Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerlicher Entlastungsbetrag für Alleinstehende ist verfassungskonform
Leitsatz (redaktionell)
Die Gewährung des Entlastungsbetrages nach § 24b EStG nur für Alleinerziehende unter gleichzeitigem Ausschluss von Steuerpflichtigen, die die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung erfüllen, verletzt keine Grundrechte.
Normenkette
EStG § 24b; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Begehren des mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammenlebenden Beschwerdeführers, einen Freibetrag in Höhe des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende gewährt zu bekommen.
1. In der Vergangenheit war in § 32 Abs. 7 EStG ein Haushaltsfreibetrag für Alleinstehende geregelt. Die Vorschrift lautete in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 15. April 1986 (BGBl I S. 441):
Ein Haushaltsfreibetrag von 4.536 Deutsche Mark wird bei einem Steuerpflichtigen, für den die Voraussetzungen des § 32a Abs. 5 oder 6 nicht erfüllt sind und der nicht nach den §§ 26, 26a getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen ist, vom Einkommen abgezogen, wenn er einen Kinderfreibetrag erhält. Ist auch der andere Elternteil unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so erhält der Steuerpflichtige den Haushaltsfreibetrag nur, wenn das Kind, für das ein Kinderfreibetrag abgezogen wird, ihm zuzuordnen ist. Ein Kind eines unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaares, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 nicht vorliegen, ist dem Elternteil zuzuordnen, in dessen Wohnung es erstmals im Kalenderjahr mit Hauptwohnung gemeldet war. War das Kind nicht in einer Wohnung eines Elternteils oder war es in einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet, so ist es der Mutter zuzuordnen; es wird statt der Mutter dem Vater zugeordnet, wenn dieser durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachweist, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört hat.
Das Bundesverfassungsgericht stellte mit Beschluss vom 10. November 1998 – 2 BvR 1057, 1226, 980/91 – (BVerfGE 99, 216) fest, dass die Vorschrift mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG unvereinbar war, soweit sie die in ehelicher Gemeinschaft lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern von der Gewährung des Haushaltsfreibetrages ausschloss. § 32 Abs. 7 EStG wurde zum 31. Dezember 2003 aufgehoben.
Vom 1. Januar 2004 an räumt § 24b EStG Alleinerziehenden einen Entlastungsbetrag ein. In der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1753) lautet die Vorschrift:
§ 24b Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
(1) Allein stehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 Euro im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder Kindergeld zusteht. Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des allein stehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet, steht der Entlastungsbetrag nach Satz 1 demjenigen allein Stehenden zu, der die Voraussetzungen auf Auszahlung des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 1 erfüllt oder erfüllen würde in Fällen, in denen nur ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 besteht.
(2) Allein stehend im Sinne des Absatzes 1 sind Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder Kindergeld zu oder es handelt sich um ein Kind im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ausübt. Ist die andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet, wird vermutet, dass sie mit dem Steuerpflichtigen gemeinsam wirtschaftet (Haushaltsgemeinschaft). Diese Vermutung ist widerlegbar, es sei denn, der Steuerpflichtige und die andere Person leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
(3) Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorgelegen haben, ermäßigt sich der Entlastungsbetrag um ein Zwölftel.
2. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2004 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten haben zwei 1999 und 2002 geborene Kinder, die bei ihnen unter gemeinsamer Anmeldung mit Hauptwohnsitz lebten und für die sie Anspruch auf Kindergeld hatten.
3. Der Beschwerdeführer beantragte die Eintragung eines Freibetrages in Höhe von 1.308,– Euro entsprechend § 24b EStG auf seiner Lohnsteuerkarte. Bei Nichtgewährung des Freibetrages werde er gegenüber alleinstehenden Steuerpflichtigen diskriminiert.
Durch Bescheid vom 5. Februar 2004 lehnte das Finanzamt den Antrag ab, weil der Beschwerdeführer verheiratet sei. Der Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2004 zurückgewiesen.
4. Der Beschwerdeführer erhob Klage. Ehepaare mit Kindern würden in verfassungswidriger Weise benachteiligt, wenn ihnen – anders als alleinstehenden Steuerpflichtigen – kein Entlastungsbetrag gewährt werde. Entsprechend den in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 genannten Grundsätzen müsse der durch § 24b EStG geschaffene gleichheitswidrige Zustand dadurch ausgeglichen werden, dass der Entlastungsbetrag auch verheirateten Ehepaaren gewährt werde.
Das Finanzgericht wies die Klage durch Urteil vom 8. Dezember 2004 ab. Nach Wortlaut und Sinn der §§ 39 ff. und 24b EStG habe der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Eintragung eines Entlastungsbetrages auf seiner Lohnsteuerkarte 2004, da er mit seiner Ehefrau zusammenlebe und deshalb nicht alleinstehend im Sinne des Gesetzes sei. Ein Anspruch auf einen Freibetrag folge auch nicht aus § 31 BVerfGG in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998. § 24b EStG weise gegenüber § 32 Abs. 7 EStG und den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegen hätten, signifikante Unterschiede auf.
Die Vorschrift sei dem Bundesverfassungsgericht nicht vorzulegen, weil das Finanzgericht nicht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt und sie nicht entscheidungserheblich sei. Der Gesetzgeber habe die durch den Erziehungsbedarf verminderte Leistungsfähigkeit aller Eltern durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs berücksichtigt. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende solle der zusätzlichen Mehrbelastung Rechnung tragen, die sich daraus ergebe, dass ein steuerpflichtiger Elternteil allein mit seinem Kind oder seinen Kindern ohne weitere erwachsene Person in einem Haushalt lebe. Alleinstehende Personen hätten keine Möglichkeit, sich bei der Betreuung der Kinder mit anderen abzuwechseln, zu ergänzen oder sich gegenseitig zu unterstützen. Hieraus ergäben sich in der täglichen Praxis und der persönlichen und beruflichen Lebensführung vielfältige Schwierigkeiten, die auszugleichen vielfach überhaupt nicht oder nur durch Inkaufnahme finanzieller Mehrbelastungen möglich sei. Es liege im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens, spezifische Mehrbelastungen aus besonderen Lebenssituationen auszugleichen. Insofern sei in § 24b EStG auch nicht lediglich der Haushaltsfreibetrag wieder aufgelebt. Die Vorschrift sei nicht entscheidungserheblich, weil auch dann, wenn das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz feststellen würde, eine für den Beschwerdeführer günstigere Regelung nicht zu erwarten sei. Eine Gewährung des Freibetrages aus Billigkeitsgesichtspunkten komme nicht in Betracht, da angesichts der Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers kein Eingriff in das (Kinder-)Existenzminimum erfolge.
5. Der Beschwerdeführer legte Revision ein. Der Freibetrag für Alleinerziehende sei nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers an die Stelle des Haushaltsfreibetrages getreten. Haushaltsfreibetrag und Alleinerziehendenfreibetrag begünstigten faktisch weitgehend identische Personengruppen; Verheiratete seien jedenfalls ausgeschlossen. Die Neuregelung verstoße gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998.
Der Bundesfinanzhof wies die Revision durch Urteil vom 19. Oktober 2006 zurück. Dem Beschwerdeführer stehe ein Entlastungsbetrag nicht zu. § 24b EStG sei weder unmittelbar noch analog auf den Beschwerdeführer anwendbar. Der Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes sei zugunsten aller Eltern in § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt und die zusätzliche Entlastung durch § 24b EStG bewusst auf Alleinstehende beschränkt worden.
Ein Anspruch auf den Freibetrag folge nicht aus § 31 BVerfGG in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998. Ob sich die Bindungswirkung der Entscheidung auf den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erstrecke, bedürfe keiner Klärung, denn der Entlastungsbetrag sei nach den Grundsätzen dieses Beschlusses nicht verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit des Haushaltsfreibetrages habe darauf beruht, dass er zusammenlebenden unverheirateten Eltern gewährt, ehelichen Erziehungsgemeinschaften aber vorenthalten worden sei. § 24b EStG diskriminiere jedoch nicht eheliche gegenüber nichtehelichen Erziehungsgemeinschaften, sondern gewähre den Freibetrag nur Alleinstehenden. Nachdem der Gesetzgeber den Abzug des elterlichen Betreuungsaufwandes durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG sowie Vorschriften über einen darüber hinausgehenden Abzug von Kinderbetreuungskosten neu geregelt habe, sei in § 24b EStG eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Begünstigung und damit eine Sozialzwecknorm zu sehen, von der zusammenlebende, miteinander verheiratete Eltern in nicht gegen Art. 6 GG verstoßender Weise ausgeschlossen würden. Der Entlastungsbetrag werde nicht wegen der Ehe versagt, da auch zusammenlebende, unverheiratete Eltern ihn nicht erhielten.
Es bestünden Zweifel, ob § 24b EStG insoweit der Verfassung entspreche, als Personen, die die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens erfüllten, stets von dem Entlastungsbetrag ausgeschlossen seien. Auch solche Personen könnten sich in einer Situation befinden, in der das Kind wegen besonderer Umstände nur von einem Ehegatten betreut werden könne. Das könne der Fall sein, wenn eine Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten für einen Teil des Jahres fehle oder wenn ein tatsächliches Alleinstehen aufgrund von stationärer Behandlung, Haft, doppelter Haushaltsführung, Auslandsaufenthalt oder Pflegebedürftigkeit gegeben sei. Die Veranlagung nach dem Splittingtarif kompensiere das nicht. Das müsse aber nicht entschieden werden, weil der Beschwerdeführer und seine Ehefrau während des ganzen Jahres zusammenlebten und damit auch den verfassungsrechtlich unbedenklichen Ausschlusstatbestand der Haushaltsgemeinschaft erfüllten.
Für den Streitfall unerheblich seien Zweifel an der Eignung des § 24b EStG als Sozialzwecknorm. Ebenso unerheblich sei, dass der Entlastungsbetrag auch dann gewährt werde, wenn keine über die von allen Eltern zu tragenden hinausgehende Belastungen entstünden. Dem Gesetzgeber stünden bei der steuerlichen Förderung sachbezogene Differenzierungsgesichtspunkte in weitem Umfang zu Gebote. Der Beschwerdeführer gehöre auch zu der „Standardgruppe” zusammenlebender Eltern, die gegenüber Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern Synergieeffekte erzielen könnten.
6. Mit der Verfassungsbeschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei, wie sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe, an die Stelle des Haushaltsfreibetrages getreten. Daher gälten auch für ihn die Ausführungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 zu § 32 Abs. 7 EStG.
Verheiratete würden weiterhin von der Begünstigung ausgeschlossen. Alleinerziehende würden auch entlastet, wenn sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen bezögen und nicht Beruf und Kindererziehung verbinden müssten. Das gleiche gelte, wenn erwachsene Kinder, die studierten oder arbeitslos seien, noch unter der Heimatadresse gemeldet seien, aber keine Betreuungskosten auslösten. Der Entlastungsbetrag werde, was auch der Bundesrechnungshof bemängelt habe, allein aufgrund der melderechtlichen Situation gewährt, ohne dass eine Kontrolle erfolge. Es verstoße gegen das Gebot der Folgerichtigkeit, dass diejenigen, die eine Entlastung am nötigsten bräuchten, Alleinerziehende ohne Einkommen, am wenigsten begünstigt würden. Wenn beide Ehegatten berufstätig seien, fielen die gleichen zusätzlichen Betreuungsaufwendungen an wie bei Alleinerziehenden. Der Beschwerdeführer könne seine halbtags arbeitende Ehefrau aufgrund seiner Tätigkeit nicht von der Kinderbetreuung entlasten, diese trage die volle Belastung der Kinderbetreuung nicht viel anders als eine Alleinerziehende.
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende werde damit gerechtfertigt, dass diesem Personenkreis höhere Lebenshaltungskosten entstünden, weil sie Synergieeffekte zur Haushaltsersparnis nicht nutzen könnten. Die Frage, welche Mehrbelastungen das seien, werde nicht beantwortet. Sie könnten allenfalls kindbedingt sein und aus der Notwendigkeit resultieren, Erziehung und Beruf miteinander zu vereinbaren. Für derartige Belastungen sei aber der Betreuungsfreibetrag eingeführt worden. Konsequenterweise halte der Bundesfinanzhof den Entlastungsbetrag für eine Sozialzwecknorm, für die aber das Gebot der Folgerichtigkeit bestehe. Alleinerziehende erhielten regelmäßig Unterhaltszahlungen, die zum Ausgleich angeblicher zusätzlicher Belastungen dienen könnten und berücksichtigt werden müssten. Es liege eine mittelbare Diskriminierung Verheirateter vor, weil die Vorschrift auf das Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft abstelle, das bei den meisten Verheirateten vorliege.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt; die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Grundrechte des Beschwerdeführers sind nicht verletzt.
1. Dass § 24b EStG auf den Beschwerdeführer keine Anwendung findet, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG.
a) Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (Diskriminierungsverbot, vgl. BVerfGE 76, 1 ≪72≫; 114, 316 ≪333≫). Art. 6 Abs. 1 GG untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen (vgl. BVerfGE 28, 324 ≪347≫; 69, 188 ≪205 f.≫) und von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften (vgl. BVerfGE 61, 319 ≪355≫). Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG) anknüpft (vgl. BVerfGE 99, 216 ≪232≫). Generell unzulässig ist daher eine Benachteiligung allein wegen des Bestandes der Ehe oder des Vorliegens einer Erziehungsgemeinschaft. Im Übrigen kann die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen werden (vgl. BVerfGE 28, 324 ≪347≫). Insbesondere darf der Gesetzgeber Verheiratete steuerlich anders behandeln als Ledige (vgl. BVerfGE 32, 260 ≪268≫). Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses oder aus den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für eine bestimmte Steuerart (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪133 f.≫) einleuchtende Sachgründe ergeben (vgl. BVerfGE 114, 316 ≪333≫). Wenn eine Belastung Familienmitglieder nur so trifft wie andere Personen, liegt eine gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßende Benachteiligung nicht vor (vgl. Schmitt-Kammler/von Coelln, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 33). Dies ist hingegen der Fall, wenn Ehepartner oder Eltern wegen ihrer Ehe oder Familie und deren Gestaltung von Steuerentlastungen ausgeschlossen werden (vgl. BVerfGE 12, 151 ≪167≫; 99, 216 ≪232≫).
Art. 6 Abs. 1 GG garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (stRspr, z.B. BVerfGE 21, 329 ≪353≫; vgl. auch BVerfGE 61, 319 ≪346 f.≫ m.w.N.; 99, 216 ≪231≫). Der Gesetzgeber muss, wenn er dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl. BVerfGE 66, 84 ≪94≫; 87, 234 ≪258 f.≫).
b) Eine den Beschwerdeführer betreffende Benachteiligung von Ehe und Familie liegt nicht vor.
Verheiratete werden nicht wegen ihrer Ehe von der Steuerentlastung ausgeschlossen. Allerdings sind Steuerpflichtige nicht allein stehend im Sinne des § 24b EStG, wenn sie die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens erfüllen. Allein stehend ist aber grundsätzlich auch nicht, wer eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bildet. Ausgeschlossen sind daher nicht nur Verheiratete, sondern alle Erziehungsgemeinschaften mit zwei Erwachsenen in einem gemeinsamen Haushalt. Insbesondere scheidet § 24b Abs. 2 Satz 3 EStG bei Beachtung der melderechtlichen Vorschriften nichteheliche Lebensgemeinschaften und eingetragene Lebenspartnerschaften im Ergebnis ebenso von der Steuerentlastung aus wie Verheiratete.
Verheiratete Eltern werden damit grundsätzlich nicht anders betroffen als sonstige Steuerpflichtige. Die steuerliche Entlastung wird „echten” Alleinerziehenden vorbehalten, die den Haushalt ohne Unterstützung eines anderen Erwachsenen zu betreuen haben. Diese Beschränkung begegnet auch nicht deshalb Bedenken, weil die Entscheidung der Eltern, das Kind in häuslicher Gemeinschaft zu erziehen, zum Entfallen der Steuerentlastung führt. Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist nicht diese Entscheidung an sich, sondern die besondere Belastung, die bei Erziehungsgemeinschaften mit nur einem Erwachsenen vorliegt. Wegen der Bestimmung der Alleinstehendeneigenschaft, die insbesondere nichteheliche Lebensgemeinschaften ausschließt, unterscheidet sich § 24b EStG grundlegend von § 32 Abs. 7 EStG, so dass die Ausführungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 auf § 24b EStG nicht entsprechend anzuwenden sind.
Soweit der Beschwerdeführer eine mittelbare Diskriminierung rügt (vgl. zum Verbot mittelbarer Diskriminierung gemäß Art. 3 GG, BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 –, NVwZ 2008, S. 987 ≪988≫ m.w.N.), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann unterstellt werden, dass das aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Benachteiligungsverbot ein Art. 3 GG vergleichbares Verbot mittelbarer Diskriminierung enthält. Dass die meisten Verheirateten tatsächlich zusammenleben und daher von dem Entlastungsbetrag ausgeschlossen sind, ändert nichts daran, dass die verheirateten Eltern nur eine Teilmenge der Erziehungsgemeinschaften mit zwei Erwachsenen bilden. Es sind aber grundsätzlich alle solchen Lebensgemeinschaften von der Entlastung ausgeschlossen. Weder trifft der vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfungspunkt in der gesellschaftlichen Wirklichkeit weitgehend nur für Verheiratete zu, noch wirkt sich § 24b EStG weitgehend nur auf die Gruppe der Verheirateten aus.
2. Eine den Beschwerdeführer betreffende Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
a) Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit sind nicht verletzt.
aa) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪136≫; 107, 27 ≪47≫; 117, 1 ≪30≫). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt. Durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 105, 73 ≪125≫; 107, 27 ≪46 f.≫; 116, 164 ≪180≫; 117, 1 ≪30≫). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪268 ff.≫) darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪89≫; 99, 246 ≪260≫; 107, 27 ≪46 f.≫; 116, 164 ≪180≫). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 88 ≪95≫; 99, 280 ≪290≫; 105, 73 ≪126≫; 107, 27 ≪47≫; 116, 164 ≪180 f.≫; 117, 1 ≪31≫).
Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt. Für Entlastungsentscheidungen gilt nichts anderes. Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 11, 245 ≪254≫; 78, 214 ≪227≫; 84, 348 ≪359≫). Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪359≫; 113, 167 ≪236≫; stRspr).
bb) Die § 24b EStG zugrundeliegende Entlastungsentscheidung des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Soweit die Vorschrift typisierend gefasst ist, verstößt auch das nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Es kann offen bleiben, ob § 24b EStG einer tatsächlichen Mehrbelastung Rechnung trägt oder allein der sozialen Förderung dient. Im ersten Fall liegt keine Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vor, im zweiten Fall rechtfertigt der Förderzweck die dann bestehende Abweichung von der Belastungsgleichheit. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende die höheren Kosten für die eigene Lebens- beziehungsweise Haushaltsführung der „echten” Alleinerziehenden abgelten. Die alleinige Verantwortung für die alleinerziehende Person und die Kinder enge die Gestaltungsspielräume bei der Alltagsbewältigung ein und führe insbesondere bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit zu einer besonderen wirtschaftlichen Belastung. Es könnten keine Synergieeffekte aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung mit einer anderen erwachsenen Person zur Haushaltsersparnis genutzt werden. Zum Beispiel könnten wegen mangelnder Mobilität höhere Kosten für den alltäglichen Einkauf oder erhöhte Kosten zur Deckung von Informations- und Kontaktbedürfnissen sowie für gelegentliche Dienstleistungen Dritter entstehen (vgl. BTDrucks 15/1751, S. 6; 15/3339, S. 11).
Geht man entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers davon aus, dass eine solche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindernde Mehrbelastung bei „echten” Alleinerziehenden in der Regel besteht, dann war der Gesetzgeber berechtigt, einen diesbezüglichen Entlastungsbetrag zu gewähren. Dessen Höhe fällt in den dem Gesetzgeber hier zukommenden Einschätzungsspielraum. Gleiches gilt für die Annahme, die Mehrbelastung entfalle nicht, wenn zwar eine volljährige Person im Haushalt lebt, dem Steuerpflichtigen aber für diese ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht oder es sich um ein Kind im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübt. In den gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum fällt es ebenso, auch bei beiderseits berufstätigen zusammenlebenden Eltern von Synergieeffekten, die eine Mehrbelastung nicht eintreten lassen, auszugehen, und bei kinderlosen Ein-Personen-Haushalten eine erhebliche Mehrbelastung zu verneinen.
Betrachtet man dagegen § 24b EStG als eine reine Fördermaßnahme, weil die die Leistungsfähigkeit mindernden Faktoren bereits durch andere einkommensteuerliche Vorschriften vollständig erfasst seien, so handelt es sich um eine hinreichend sachlich begründete Ungleichbehandlung. Die bei „echten” Alleinerziehenden jedenfalls regelmäßig vorliegende besondere zeitliche und psychosoziale Belastung sowie das erhöhte Armutsrisiko dieser Bevölkerungsgruppe (vgl. BTDrucks 16/9915, S. 40; Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung: Alleinerziehende im SGB II, 2008, S. 5 ff.; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 24b Rn. 3) sind Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.
Soweit der Beschwerdeführer Fallgruppen anführt, auf die der Gesetzeszweck nicht zutreffe, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Dass in § 24b EStG hierfür keine Sonderregelungen vorgesehen sind, liegt innerhalb der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Alleinerziehende, die ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung in einer zur Erhebung von Einkommensteuer führenden Höhe haben, sind ebenso ein vernachlässigbarer Sonderfall wie auswärts untergebrachte Kinder, bei denen die Haushaltszugehörigkeit fortbesteht.
Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, die Unterhaltszahlungen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers der Mehrbelastung von Alleinerziehenden gegenüberzustellen seien, durch eine besondere Regelung zu erfassen. Dabei kann offen bleiben, ob eine solche Verrechnung im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips überhaupt geboten sein kann. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die von § 24b EStG erfassten Alleinerziehenden im Regelfall Unterhaltsleistungen erhalten, die in der gesetzlichen Regelung abgebildet werden müssten. Vielmehr gibt es eine große Zahl denkbarer Fallgestaltungen, bei denen ein etwaiger zur Kompensation der Mehrbelastung verfügbarer Teil des Unterhaltsbetrages individuell bestimmt werden müsste. Es gibt mehrere denkbare Rechtsgrundlagen für einen Unterhaltsanspruch (vgl. §§ 1361, 1569 ff., 1615l BGB). Dauer und Höhe etwaiger Unterhaltsansprüche differieren stark, zudem kann nicht ohne weiteres von ihrer vollständigen und pünktlichen Erfüllung ausgegangen werden. Der Gesetzgeber durfte daher von seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis dahingehend Gebrauch machen, dass er den Entlastungsbetrag für Alleinerzeihende ohne Rücksicht auf erhaltene Unterhaltszahlungen gewährt.
b) Ein strukturelles Vollzugsdefizit (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪271 ff.≫; 110, 94 ≪112 ff.≫) liegt, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, nicht vor. Der Gesetzgeber hat das Erhebungsverfahren nicht strukturell gegenläufig zu dem materiellen Entlastungstatbestand ausgestaltet. Soweit § 24b EStG auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellt, ist die Finanzbehörde nicht durch das Gesetz gehindert, diese Verhältnisse aufzuklären. Sie ist insoweit nicht an den Inhalt des Melderegisters gebunden. Nimmt sie gleichwohl keine weiteren Ermittlungen vor, so handelt es sich allenfalls um einen nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung führenden Vollzugsmangel (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪272≫).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Osterloh, Mellinghoff, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 2188058 |
BFH/NV 2009, 1578 |
HFR 2009, 1027 |