rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang eines Steuerbescheids nach der Drei-Tages-Vermutung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Bestreitet der Empfänger nicht den Zugang eines Steuerbescheids, sondern dessen Erhalt innerhalb der Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO, hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf den späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen.
2. Auf die Beweislastregel des § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO kann erst dann zurückgegriffen werden, wenn trotz erfolgter Sachaufklärung noch Zweifel am gesetzlich vermuteten Zugang eines Bescheids verbleiben.
3. Die alleinige Behauptung, den Steuerbescheid erst nach Ablauf der Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO erhalten zu haben, ist zu unbestimmt, um Zweifel an der gesetzlichen Vermutung zu begründen.
Normenkette
AO §§ 110, 355 Abs. 1 S. 1, § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 108 Abs. 3; BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193; FGO § 96 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Einkommensteuerbescheid 2002 nicht rechtzeitig angefochten und dadurch bestandskräftig wurde mit der Folge, dass die streitbefangenen Umzugskosten jedenfalls aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht abziehbar sind.
Der Kläger war im Streitjahr 2002 in X bei der Fa. B als technischer Angestellter nicht-selbständig tätig. Der Kläger führte im Streitjahr zwei Umzüge durch. Anfang April zog er von seiner bisherigen Einzimmerwohnung in Y zunächst in die von seiner Arbeitsstätte weiter entfernte Wohnung seiner künftigen Ehefrau in Z. Die Eheschließung erfolgte am 5. April 2002. Am 16. Juli 2002 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Am 27. Juni des Streitjahres ist der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in eine neue gemeinsame Wohnung in Q umgezogen. Die einfache Entfernung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte in X beträgt 24 km, die einfache Entfernung zwischen Z und X beträgt 145 km.
Bei dem (Rück-) Umzug von Z nach Q entstanden dem Kläger Aufwendungen in Höhe von 754 EUR, die er mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr geltend machte. Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) lehnte den Abzug mit Einkommensteuerbescheid vom 29. Januar 2004 ab, da der Umzug nicht beruflich veranlasst gewesen sei.
Der Kläger erhob dagegen mit Schreiben vom 2. März 2004 Einspruch. Das Einspruchsschreiben ist gemäß dem Eingangsstempel des FA am 3. März 2004 beim FA eingegangen (s. Rechtsbehelfsakten –nicht paginiert–Bl. 1). Mit Schreiben vom 8. März 2004 teilte das Finanzamt dem Kläger mit, dass der Einspruch nicht innerhalb der am 1. März 2004 abgelaufenen Einspruchsfrist eingegangen sei. Das Finanzamt regte an, ggf. Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen.
Der Kläger teilte dem FA mit Schreiben vom 5. April 2004 mit, dass er den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres vom 29. Januar 2004 erst am 7. Februar 2004 erhalten habe. Der Einspruch sei daher rechtzeitig erfolgt und sei darüber hinaus auch in der Sache berechtigt.
Das FA hat den Einspruch im Anschluss an einen weiteren Schriftwechsel mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2007 als unzulässig verworfen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Einkommensteuerbescheid vom 29. Januar 2004 mit Ablauf des 2. März 2004 bestandskräftig geworden sei. Der am 3. März 2004 eingegangene Einspruch sei deshalb verspätet. Das Finanzamt hat darauf hingewiesen, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, außer er ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH hat das Finanzamt ferner darauf hingewiesen, dass der Empfänger, wenn er den Zugang des Verwaltungsaktes innerhalb des Dreitageszeitraums bestreitet, substantiiert Tatsachen vorzutragen hat, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Ein einfaches Bestreiten der Zugangsfiktion genüge hingegen nicht.
Mit der Klage begehrt der Kläger weiterhin den Abzug der geltend gemachten Umzugskosten. Der Kläger trägt vor, der Bescheid vom 29. Januar 2004 sei bei ihm erst am 7. Februar 2004 eingegangen mit der Folge, dass der am 2. März 2004 eingelegte Einspruch rechtzeitig sei. Das Finanzamt habe keinen Beweis dafür erbracht, dass der Bescheid bereits am 2. Februar 2004 und nicht erst am 7. Februar 2004 zugegangen sei. Der Kläger nimmt ferner Bezug auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichtes vom 29. Oktober 2007 3 K 523/05. Das Gericht habe in diesem Fall entschieden, dass die Behörde im Zweifel den Zugang und den Zeitpunkt des Zuganges nachweisen müsse. Der Kläger weist außerdem darauf hin, dass das FA ursprünglich (mit Schreiben vom 8. März 2004 und vom 7. Mai 2004) behauptet habe, die Rechtsmittelfrist sei bereits am 1. März 2004 abgelaufen. Erst in einem späteren Schreiben vo...