Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderabschreibung für Handelsschiff nur bei Eintragung in inländisches Register während des gesamten Begünstigungszeitraums
Leitsatz (amtlich)
Sonderabschreibungen für ein Handelsschiff nach § 82f Abs. 1 EStDV können nur in Anspruch genommen werden, wenn das Schiff mindestens während des gesamten Begünstigungszeitraums in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen ist. Diese Voraussetzung gilt auch, wenn die Sonderabschreibung bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten nach § 82f Abs. 4 EStDV geltend gemacht wird.
Normenkette
EStDV § 82f Abs. 1, 4; EStG §§ 7a, 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Partenreederei, deren Gegenstand der Erwerb und Betrieb des Containerschiffs "X" ist. Das Schiff war in China zum Preis von 14 270 000 US$ gebaut worden.
Am 29. September 1995 wurde es an die Klägerin ausgeliefert. Noch am selben Tag erfolgte die Eintragung im Seeschiffsregister. Ebenfalls unter dem Datum dieses Tages übertrug die Klägerin das Schiff durch eine Bill of Sale zum Preis von 1 US$ auf die T mit Sitz in Nikosia/Zypern. Gleichzeitig schlossen die Klägerin und die beiden Anteilseigner der T Treuhandverträge, wonach die Anteile an der T der Klägerin zustehen sollten. Wegen dieses Geschäfts wurde die Eintragung im Seeschiffsregister am 2. Oktober 1995 wieder gelöscht.
Mit der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für 1994 (Streitjahr) machte die Klägerin für die 1994 geleisteten Anzahlungen von 4 896 000 DM auf die Anschaffungskosten des Schiffs Sonderabschreibungen nach § 82f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von 1 958 400 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) hielt die Voraussetzungen dafür nicht für erfüllt.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, nach § 82f Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 EStDV sei Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen auf Anschaffungs- und Herstellungskosten ebenso wie auf darauf geleistete Anzahlungen, dass das Schiff in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sei. Es reiche nicht aus, wenn das Schiff nur ―wie vorliegend für vier Tage― eingetragen gewesen sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 82f EStDV.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Klägerin konnte im Streitjahr 1994 keine Sonderabschreibungen nach § 82f EStDV i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung in Anspruch nehmen.
1. Nach § 82f Abs. 1 Satz 1 EStDV in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, bei Handelsschiffen, die in ein inländisches Seeschiffsregister eingetragen sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 40 v.H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten vornehmen. Die Inanspruchnahme dieser Abschreibungen ist nur unter der Bedingung zulässig, dass die Handelsschiffe innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert werden (§ 82f Abs. 3 Satz 1 EStDV). Die Abschreibungen können nach § 82f Abs. 4 EStDV bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten in Anspruch genommen werden.
2. Keine ausdrückliche Regelung enthält § 82f EStDV zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt bzw. für welchen Zeitraum die Voraussetzung des Abs. 1 erfüllt sein muss, dass das Schiff in ein inländisches Seeschiffsregister eingetragen ist. Nach Auffassung des Senats muss die Eintragung mindestens während des gesamten von § 82f Abs. 1 EStDV umfassten Zeitraums bestehen.
a) Die Auslegung eines Gesetzes orientiert sich nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) an dem in ihm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (BVerfG-Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312; BVerfG-Beschluss vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59 und 11/60, BVerfGE 11, 126, 131; BFH-Urteile vom 9. Oktober 1974 II R 67/68, BFHE 114, 281, BStBl II 1975, 245, und vom 3. Juni 1997 IX R 24/96, BFH/NV 1998, 155, m.w.N.). Eine Steuerbegünstigungsvorschrift ist unter Berücksichtigung des Begünstigungszwecks auszulegen (BFH in BFH/NV 1998, 155, m.w.N.). Die für die Auslegung von Gesetzen geltenden Maßstäbe finden für die Auslegung einer Rechtsverordnung entsprechende Anwendung, allerdings mit dem Unterschied, dass die Verordnung vorrangig unter Berücksichtigung von Inhalt, Zweck und Umfang der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage auszulegen ist (BFH-Urteil vom 10. Februar 1987 VIII R 257/81, BFH/NV 1987, 391).
b) § 82f EStDV beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG. Danach ist die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung Vorschriften über Sonderabschreibungen bei Handelsschiffen zu erlassen, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind. Weitere Voraussetzungen für die Gewährung solcher Sonderabschreibungen sowie deren Umfang werden ebenfalls von der Ermächtigungsgrundlage festgelegt. Ins EStG eingefügt wurde die Vorschrift durch das Steueränderungsgesetz 1964 ―StÄndG 1964― (BGBl I 1964, 885, BStBl I 1964, 553), um deutschen Schifffahrtsunternehmen die zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen Rationalisierungs- und Modernisierungsinvestitionen zu erleichtern (BTDrucks IV/2400, 74). Missbräuchen sollte durch die Behaltefrist von damals zunächst vier Jahren vorgebeugt werden (BTDrucks IV/2400, 74). Die ursprünglich bis 1970 befristete Geltung der Ermächtigung wurde wiederholt verlängert. Die Verlängerungen sollten den besonderen Belangen der dem internationalen Wettbewerb besonders ausgesetzten deutschen Seeschifffahrt Rechnung tragen (vgl. z.B. Begründung zur BRDrucks 4/70, 7; BTDrucks 10/336, 27). Infolge der ersten Verlängerung durch das StÄndG 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) wurde die Behaltefrist für Schiffe auf acht Jahre ausgedehnt (Verordnung zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDVÄndV― vom 6. März 1970, BGBl I 1970, 246, BStBl I 1970, 240).
c) Zweck der Gewährung von Sonderabschreibungen nach § 82f EStDV ist es danach, die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Seeschifffahrtsunternehmen zu stärken. Die Erreichung dieses Zwecks soll einerseits durch die Behaltefrist von zuletzt acht Jahren und andererseits durch das Erfordernis einer Eintragung in ein inländisches Seeschiffsregister sichergestellt werden. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Zuordnung eines Schiffs zur deutschen Seeschifffahrt ist folglich nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Ermächtigungsgrundlage zu § 82f EStDV die Eintragung in ein inländisches Seeschiffsregister. Die inländische Registrierung des Schiffs stellt sicher, dass das Schiff und sein Betrieb der deutschen Rechtsordnung unterworfen sind. Die damit verbundenen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigenden Lasten sollen durch die Gewährung von Sonderabschreibungen gemildert werden (vgl. zu der ähnlichen Fragestellung bei der Tarifvergünstigung nach § 34c Abs. 4 EStG 1974 das BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 181/76, BFHE 129, 389, BStBl II 1980, 190).
Daraus ist nach Auffassung des Senats zu folgern, dass die Eintragung nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb des Begünstigungszeitraums (§ 7a Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern jedenfalls während des gesamten Begünstigungszeitraums vorliegen muss. Nur so kann dem Interesse des Gesetzgebers an einer Begünstigung der deutschen Seeschifffahrt Rechnung getragen werden.
d) Für diese Auslegung spricht auch ein Vergleich von § 82f EStDV mit der Regelung in § 7f Abs. 2 EStG. Nach § 7f EStG können Sonderabschreibungen für bestimmte Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden, die dem Betrieb eines privaten Krankenhauses dienen. Die Frage, wann die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sein müssen, regelt § 7f Abs. 2 EStG in der Weise, dass die Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im Jahr der Inanspruchnahme der Abschreibungen vorzuliegen haben. Daraus wird im Schrifttum geschlossen, dass die punktuelle Erfüllung der Voraussetzungen in jedem der beiden Jahre ausreichend sei (vgl. z.B. Lambrecht in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 7f Rdnr. B 17, m.w.N.).
Eine entsprechende Regelung fehlt in § 82f EStDV. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die punktuelle Erfüllung der Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im Jahr der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen sei ausreichend. Noch weniger kann in Betracht kommen, die einmalige Erfüllung der Voraussetzungen des § 82f Abs. 1 EStDV zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Begünstigungszeitraums ausreichen zu lassen. Vielmehr müssen strengere Anforderungen für das Vorliegen aller zur Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen notwendigen Voraussetzungen gelten, als sie etwa in § 7f Abs. 2 EStG ausdrücklich geregelt sind. Sinnvoll kann deshalb nur die Auslegung sein, dass die Voraussetzungen des § 82f Abs. 1 EStDV mindestens während des gesamten Begünstigungszeitraums erfüllt sein müssen.
Der Klägerin ist nicht in der Annahme zu folgen, dass der Gesetzgeber die Dauer der Eintragung in einem inländischen Seeschiffsregister ausdrücklich geregelt hätte, wenn es ihm auf eine zeitraumbezogene Betrachtung angekommen wäre. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass der Gesetzgeber einen Gleichlauf von Begünstigungszeitraum und Eintragung für selbstverständlich gehalten hat. Für eine ausdrückliche Regelung hätte nur Anlass bestanden, wenn beide Tatbestandsvoraussetzungen nicht gleichzeitig hätten vorliegen sollen, wie z.B. in § 7f Abs. 2 EStG geregelt.
e) Soweit § 82f Abs. 4 EStDV gestattet, dass Abschreibungen nach Abs. 1 der Vorschrift auch für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten in Anspruch genommen werden können, gelten im Übrigen dieselben Voraussetzungen wie nach Abs. 1. Die Sonderabschreibungen nach Abs. 4 haben keine selbständige Bedeutung, sondern hängen eng zusammen mit der Anschaffung oder Herstellung und stehen deshalb unter den gleichen Bedingungen wie die Sonderabschreibungen nach Abs. 1 (BFH-Urteil vom 19. Januar 1977 I R 89/74, BFHE 121, 421, BStBl II 1977, 517). Steht sonach im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen für Anzahlungen oder Teilherstellungskosten bereits fest, dass die Voraussetzungen des § 82f Abs. 1 EStDV nicht vollständig erfüllt sind, entfällt auch die Sonderabschreibung nach Abs. 4.
3. Im Streitfall hat die Klägerin die Voraussetzungen des § 82f Abs. 1 EStDV nicht erfüllt. Das Schiff war nur für einen kurzen Zeitraum in einem deutschen Seeschiffsregister eingetragen, obwohl es wenigstens während des gesamten Begünstigungszeitraums hätte eingetragen sein müssen. Dieser Sachverhalt stand auch schon fest, als die Sonderabschreibung für im Jahr 1994 geleistete Anzahlungen auf Anschaffungskosten beantragt wurde. Die Klägerin kann deshalb diese Sonderabschreibungen nicht beanspruchen.
Auf die Frage, ob die Behaltefrist nach § 82f Abs. 3 EStDV durch die Übertragung des Schiffs auf die T nicht gewahrt worden ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
Fundstellen
BFH/NV 2001, 1074 |
BStBl II 2001, 437 |
BFHE 2002, 257 |
BB 2001, 1242 |
DB 2001, 1283 |
DStR 2001, 1026 |
DStRE 2001, 700 |
HFR 2001, 771 |
StE 2001, 339 |
WPg 2001, 714 |
FR 2001, 910 |
Inf 2001, 475 |
NWB 2002, 806 |
BBK 2001, 550 |
BBK 2002, 169 |
EStB 2001, 254 |
NWB-DokSt 2001, 1060 |
V&S 2001, 5 |
stak 2001 |