Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsanordnung: Begründungsanforderungen für Mittelbetriebe
Leitsatz (NV)
Zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung eines Mittelbetriebes genügt regelmäßig der Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift des § 193 Abs. 1 AO 1977, wenn zwischen der angeordneten und der vorangegangenen Prüfung ein prüfungsfreier Zeitraum von 3 Jahren liegt und im übrigen Anzeichen für eine ermessensmißbräuchliche Auswahl des Betriebes fehlen.
Normenkette
AO 1977 § 193 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) zu 1 betreibt in X eine Spedition, die Klägerin zu 2 ebenfalls in X ein Fuhrunternehmen. Beide Betriebe sind nach § 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - vom 27. April 1978 (BStBl I 1978, 195) als Mittelbetriebe eingestuft. Nachdem beide Unternehmen im März bzw. April 1979 einer Außenprüfung für die Jahre 1975 bis 1977 unterlegen waren, ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) am 22. Februar 1985 unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine weitere Prüfung an. Gegenstand dieser Außenprüfung waren jeweils die gesonderte Feststellung der Einkünfte, die Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 1981 bis 1983 und der Einheitswert des Betriebsvermögens bis zum 1. Januar 1984.
Die dagegen gerichteten Beschwerden wies die Oberfinanzdirektion (OFD) unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 28. April 1983 IV R 255/82 (BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621) im wesentlichen mit der Begründung zurück, die angeordnete Außenprüfung sei als Routineprüfung Rechtens.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt und hob die angefochtenen Prüfungsanordnungen des FA und die Beschwerdeentscheidungen der OFD auf, weil nicht nachprüfbar sei, ob und in welcher Weise die Behörde das ihr bei Auswahl der Klägerin zustehende Ermessen ausgeübt habe.
Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat zunächst durch Vorbescheid entschieden. Hiergegen ist Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden. Der Senat hält die Revision auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung für begründet.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FA war zum Erlaß der angefochtenen Prüfungsanordnung berechtigt.
Die Klägerinnen unterhalten gewerbliche Betriebe, die gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 einer Außenprüfung unterzogen werden können. Zwar regelt diese Vorschrift nicht die Häufigkeit von Außenprüfungen, so daß danach auch Anschlußprüfungen zulässig wären. Wie der Senat jedoch wiederholt entschieden hat, müssen die Finanzbehörden angesichts ihrer begrenzten sachlichen und personellen Mittel eine Auswahl unter den zu prüfenden Betrieben treffen (vgl. Urteile vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, und vom 16.November 1989 IV R 29/89, BFHE 159, 28, 31, BStBl II 1990, 272). Dieses Auswahlermessen hat die Finanzverwaltung in der BpO(St) dahingehend geregelt, daß Großbetriebe lückenlos, andere Betriebe dagegen grundsätzlich in zeitlichem Abstand geprüft werden - § 4 BpO(St) -. Ein als Mittelbetrieb eingestufter Betrieb muß daher mit Prüfungen nach dem allgemeinen Prüfungsrhythmus rechnen, wobei sich Abweichungen von einem statistischen Mittelwert nach oben oder unten ergeben können (BFHE 159, 28, 31, BStBl II 1990, 272).
Zur Begründung der Anordnung einer derartigen Prüfung genügt nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig der Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift (vgl. Senatsurteile vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286; vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435, und BFH-Urteil vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273 mit Nachweisen zur Rechtsprechung anderer Senate).
Im Streitfall hat das FA die unstreitig gemäß § 3 BpO(St) als Mittelbetriebe eingestuften Betriebe der Klägerinnen nicht einer Anschlußprüfung unterworfen, sondern einen prüfungsfreien Zeitraum von 3 Jahren belassen. Es kann daher dahinstehen, ob der Senat auch den Urteilen des X.Senats folgen könnte, wonach selbst dann der bloße Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als Begründung einer Prüfungsanordnung genügt, wenn es sich bei der neu angeordneten Prüfung um eine sog. Anschlußprüfung handeln sollte (Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 1/88, BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274 nur im Leitsatz veröffentlicht) oder der prüfungsfreie Zeitraum nur 1 Jahr beträgt (Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220).
Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272 wegen der Abweichung vom allgemeinen Prüfungsrhythmus eine besondere Begründung für die Prüfungsanordnung in einem Fall gefordert, in dem der prüfungsfreie Zeitraum zwischen der angeordneten und der vorausgegangenen Prüfung 2 Jahre betragen hatte. Eine Begründungspflicht hat der Senat allein wegen der Besonderheiten dieses Falles angenommen, denn der Betrieb der Klägerin war in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum auffallend häufig geprüft worden. Das FA hatte ihn einer Anschlußprüfung unterzogen und im übrigen prüfungsfreie Zeiträume von nur einem und zwei Jahren belassen. Solche besonderen Verhältnisse haben im Streitfall ersichtlich nicht vorgelegen. Ungeachtet einer etwaigen Abweichung vom allgemeinen Prüfungsrhythmus genügte daher der Hinweis auf die Vorschrift des § 193 Abs. 1 AO 1977 zur Begründung der Prüfungsanordnung.
Demgegenüber machen die Klägerinnen mit ihrem Einwand, für das Verfahren zur Auswahl prüfungswürdiger Betriebe müsse eine moderne, gerechtere, menschenwürdige und dem Gleichheitssatz (Art.3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) entsprechende Regelung gefunden werden, zu Unrecht einen Anspruch auf eine längere, vor allem aber berechenbare ,,Prüfungspause" geltend, der sich nicht aus § 193 Abs. 1 AO 1977 oder der BpO(St) herleiten läßt (vgl. auch BFH in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220). Zwar steht auch die Auswahl der prüfungswürdigen Betriebe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des Willkür- und Schikaneverbots. Im Streitfall haben sich jedoch insoweit keine Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Ermessensentscheidung des FA ergeben.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr.1 FGO).
Fundstellen