Leitsatz (amtlich)
Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft kommt für die Bemessung der Pensionsrückstellung nach den Verhältnissen des Jahres 1963 ein früheres als das vom Finanzamt zugrunde gelegte Pensionierungsalter von 65 Jahren nicht in Betracht.
Normenkette
KStG 1961 § 6 Abs. 1 S. 2; EStG § 6a
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Die Klägerin hat den zu je 1/3 am Stammkapital beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern S. (drei Brüdern) Pensionen zugesagt, die vom 60. Lebensjahr der Berechtigten an zahlbar seien. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA -) die Rückstellungen für die Versorgungsbezüge mit der Begründung, die Vereinbarung einer Pension vom 60. Lebensjahr an sei steuerlich unbeachtlich. Entscheidend sei nicht das Lebensalter, von dem an der Anspruchsberechtigte eine Altersversorgung erhalten solle, sondern der Zeitpunkt, in dem er voraussichtlich tatsächlich in den Ruhestand treten werde. Erfahrungsgemäß sei dies erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres der Fall. Dementsprechend berichtigte das FA den gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) für vorläufig erklärten Körperschaftsteuerbescheid 1963, wobei es die Rückstellungen für die Pensionsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 5 320 DM auflöste. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es bemaß, dem FA folgend, die Zuführungen zur Pensionsrückstellung nach dem 65. Lebensjahr der Berechtigten. Es ging davon aus, daß die Grundsätze für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer auf den Streitfall nicht anzuwenden seien. Mit Recht habe das FA den Anstellungsverträgen, die auf die Lebzeiten der Gesellschafter abgeschlossen seien, die entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Gesellschafter-Geschäftsführer seien danach nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, nach Kräften auf Lebenszeit im Betriebe tätig zu sein. Schon diese Verpflichtung stehe der Bemessung der Pensionszuführungen nach einem Lebensalter von 60 Jahren entgegen. Hinzu komme, daß auch ein freiwilliges oder dann zu vereinbarendes Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis der Lebenserfahrung nicht entspreche. Denn in der Zeit der Betriebsprüfung wie auch im Zeitpunkt der Urteilsfällung scheide die Mehrzahl der Berufstätigen nicht beim Erreichen des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsleben aus. Eine Pensionsrückstellung könne indes nur nach Maßgabe der zu erwartenden Inanspruchnahme des Ruhegehalts gebildet werden.
In der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt die Klägerin die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das FG. Sie rügt unrichtige Anwendung des § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. §§ 5, 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1961 sowie unzureichende Sachaufklärung. Sie macht geltend, die Verträge über die Pensionszusagen seien erst nach dem Abschluß der Dienstverträge zustande gekommen. Nach der allgemeinen Entwicklung gehe die Tendenz dahin, die aktive Tätigkeit auch leitender Angestellter oder Geschäftsführer zeitlich einzuschränken. Die Annahme des FG, daß Gesellschafter-Geschäftsführer verpflichtet seien, bis zum 65. Lebensjahr oder darüber hinaus tätig zu bleiben, sei nicht gerechtfertigt. Das FG habe insbesondere nicht berücksichtigt, daß einer der Gesellschafter-Geschäftsführer, G. S., zu 70 v. H. körperbehindert sei, mit der Folge, daß in diesem Falle mit Sicherheit von einer Pensionierung nicht nach Vollendung des 60. Lebensjahres auszugehen sei. Wenn es um nichtbeherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gehe, sei der Pensionsrückstellung das vereinbarte Pensionsalter zugrunde zu legen. Bedeutende Unternehmen sähen eine Pensionierung ihrer leitenden Angestellten spätestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres vor. Das FG hätte hierzu die von der Klägerin beantragten Erkundigungen einziehen müssen.
Die Klägerin beantragt, den aufgrund einer inzwischen durchgeführten weiteren Betriebsprüfung ergangenen Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid 1963 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das FA beantragt im Hinblick auf den nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag der Klägerin die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
1. Die Rechtsauffassung der Vorentscheidung ist im Streitpunkt im Ergebnis zu bestätigen.
a) Zu Unrecht sind FA und FG allerdings davon ausgegangen, daß die drei Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als beherrschende Gesellschafter anzusehen seien. Diese Ansicht steht nicht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die als entscheidend ansieht, ob es sich um Gesellschafter mit übereinstimmenden Interessen handelt, so daß die nunmehr pensionsberechtigten Gesellschafter durch ihr Zusammenwirken in der Lage sind, die Entscheidung der Kapitalgesellschaft maßgebend zu beeinflussen (vgl. Urteile vom 8. Januar 1969 I R 91/66, BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347; vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734). In der letztgenannten Entscheidung ist ausgeführt, daß es für die Beurteilung der Frage, ob die Stellung eines Gesellschafters eine beherrschende ist, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses des zu beurteilenden Vertrages ankommt. Hiernach sind die drei Gesellschafter-Geschäftsführer als beherrschende Gesellschafter anzusehen.
b) Rückstellungen für die Verpflichtung zur Zahlung der Pension an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer sind nach der bisherigen Rechtsprechung nur unter der Annahme zulässig, daß der Geschäftsführer mit dem 75. Lebensjahr aus dem Dienst für die Gesellschaft ausscheidet (BFH-Urteil vom 20. Juni 1974 I R 112/72, BFHE 113, 25, BStBl II 1974, 694). Der Senat braucht hier auf die Problematik dieser 75-Jahresgrenze nicht einzugehen, weil im Streitfall bereits das FA der Bemessung der Pensionsrückstellungen ein Pensionierungsalter von 65 Lebensjahren zugrunde gelegt hat. Der Senat hält diese Bemessung jedenfalls nach den Verhältnissen des Streitjahres 1963 für zutreffend. Denn zu jener Zeit war es nicht üblich, daß sich Unternehmer mit 60 Jahren zur Ruhe setzten. Die Einwendungen der Klägerin, die sich auf die Verhältnisse bei leitenden Angestellten größerer Unternehmen stützen, liegen neben der Sache. Denn es handelt sich im Streitfall um eine Familiengesellschaft, bei welcher die Gesellschafter wirtschaftlich als die Inhaber des Unternehmens fungieren. Die Interessenlage ist hier eine andere als in einem Großunternehmen, in welchem der leitende Angestellte nur die Position eines nichtselbständigen Managers einnimmt. Das FG hatte keinen Anlaß, die Pensionierungsverhältnisse bei solchen Unternehmen zu erforschen und das Ergebnis der Nachforschungen zur Grundlage der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit zu machen. Die von der Klägerin erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung ist daher nicht begründet.
c) Unbegründet sind auch die Einwendungen, soweit sie die Pensionsrückstellung für den Gesellschafter-Geschäftsführer G. S. betreffen. Die Klägerin hat keine Tatsachen dargetan, die den Schluß darauf zuließen, daß dieser Gesellschafter nicht in der Lage sein werde, seine Geschäftsführertätigkeit bis zum 65. Lebensjahr auszuüben. Der Hinweis auf eine 70 %ige Erwerbsminderung wegen Körperbehinderung ist für sich allein nicht geeignet, das Begehren der Klägerin zu stützen, zumal die Klägerin und der Geschäftsführer G. S. in dem Anstellungsvertrag diesem Umstand keine unterscheidende Bedeutung beigemessen haben.
2. Obschon die Revision im Streitpunkt keinen Erfolg hat, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, da die Klägerin den Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid vom 18. Juli 1977 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat (§§ 68, 123 Satz 2, 127 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74). Diese Entscheidung ist unabhängig davon zu treffen, daß die Klägerin gegen den Änderungsbescheid bereits Einspruch eingelegt hatte. Denn die Klägerin ist ungeachtet des anhängigen Einspruchsverfahrens jederzeit berechtigt, den Antrag nach § 68 FGO zu stellen.
Fundstellen
BStBl II 1980, 304 |
BFHE 1980, 550 |