Leitsatz (amtlich)
Ein in glaubensverschiedener Ehe lebender Ehemann ist nicht befugt, einen Kirchensteuervorauszahlungsbescheid anzufechten, der gegen seine einer steuerberechtigten Kirche angehörende Ehefrau ergangen ist, selbst wenn er bürgerlich-rechtlich verpflichtet sein sollte, ihr die Mittel zur Erfüllung der Kirchensteuerschuld zur Verfügung zu stellen.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 140; FGO §§ 33, 40 Abs. 2; AO 1977 §§ 16, 118; BGB § 1360a Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt in glaubensverschiedener Ehe: Er selbst gehört keiner Religionsgemeinschaft an, seine Ehefrau gehört einer römisch-katholischen Kirchengemeinde in der Freien und Hansestadt Hamburg an. Für das Jahr 1978 hatten beide Ehegatten die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer gewählt. Ihr gemeinsam zu versteuerndes Einkommen war vom Finanzamt (FA) mit 119 395 DM ermittelt, ihre Einkommensteuerschuld auf 43 852 DM festgesetzt worden. Das Einkommen war allein vom Kläger erzielt worden.
An die Ehefrau des Klägers richtete das FA am 8. September 1980 einen Bescheid über deren Kirchensteuervorauszahlungen für 1981 und die folgenden Jahre (vierteljährlich 249 DM). Gegen diesen Bescheid legte nicht nur die Ehefrau des Klägers, sondern auch der Kläger Einspruch ein. Dessen Einspruch hielt das FA für unzulässig und verwarf ihn; den Einspruch seiner Ehefrau hielt es für unbegründet und wies ihn zurück. Der Kläger und seine Ehefrau haben jeweils Anfechtungsklage erhoben. Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage geltend gemacht, sein Einspruch hätte nicht "einfach verworfen werden" dürfen, denn der gegen seine Ehefrau ergangene Bescheid richte sich "nach wirtschaftlicher Wahrheit" gegen ihn. Sein Grundrecht auf religiöse Freiheit sei verletzt, weil er "als Nichtkirchenangehöriger gezwungen werde", mit seinem "Einkommen beizutragen zur Finanzierung der durch" ihn "bekämpften christlichen Kirche".
Das Finanzgericht (FG) hat beide Klagen verbunden, sie für zulässig und für begründet erachtet und hat demgemäß den Kirchensteuervorauszahlungsbescheid und die beiden Einspruchsentscheidungen aufgehoben. Zu der vom Kläger erhobenen Klage hat es ausgeführt, der Kläger sei klagebefugt, denn er mache geltend, durch den an seine Ehefrau gerichteten Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. In seinen Rechten verletzt könne er insofern sein, als er aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtung gehalten sei, seiner Ehefrau die Mittel zur Entrichtung der von ihr geforderten Vorauszahlungen auf die Kirchensteuer zur Verfügung zu stellen. Seine Klage sei auch begründet, denn er werde durch den nichtverfassungsgemäßen Steuerbescheid in seinen Rechten und damit in seinem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Mit seiner Revision rügt das FA im wesentlichen unrichtige Anwendung des Art. 6 Abs. 1 GG. Es beantragt, das Urteil des FG -- soweit es die vom Kläger erhobene Klage betrifft -- aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die vom FG verbundenen Verfahren getrennt.
Die Revision des FA ist -- soweit das angefochtene Urteil des FG die Klage des Klägers betrifft -- begründet. Insoweit muß das Urteil des FG aufgehoben werden, weil es auf der Verletzung des § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beruht. Nach dieser Vorschrift ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt "in seinen Rechten" verletzt zu sein. In seinen Rechten konnte der Kläger indes nicht dadurch verletzt sein, daß er möglicherweise bürgerlich-rechtlich verpflichtet war (§ 1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --), seiner Ehefrau die Mittel zur Entrichtung der gegen sie festgesetzten Vorauszahlungen auf die Kirchensteuer zur Verfügung zu stellen. Insoweit konnte er durch den an seine Ehefrau gerichteten Vorauszahlungsbescheid allenfalls mittelbar betroffen sein. § 40 Abs. 2 FGO setzt aber nach der ständigen Rechtsprechung des BFH unmittelbares Betroffensein voraus (vgl. Urteil vom 25. April 1978 VII R 2/75, BFHE 125, 138, 140, BStBl II 1978, 464, m. w. N.). Die Vorschrift soll gewährleisten, daß ein Verwaltungsakt (§ 118 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) nur von demjenigen mit der Klage angefochten werden kann, der durch den Verwaltungsakt unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen ist. Hierdurch soll ausgeschlossen werden, daß Personen klagen, die zwar ein Interesse an den durch den Verwaltungsakt geregelten Beziehungen haben, selbst aber durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht in einer Weise betroffen sind, die sich als eine Verletzung eigener Rechte darstellen könnte (vgl. z. B. BFH-Urteile in BFHE 125, 138, 140, BStBl II 1978, 464, betreffend die Klagebefugnis einer KG, der ein etwaiger Anspruch auf Erstattung des Auszahlungsbetrags nach dem Ausfuhrerstattungsrecht abgetreten worden war, gegen den die Erstattung ablehnenden Verwaltungsakt des Hauptzollamts, und vom 15. Mai 1975 V R 84/70, BFHE 117, 1, 4, BStBl II 1976, 41, betreffend die Klagebefugnis eines Steuerberaters, welchem eine GmbH ihren etwaigen sich aus ihrer Umsatzsteuerveranlagung ergebenden Auszahlungsanspruch abgetreten hatte, gegen einen an die GmbH gerichteten, für sie ungünstigen Steuerbescheid).
Die Vorschrift des § 40 Abs. 2 FGO in ihrer Auslegung durch den BFH gibt einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsprozeßrechts wieder. Sie ist vereinbar mit der bundesverfassungsrechtlichen Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach jemandem, der durch die öffentliche Gewalt "in seinen Rechten" verletzt wird, der Rechtsweg offensteht. Bei der Ausgestaltung des Rechtswegs kam dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wobei er freilich dem Schutzzweck des Art. 19 Abs. 4 GG -- einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren -- Genüge tun mußte (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 20. April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 268). Diesem Schutzzweck genügte er, wenn er den Finanzrechtsweg nicht für "jedermann" öffnete -- wie etwa im sog. Popularklageverfahren nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof bei Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung wegen unzulässiger Einschränkung eines Grundrechts (Art. 98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung) --, sondern nur für jemanden, der eigene Rechte verfolgt (vgl. BVerfG-Beschluß vom 3. Oktober 1961 2 BvR 4/60, BVerfGE 13, 132, 151).
Der Kläger meint, er verfolge "eigene Rechte": Der Art. 6 GG gewähre ihm "ein Abwehrrecht gegen störende und schädigende Eingriffe des Staates in seine Ehe und Familie". Ein Eingriff dieser Art sei die auf ihn "zukommende Verpflichtung, mit seinen Arbeitserträgen die freie Religionsausübung seiner Ehefrau zu ermöglichen und damit ihre Kirche zu unterstützen". Damit würden er und seine Ehefrau "durch staatlichen Akt an einer ruhigen problemfreien Eheführung gehindert".
Diese Ansicht teilt der erkennende Senat nicht. Zwar kann ein einzelner aus der Verfassungsnorm des Art. 6 Abs. 1 GG ein Abwehrrecht gegen störende und schädigende Einflüsse des Staates in seine Ehe und seine Familie herleiten, z. B. ein Ehemann gegen den Steuerbescheid des FA, mit dem er und seine Ehefrau aufgrund der vom BVerfG für nichtig erklärten Vorschrift des § 26 des Einkommensteuergesetzes 1951 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind (Beschluß vom 7. Mai 1957 1 BvR 289/56, BVerfGE 6, 386, 387), oder eine deutsche Ehefrau gegen die Ausweisung ihres italienischen Ehemannes (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 1973 I C 20.70, BVerwGE 42, 141, 142). Ein Eingriff dieser Art liegt aber nicht darin, daß das FA einen Kirchensteuervorauszahlungsbescheid erlassen hat gegen die Ehefrau des Klägers, die ihr Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) in Anspruch genommen hat und Mitglied einer steuerberechtigten Kirche geworden oder geblieben ist. Ihre Kirchensteuerpflicht ist Folge ihrer Kirchenzugehörigkeit und stellt für den Kläger keinen schädigenden Eingriff in seine Ehe dar, weil Kirchen ihre Mitglieder nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften besteuern dürfen (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 der Verfassung des Deutschen Reiches -- Weimarer Verfassung --) und Ehegatten in glaubensverschiedener Ehe einander Toleranz in religiösen Fragen schulden (vgl. BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvL 31, 32/62, BVerfGE 19, 226, 238). Der Kläger kann auch nicht verletzt sein in seinem aus Art. 4 Abs. 1 GG abzuleitenden Recht, einer Kirche fernzubleiben. Denn der an seine Ehefrau gerichtete Bescheid kann für ihn keine Pflichten gegenüber der Kirche begründen.
Davon zu trennen ist die Frage, wer -- im Innenverhältnis der Ehegatten -- die Mittel für die in der Person der Ehefrau entstandene Steuerlast aufzbringen hat. Diese Frage zu beantworten ist indes nicht Sache der Finanzbehörden und der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit (§ 16 AO 1977, § 33 FGO).
Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Die Klage ist abzuweisen, weil sie aus den dargelegten Gründen unzulässig ist.
Fundstellen
BStBl II 1983, 645 |
BFHE 1983, 531 |