäude stelle sich als Lieferung dieser Wirtschaftsgüter durch den Kläger an die GbR H i. S. von § 15 a Abs. 4 UStG 1980 durch Übertragung der Verwertungsbefugnis dar, die nach § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) grunderwerbsteuerbar und nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 umsatzsteuerfrei sei und zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs noch im Jahr der erstmaligen Verwendung verpflichte (§ 15 a Abs. 4 und 5 UStG 1980). Die Gebäude habe der Kläger nur sieben Monate, von April bis Oktober 1988, für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet.
Mit der Revision rügt der Kläger u. a. unzutreffende Anwendung von § 15 a UStG 1980. Dazu legt er dar, die Rückabwicklung des Kaufvertrages über die Doppelhaushälften sei nicht im Oktober 1988, sondern 1989 und 1990 durchgeführt worden. Erst beim Weiterverkauf der Objekte habe die Bank den Verkäufern die Löschungsbewilligung herausgegeben.
Das FG habe auch nicht von einer Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG 1980 hinsichtlich eines Teilbetrages von ... DM ausgehen dürfen. Ab November 1988 habe der Geschäftsbesorger mit den Mieten die rückständigen 5 v. H. der Baukosten an den Werkunternehmer (X-KG) beglichen, so daß keine Uneinbringlichkeit vorgelegen habe.
Der Kläger begehrt unter Aufhebung der Vorentscheidung den weiteren Abzug von noch nicht zum Abzug zugelassenen Vorsteuerbeträgen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten, hat Anschlußrevision erhoben und beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Es ist der Auffassung, die Vorentscheidung beruhe auf unrichtiger Anwendung von § 17 UStG 1980. Die Klage hätte abgewiesen werden müssen. Das FG habe unzutreffend die durch den wirksamen Rücktritt der Grundstücksverkäufer ausgelösten zivilrechtlichen Rechtsfolgen nur auf den Kaufvertrag und nicht rückwirkend auch auf die durch Werklieferung bezogenen Bauleistungen angewendet.
Der Kläger ist der Anschlußrevision unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunkts entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Anschlußrevision des FA ist unbegründet.
1. Die Revision des Klägers
a) Der Kläger greift die Vorentscheidung mit seiner Revision insoweit erfolgreich an, als danach im Oktober 1988 die Voraussetzungen für die Uneinbringlichkeit des für die steuerpflichtigen Werklieferungen vereinbarten Entgelts vorgelegen hätten. Das FG hat entschieden, daß im Umfang von ... DM eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 vorzunehmen sei, weil der Kläger 5 v. H. des vereinbarten Werklohns nicht entrichtet habe. Insoweit habe mit der Kündigung der Finanzierung durch die Bank die Uneinbringlichkeit dieses Entgelts bereits im Streitjahr 1988 festgestanden.
Die Feststellungen des FG ermöglichen dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die vom FG angenommene Vorsteuerberichtigung erfüllt sind. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt war der Kläger Vermieter der hergestellten Wohnungen und hatte Ansprüche auf Mietzahlungen. Das FG hat nicht festgestellt, daß die Vermietung der Wohnungen ab November 1988 nicht mehr für Rechnung des Klägers erfolgte. Aus der der Bewilligung zur Löschung der Auflassungsvormerkung beigefügten Erklärung läßt sich dies nicht folgern.
Darin erklären die Grundstücksverkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag. Feststellungen, daß damit auch der Mietvertrag des Klägers über die von ihm erworbenen Wohnungen mit der Bundesrepublik beendet worden ist, ergeben sich daraus nicht. Hinzu kommt, daß diese schuldrechtliche Vereinbarung über den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag nicht bedeutet, damit seien sogleich die umsatzsteuerrechtlich erheblichen Leistungen rückabgewickelt worden. § 17 UStG 1980 knüpft nicht an die Verpflichtungen, sondern an den Eintritt der Ereignisse an, die zur Änderung von Bemessungsgrundlagen und einem in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug führen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980). Dementsprechend geht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) davon aus, daß ein Entgelt erst uneinbringlich i. S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 wird, wenn die zugrundeliegende Forderung weder rechtlich noch tatsächlich durchsetzbar ist (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1993 XI R 81/90, BFHE 173, 252, BStBl II 1994, 338, m. w. N.). In welchem Besteuerungszeitraum dies geschehen ist, läßt sich aufgrund der vorhandenen Feststellungen nicht entscheiden. Die Feststellung des FG, dies sei mit der Kündigung der Finanzierung durch die Sparkasse anzunehmen, läßt die Schlußfolgerung nicht zu, weil die Kündigung die Sparkasse nur berechtigte, ihre Sicherheiten zu verwerten.
Die Vorentscheidung mußte aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden. Das FG wird aufklären müssen, ob und wann die restliche Werklohnforderung uneinbringlich geworden ist.
b) Bei der erneuten Entscheidung wird das FG die Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG 1980 überprüfen müssen. Die Schlußfolgerung in der Vorentscheidung, der Kläger habe durch die Bewilligung der Löschung der Vormerkung im Oktober 1988 die auf fremdem Grund und Boden errichteten Doppelhaushälften steuerfrei dadurch geliefert, daß er die Verwertungsbefugnis übertragen habe, steht im Widerspruch zu der Sachverhaltsschilderung, nach der die GbR H bei der Weiterveräußerung der Hausgrundstücke die "Bausubstanz" gerade nicht auf eigene Rechnung verwertete.
2. Die Anschlußrevision des FA
a) Die Anschlußrevision ist nur im Umfang der Beschwer des FA durch die Vorentscheidung zulässig. Beschwer besteht nur in Höhe von ... DM. Nur insoweit hat das FG den vom Kläger mit der Klage begehrten weiteren Vorsteuerabzug berücksichtigt und seine Steuer für 1988 vermindert. Die in diesem Rahmen zulässige Anschlußrevision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO).
b) Die in der Vorentscheidung vorhandenen Feststellungen schließen die vom FA vertretene Annahme aus, die an den Kläger ausgeführten Werklieferungen der beiden Doppelhaushälften seien im Oktober 1988 rückgängig gemacht worden, so daß die dafür berechneten Steuern insgesamt nicht als Vorsteuerbeträge abziehbar seien. Vielmehr ergibt sich aufgrund der vorhandenen, nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen, daß der Kläger mindestens berechtigt war, ... DM als Vorsteuerbeträge im Streitjahr 1988 abzuziehen.
Revisionsrechtlich unangreifbar hat das FG daraus, daß der Kläger Werkverträge über die Errichtung von zwei Doppelhaushälften mit einem Bauunternehmer geschlossen hatte, daß ihm diese Wohnungen überlassen worden und von ihm sieben Monate vermietet worden waren, rechtlich gefolgert, er sei zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen (§ 15 Abs. 1 bis 3 UStG 1980). Er hatte als Vermietungsunternehmer im März 1988 Bauleistungen bezogen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980) und diese bis Oktober 1988 für steuerfreie, den Vorsteuerabzug aber zulassende Vermietungsumsätze verwendet (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 26 Abs. 5 UStG 1980). Eine zur Vorsteuerberichtigung verpflichtende Veräußerung oder Entnahme (§ 15 a Abs. 4 UStG 1980) kann nach den Feststellungen des FG vor Oktober 1988 nicht vorliegen. Danach steht dem Kläger mindestens der Teil der abziehbaren Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM zu, der auf die nicht abzugsschädliche Verwendung der Wohnungen bis Oktober 1988 entfällt.
c) Eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 wegen Uneinbringlichkeit des gesamten Entgelts für die steuerpflichtigen Werklieferungen hat das FG ebenfalls zutreffend ausgeschlossen, weil der Kläger bereits mit Hilfe von Krediten 95 v. H. des vereinbarten Werklohnes an den Bauunternehmer gezahlt hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 422044 |
BFH/NV 1997, 811 |