Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung der Tätigkeit als Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien u. Massenorganisationen der DDR
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit als Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR ist steuerbar und steuerpflichtig.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (EFG 1999, 627) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (1993) Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (nachfolgend: Kommission). Aufgabe der ―ursprünglich vom Ministerpräsidenten der DDR eingesetzten― Kommission war es im Streitjahr im Wesentlichen, die Vermögenswerte aller Parteien und mit ihnen verbundenen Organisationen, juristischen Personen und Massenorganisationen der DDR im In- und Ausland zu ermitteln und darüber einen Bericht zu erstellen; ferner hatte sie der Treuhandanstalt ihr Einvernehmen bei der treuhänderischen Verwaltung des Vermögens der Parteien und politischen Organisationen zu erteilen. Die Kommission hatte zur Durchführung ihrer Arbeit das Recht zur Beweisaufnahme, konnte entsprechend den Verfahrensregeln der Strafprozessordnung Zeugen vernehmen und durfte Hausdurchsuchungen, sonstige Durchsuchungen und Beschlagnahmen vornehmen lassen. Rechtsgrundlagen der Kommission sind (vgl. BTDrucks 12/6515, S. 68 ff., BTDrucks 13/11353, S. 8 ff.)
Art. 9 Abs. 2 des Einigungsvertrages (EinigVtr) vom 31. August 1990 (BGBl II 1990, 1150) i.V.m. Anlage II Kap. II Sachgeb. A Abschn. III,
§§ 20a und 20 b des Parteiengesetzes (Gesetz über Parteien und andere politische Vereinigungen der Deutschen Demokratischen Republik) vom 21. Februar 1990 (Gesetzblatt der DDR ―GBl DDR― I Nr. 9 S. 66) i.d.F. des Gesetzes vom 31. Mai 1990 (GBl DDR I, 275) und
die Parteivermögenskommissions-Verordnung (Verordnung über die Einrichtung und das Verfahren der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR) vom 14. Juni 1991 (BGBl I, 1243).
Danach unterliegt die Kommission der Rechtsaufsicht der Bundesregierung, die vom Bundesminister des Innern (BMI) wahrgenommen wird. Sie hat 16 ―teilweise noch vom Ministerpräsidenten der DDR und im Übrigen von der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundestagspräsidenten berufene― Mitglieder, die in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an Weisungen nicht gebunden sind. Die laufenden Geschäfte werden von einem Sekretariat geführt, das Ende 1990 ca. 160 Bedienstete hatte.
Erforderlich für die Mitgliedschaft in der Kommission war die Erfüllung der Voraussetzungen des § 15 des Bundeswahlgesetzes; Mitglieder der BReg oder der Regierung eines Landes, Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Berufsrichter oder Bedienstete des Sekretariats der Kommission konnten nicht Mitglieder der Kommission sein. Im Streitjahr war die Mehrzahl der Mitglieder freiberuflich tätig, insbesondere in der Rechtsberatung; zwei Mitglieder standen im öffentlichen Dienst der Länder; vier Mitglieder waren Abgeordnete des Deutschen Bundestages (vgl. Schreiben des BMI vom 6. April 1994 V II 5 - 122 501/2).
Den Mitgliedern der Kommission wurde für ihre Tätigkeit im Streitjahr aus Haushaltsmitteln ein "Honorar" in Höhe von 50 000 DM für den Vorsitzenden und je 44 000 DM für die anderen 15 Mitglieder gewährt (vgl. Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1993, S. 226, Kap. 0619, Titel 427 02). Es ist ―auch zwischen dem Bundesministerium der Finanzen ―BMF― und dem BMI― streitig, ob diese (früher als "Aufwandsentschädigungen" bezeichneten) Honorare der Umsatzsteuer unterliegen.
Der Bundesrechnungshof war in einem Bericht vom 23. September 1992 zu dem Ergebnis gekommen, die den Mitgliedern der Kommission gezahlte "Aufwandsentschädigung" könne nur teilweise begrifflich als Aufwandsentschädigung im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften angesehen werden; im Übrigen stelle sie ein sachlich unangemessenes Entgelt für eine ehrenamtliche Tätigkeit dar. Hierbei ging er ―in Übereinstimmung mit dem BMI― davon aus, dass die Mitglieder einschließlich der Sitzungstage etwa 36 Tage jährlich auf die Kommissionstätigkeit verwandten. Bei Umrechnung auf eine Vollzeittätigkeit würde dies eine jährliche Entschädigung von rd. 240 000 DM ergeben. Lege man hingegen für eine ganztägige Tätigkeit rd. 1 000 DM für die Sitzungstage und die Hälfte dieses Betrages für die Vor- und Nachbereitung zugrunde, ergäbe sich als Anhaltspunkt für die Mitglieder der Kommission eine jährliche Entschädigung von (12 x 1 000 DM + 24 x 500 DM =) 24 000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) unterwarf abweichend von der Steuererklärung des Klägers mit Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 10. März 1995 das Honorar in Höhe des Nettobetrags der Umsatzsteuer. Das FA vertrat (und vertritt) die Auffassung, diese Zahlung stelle Entgelt für eine selbständige Tätigkeit dar; die Mitglieder der Kommission seien nicht an Weisungen gebunden. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 26 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) seien im Streitfall nicht erfüllt, weil die Zahlung im Hinblick auf ihre Höhe nicht mehr als eine Entschädigung für eine ehrenamtliche Tätigkeit angesehen werden könne.
Einspruch und Klage des Klägers hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte im Wesentlichen der Auffassung des FA. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 627 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er macht im Wesentlichen geltend, seine Tätigkeit als Mitglied der Kommission sei ausschließlich hoheitliches Handeln, das als nichtunternehmerische Tätigkeit der Umsatzsteuer nicht unterliege. Überdies sei er nicht selbständig tätig geworden; er sei hinsichtlich der konkreten Arbeitsorganisation, etwa des Umfangs des Arbeitsanfalls und der Art und Weise der Arbeitserledigung, weisungsgebunden gewesen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer 1993 auf … DM festzusetzen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Leistungen des Klägers als Kommissionsmitglied steuerbar und steuerpflichtig sind.
1. Die Tätigkeit des Klägers als Mitglied der Kommission ist umsatzsteuerbar.
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
a) Der Kläger wurde als Mitglied der Kommission i.S. des § 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG beruflich tätig. Er hat nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen sonstige Leistungen erbracht. Diese bestanden in der Teilnahme an den Sitzungen der Kommission, der Mitwirkung an ihren Entscheidungen und an der entsprechenden Vor- und Nachbereitung. Leistungsempfänger war die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger der Kommission.
b) Auch wenn der Kläger als Mitglied der Kommission öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnahm, ist seine Tätigkeit steuerbar. Umsatzsteuerrechtlich ist zwischen der Tätigkeit der Kommission als Gremium und der Tätigkeit der einzelnen Kommissionsmitglieder zu unterscheiden.
aa) Die Kommission selbst dürfte als eine Bundesoberbehörde i.S. des § 87 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) zu qualifizieren sein (so BMF-Schreiben vom 27. September 1993 IV A 3 -S 7185- 1/93; BMI-Schreiben vom 6. April 1994 V II 5 - 122 501/2). Sie ist jedenfalls Teil der Bundesverwaltung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. Juli 1991 2 BvE 3/91, BVerfGE 84, 290, 297; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ―OVG― Berlin vom 26. Mai 1992 2 S 17.91, Deutsches Verwaltungsblatt ―DVBl― 1992, 1305, 1306). Sie wurde aufgrund und nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften tätig. Ihre Aufgaben sind öffentlich-rechtlicher Natur. Das gilt insbesondere für die Feststellung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR und die Berichterstattung darüber gegenüber dem Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 12/622 vom 18. März 1991, BTDrucks 12/6515 vom 22. Dezember 1993, BTDrucks 13/5376 vom 1. August 1996, BTDrucks 13/5377 vom 1. August 1996 und BTDrucks 13/11353 vom 24. August 1998).
Der Kläger als Mitglied der Kommission ist aber weder eine juristische Person des öffentlichen Rechts i.S. des § 2 Abs. 3 UStG noch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. des Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Dass eine Tätigkeit auch dann der Umsatzsteuer unterliegt, wenn sie in der Vornahme von an sich der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Handlungen besteht, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bereits wiederholt entschieden (vgl. EuGH-Urteile vom 26. März 1987 Rs. 235/85 - Kommission gegen Niederlande, Slg. 1987, 1471, Rdnr. 18 ff. ―für Notare und Gerichtsvollzieher―; vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 - Ayuntamiento de Sevilla, Slg. 1991, I-4247, Rdnr. 17 ff. ―zu Steuereinnehmern―). Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG, wonach die ehrenamtliche, aber gegen Entgelt erbrachte Tätigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts steuerfrei ist. Die Vorschrift zeigt, dass eine solche öffentlich-rechtliche Tätigkeit ―z.B. als ehrenamtliches Mitglied in einem staatlichen Prüfungsausschuss― grundsätzlich der Umsatzbesteuerung unterliegt. Denn ansonsten wäre sie weitgehend überflüssig.
bb) Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. November 1982 V R 4/77 (BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156) zur Tätigkeit eines Kassenarztes als Vorstandsmitglied einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten kassenärztlichen Vereinigung gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass.
Maßgebend für die Nichtsteuerbarkeit dieser Tätigkeit war nach der dort vertretenen Auffassung, dass das Vorstandsmitglied als Organwalter der Körperschaft öffentlichen Rechts unvermittelt als kassenärztliche Vereinigung selbst handle. Von der Betätigung als Organwalter öffentlicher Verwaltung und damit als kassenärztliche Vereinigung (Körperschaft des öffentlichen Rechts) selbst könne eine Betätigung gegenüber dieser nicht abgespalten werden.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob diesen Erwägungen zu folgen ist, die darauf abstellen, dass die Körperschaft des öffentlichen Rechts nach außen allein durch den Organwalter tätig wird, denn sie treffen auf den Kläger als Mitglied der Kommission nicht zu. Nicht dem einzelnen Kommissionsmitglied, sondern der Kommission in ihrer Gesamtheit sind nach den bezeichneten Rechtsgrundlagen die dort vorgesehenen Befugnisse eingeräumt (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42, zum Mitglied eines Aufsichtsrats; vom 18. Mai 1988 X R 57/81, BFH/NV 1989, 262, zum Geschäftsführer und Vorstandsmitglied eines Vereins).
c) Der Kläger handelte bei seiner Tätigkeit als Mitglied der Kommission ferner selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG.
Eine berufliche Tätigkeit wird nach der negativen Abgrenzung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Dies bedeutet, dass die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493, m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist das FG verfahren und ist zu dem ―revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden― Ergebnis gekommen, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei die Selbständigkeit des Klägers zu bejahen. Es hat den maßgeblichen Sachverhalt umfassend ermittelt und die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen und gewichtet. In diesem Rahmen hat das FG insbesondere zutreffend maßgeblich darauf abgestellt, dass die Mitglieder der Kommission gemäß § 3 Abs. 2 der Parteivermögenskommissions-Verordnung in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an Weisungen nicht gebunden sind.
2. Die Tätigkeit des Klägers als Kommissionsmitglied ist nicht gemäß § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG steuerfrei.
Dass im Streitfall angesichts der Höhe des Honorars nicht mehr von einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 X R 7/82, BFHE 152, 182, BStBl II 1988, 384, m.w.N.; Schmidt, Umsatzsteuer-Rundschau 1968, 259, 260) gesprochen werden kann, hat das FG ―gestützt auf die Feststellungen und Wertungen des Bundesrechnungshofs in dessen Schreiben vom 23. September 1992― zutreffend dargelegt. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch keine Einwendungen mehr erhoben.
Soweit der Kläger mit der Revision ferner geltend gemacht hat, das für die Rechtsaufsicht der Kommission zuständige BMI habe mit bindender Wirkung für die Gerichte festgestellt, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG vorliege, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine derartige Bindung gibt es nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 426221 |
BFH/NV 2000, 1317 |
BStBl II 2000, 597 |
BFHE 191, 468 |
BFHE 2001, 468 |
BB 2000, 1877 |
DB 2000, 1948 |
DStRE 2000, 1044 |
HFR 2000, 830 |
StE 2000, 556 |
UR 2000, 428 |